Griechenlands Ministerpräsident will eine Volksabstimmung über sein Sparpaket.
Es ist ein richtiger, aber riskanter Weg, den Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou mit seiner Ankündigung eines Volksentscheids eingeschlagen hat. Die Griechen sollen darüber abstimmen, ob sie das Sparpaket der Regierung akzeptieren oder nicht. Papandreou spielt seine womöglich letzte Karte in einem politischen Pokerspiel, das für ihn schon verloren schien. Eine wenig kooperative Opposition, nationalistische Tendenzen in einer verunsicherten Bevölkerung und gewalttätige Ausschreitungen mit Euro-Gegnern auf den Straßen Athens haben den Regierungschef in den vergangenen Wochen in die Enge getrieben. Nun versucht er mit dem Volksentscheid seinen persönlichen politischen Befreiungsschlag. Papandreou weiß: Nur wenn die Griechen das von ihm verteidigte Sparpaket absegnen, könnte er weiterregieren. Doch die Volksabstimmung wäre mehr als ein Votum über Papandreou. Die Griechen würden über eine Zukunft mit oder ohne Euro entscheiden. Denn sollten sie gegen den Sparkurs stimmen, käme dies in letzter Konsequenz einem Austritt aus der Euro-Zone gleich.
Für Europa und den Internationalen Währungsfonds (IWF) kann es beim Blick auf das mit der Athener Regierung vereinbarte Sparpaket keine Kompromisse geben. So hart die Einschnitte für den einzelnen Bürger auch sein mögen, die finanziellen Hilfen dürfen nur fließen, wenn die Sparmaßnahmen eins zu eins umgesetzt werden. Weichen die Geldgeber nur einen Zentimeter von ihrem Weg ab, werden sie unglaubwürdig und erpressbar. Die Hilfen für das überschuldete Griechenland sind an detailliert formulierte Bedingungen geknüpft, die Athen einzuhalten hat. Da es sich allerdings um die tiefsten sozialen Einschnitte in der jüngeren Geschichte Griechenlands handelt, sollte das Volk dazu gehört werden.
Sind die Griechen bereit, ihren verkrusteten Staatsapparat und ihr undurchsichtiges Sozial- und Steuersystem neu aufzustellen oder wollen sie einen anderen, eigenen Weg außerhalb der Euro-Zone gehen? Wenn ein Volk in einer parlamentarischen Demokratie nicht einmal mehr über eine solche Schicksalsfrage abstimmen darf, über was dann?
Gegen die eigene Bevölkerung wird die Regierung in Athen ihren Sparkurs langfristig nicht durchhalten können. Bereits heute steht fest, dass die eingeleiteten Maßnahmen nur den Beginn harter sozialer Einschnitte markieren. Es macht Sinn, dass die Regierenden jetzt das Volk hinter sich scharen, bevor Nationalisten in den kommenden Monaten mit Anti-Europa-Parolen Zulauf bekommen. Sollten die Griechen für den Sparkurs stimmen, würden nicht nur die Pro-Europa-Politiker in Athen gestärkt, auch die Zukunft für die junge Gemeinschaftswährung Euro wäre sicherer. Doch was passiert bei einem negativen Votum?
Die Aktienmärkte gingen gestern bereits in die Knie, die Furcht der Anleger vor dem Zerfall der Euro-Zone ist groß. Allerdings sollte man die direkten ökonomischen Folgen eines Abschieds der Griechen aus der Euro-Zone, der bei einem Nein zum Sparpaket zwangsläufig wäre, auch nicht überbewerten. Die Banken haben ihre Griechenland-Anleihen ohnehin schon zum Großteil abgeschrieben und die wirtschaftliche Bedeutung des südosteuropäischen Landes mit seinen knapp elf Millionen Einwohnern für die Euro-Zone hält sich in Grenzen.
Allerdings wäre der Austritt ein mehr als fatales Signal für die von weitsichtigen Männern wie Jean Monnet, Helmut Schmidt und Giscard d'Estaing vorangetriebene Idee eines vereinten Europa. Der Nährboden für einen neuen gefährlichen Nationalismus auch in anderen Euro-Staaten würde bereitet. Und der Euro bliebe in der langen, turbulenten Geschichte Europas womöglich nicht mehr als eine Randnotiz.