Ob Ärzte oder Handwerker: Binnen drei Monaten wird über die Qualifikation der Zuwanderer befunden. Hotline und neue Homepage sollen helfen.
Berlin. Zuwanderer sollen in Deutschland das Recht auf eine rasche Prüfung ihrer beruflichen Qualifikation erhalten. Nach anderthalbjährigen Beratungen der Bundesregierung mit den Ländern und Berufsverbänden beschloss das Kabinett den Gesetzentwurf. Das Gesetz sei Teil der Willkommenskultur, die in Deutschland dringend nötig sei, sagte Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) nach der Kabinettssitzung. Bereits im Dezember 2009 hatte das Kabinett Eckpunkte des Entwurfs beschlossen. Für das Gesetz mussten 60 Berufsgesetze geändert werden. Daher habe die Erarbeitung so lange gedauert, erklärte Schavan. Das Gesetz gilt für 500 Berufe. Nach dem Gesetzentwurf soll jeder Bürger mit einem ausländischen Berufs- oder Studienabschluss einen Rechtsanspruch erhalten, dass innerhalb von drei Monaten seine Qualifikation geprüft werden muss. In den Eckpunkten war noch eine sechsmonatige Frist vorgesehen.
Rund 300.000 Menschen könnten nach Einschätzung der Bundesregierung von der Neuerung profitieren. Davon hätten 250.000 einen berufsqualifizierenden Abschluss, 23.000 einen Meister- oder Techniker-Abschluss und 16.000 einen Fachhochschul- oder Universitätsabschluss, sagte Schavan. Sie sprach von einem Beitrag zum Abbau des Fachkräftemangels in Deutschland und zur Integration. „Wir bieten Zuwanderern die Chance, ihren erlernten Beruf auszuüben.“
Auch Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sagte, durch schnellere Anerkennungsverfahren lasse sich das ausländische Fachkräftepotenzial besser nutzen und die Akzeptanz ausländischer Bildungsabschlüsse bei den Unternehmen erhöhen. „Damit wird Deutschland als Standort attraktiver“, so Brüderle.
Durch das Anerkennungsgesetz könnten sich Migranten verstärkt mit ihren Kenntnissen und Fähigkeiten einbringen, sagte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU). Zugleich erhielten sie die Wertschätzung, die sie verdienten. „Das ist Anerkennung im doppelten Sinne.“
Mit Inkrafttreten des Gesetzes soll eine bundesweite Telefon-Hotline freigeschaltet werden, über die sich Antragsteller informieren können. Die Anerkennung in einem Bundesland soll bundesweit gelten. Zudem sollen die einheitlichen Kriterien für die Anerkennung auf einer Homepage des Bundeswirtschaftsministeriums veröffentlicht werden. Wird ein Antrag auf Anerkennung abschlägig entschieden, kann sich der Bewerber nachqualifizieren. Die Kosten dafür muss er selbst tragen. Bei Ärzten soll die Zulassung nicht länger an die Staatsangehörigkeit gekoppelt sein. Der Gesetzentwurf muss noch in Bundesrat und Bundestag beraten werden. Das Gesetz soll noch in diesem Jahr in Kraft treten.
Die SPD kritisierte den Gesetzentwurf. Er sei nichts Halbes und nichts Ganzes, sagten die Bundestagsabgeordneten Daniela Kolbe und Swen Schulz. Es bleibe ein Wirrwarr von Anlaufstellen. Betreuung, Beratung und Förderung der Betroffenen griffen zu kurz. Fraglich sei auch die Finanzierung der Beratung. Auch die migrationspolitische Sprecherin der Linken, Sevim Dagdelen, bemängelte, dass es keine bundeseinheitliche und transparente Struktur und klare institutionelle Zuständigkeitsregelung gebe.
Die Arbeiterwohlfahrt begrüßte hingegen den Gesetzentwurf. Endlich werde die Lebensrealität von Migranten berücksichtigt, indem zum Beispiel erworbene berufliche Erfahrungen und nicht nur zertifizierte Ausbildungsnachweise berücksichtigt werden könnten, sagte Vorstandsmitglied Brigitte Döcker. Allerdings sie noch keine Lösung für notwendig werdende Anpassungsqualifizierungen gefunden worden. (epd)