Die Börse hat positiv auf die Gipfel-Beschlüsse reagiert. Was der Schuldenschnitt auf griechische Anleihen für Verbraucher und Banken bedeutet.
Hamburg. Mit einem Kursfeuerwerk haben die Börsen auf die Einigung zu den Griechenland-Hilfen reagiert. Der Deutsche Aktienindex (DAX) zog um mehr als fünf Prozent an, getrieben von den Finanztiteln: Papiere der Deutschen Bank und der Commerzbank schossen zeitweise um mehr als 15 Prozent in die Höhe, die Aktien des Versicherers Allianz legten um gut acht Prozent zu. Auch der Euro profitierte von den Gipfel-Beschlüssen, er kletterte auf 1,4038 (Vortag: 1,3927) Dollar.
Sogar der Börsenindex der griechischen Banken stieg in der Spitze um knapp 15 Prozent. "Das ist ein Phänomen, das man häufig am Aktienmarkt sieht: Wenn endlich Gewissheit herrscht, gehen die Kurse nach oben", sagte Haspa-Chefvolkswirt Jochen Intelmann. Den Angaben aus Brüssel zufolge brauchen die europäischen Banken wegen des Schuldenschnitts bei den griechischen Staatsanleihen um 50 Prozent nun 106 Milliarden Euro frisches Kapital. "Vor einigen Tagen hatte man noch über Zahlen von bis zu 300 Milliarden Euro spekuliert", so Intelmann.
Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zu den Auswirkungen des Schuldenschnitts auf Verbraucher und die deutschen Banken.
Sind auch Kleinanleger betroffen?
Noch im Sommer haben Privatanleger bei griechischen Staatsanleihen kräftig zugegriffen: Kurze Laufzeiten und hohe Zinsen lockten spekulative Anleger. Sie müssen auch jetzt noch keinen Verlust fürchten. "Da es sich um einen freiwilligen Verzicht handelt, sind Privatanleger nicht automatisch betroffen", sagt Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz.
Auch Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, ist sicher, dass Privatanleger verschont bleiben. "Es ist eine freiwillige Vereinbarung und einbezogen werden kann nur, wer sich dazu bereit erklärt hat, also große institutionelle Anleger wie Banken und Versicherungen." Fondsgesellschaften, die etwa Rentenfonds verwalten, haben die griechischen Staatsanleihen schon bisher mit ihrem niedrigen Marktwert, der unter 50 Prozent liegt, bewertet und müssen deshalb ohnehin keine zusätzlichen Verluste befürchten.
Sind Lebensversicherungen gefährdet?
Nach Angaben des Branchenverbands der Versicherer GDV hat die deutsche Assekuranz deutlich weniger als 0,3 Prozent ihrer gesamten Kapitalanlagen in griechische Staatsanleihen investiert. "Das wird keine Auswirkungen auf die Überschussbeteiligung im nächsten Jahr haben", sagt Branchenexperte Manfred Poweleit. So hat etwa die Ergo ihre Griechenland-Papiere von ursprünglich rund einer Milliarde Euro bereits um die Hälfte abgewertet. "Entsprechende Abschreibungen können durch Kapitalanlageergebnisse aus anderen Quellen kompensiert werden", sagte eine Ergo-Sprecherin. Dennoch müssen sich Lebensversicherte auf niedrigere Überschussbeteiligungen im Jahr 2012 einstellen. "Ursache ist aber nicht Griechenland, sondern die Niedrigzinspolitik in Europa", sagt Poweleit.
Wie hart trifft der Schuldenschnitt die deutschen Banken?
Nach den Beschlüssen des Euro-Gipfels müssen die Geldhäuser bis Mitte 2012 ihre sogenannte Kernkapitalquote von acht Prozent auf neun Prozent hochsetzen, sie müssen also bei gleichbleibendem Geschäftsvolumen mehr Eigenkapital vorhalten. Laut Europäischer Bankenaufsicht (EBA) benötigen vier der 13 größten deutschen Institute zusammen 5,2 Milliarden Euro zusätzliches Kapital: die Deutsche Bank, die Commerzbank, die Nord/LB und die LBBW. Allein die Commerzbank braucht fast drei Milliarden Euro, die sie mit dem Verkauf von Randbereichen, Gewinnen und der Reduzierung von Krediten aufbringen will. Der Deutschen Bank sollen die Gewinne der nächsten neun Monate reichen, um auf den geforderten Eigenkapitalpuffer zu kommen. Unter den Landesbanken muss die Nord/LB 660 Millionen Euro aufbringen, um die verlangten neun Prozent zu erreichen. Vorstandschef Gunter Dunkel wolle die Eigentümer dafür nicht in Anspruch nehmen, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters. Die Lanesbank LBBW braucht 364 Millionen Euro mehr Kapital, auch sie will die Anforderungen aus eigener Kraft erfüllen.
Bei der HSH Nordbank ist gemäß dem sogenannten Blitz-Stresstest der EBA keine Kapitalerhöhung notwendig. Im Juli hieß es, die HSH halte griechische Anleihen im Wert von 200 Millionen Euro. Die Haspa ist, wie ein Sprecher sagte, generell nicht in ausländischen Staatsanleihen investiert.
Muss jetzt wieder der Staat aushelfen?
"Staatshilfen werden aller Voraussicht nach nicht erforderlich sein", um die Kapitalanforderungen der deutschen Institute zu erfüllen, hieß es vom Verband der öffentlichen Banken (VÖB), der die Landesbanken vertritt. Allerdings ist die sogenannte Bad Bank des verstaatlichten Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate Deutschlands größter Investor in griechischen Staatsanleihen: Ihre Bestände beliefen sich zuletzt auf 7,2 Milliarden Euro. Hier könnte der Staat gefordert sein, um Verluste auszugleichen.
Droht den Firmen eine Kreditklemme?
Zwar soll durch den erhöhten Kapitalbedarf der Banken nach dem Willen der Regierungen der Euro-Zone keine Kreditklemme ausgelöst werden. "Weil die Anforderungen so kurzfristig erfüllt werden müssen, kann dies aber Spannungen in der Kreditvergabe verursachen", sagte Hans-Peter Burghof, Bankenexperte an der Uni Hohenheim.
Ist der Börsenaufschwung nachhaltig?
"Die Beschlüsse sind ein klares Signal an die Welt, dass man den Euro stabilisieren will", sagte Intelmann. Die Vereinbarungen hätten eine "andere Qualität" als die des Gipfels im Juli. Die Nervosität am Markt werde aber hoch bleiben, bis klare Konsolidierungserfolge in den Staatshaushalten sichtbar würden. Zudem stehe in Europa ein konjunktureller Abschwung bevor.