Experte Bert Rürup sagt, es gebe kaum Zuwanderung in den Arbeitsmarkt. Der türkische Europaminister fordert seine Landsleute auf: “Lernt Deutsch!“

Berlin. Die Regierungsparteien sind weiter gespalten über den Zuwanderungsstopp für Muslime, den CSU-Chef Horst Seehofer ins Spiel gebracht hat. FDP-Generalsekretär Christian Lindner sagte, Integrationsprobleme hätten nichts mit Religion, sondern mit mangelnder Bildung und fehlender Einbindung in den Arbeitsmarkt zu tun. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) bezeichnete Seehofers Äußerungen als Populismus. Der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), warf den Arbeitgebern vor, mit ihrer Forderung nach weiterer Zuwanderung aus Nicht-EU-Staaten nur auf billige Arbeitskräfte aus zu sein. Und Uhl beklagte Defizite bei der Qualifikation von Zuwanderern: „Wir brauchen die klügsten Köpfe und bekommen Analphabeten.“

Lindner lehnte eine kulturelle Debatte ab. Ein iranischer Arzt könne sehr gut in Deutschland integriert sein. Entscheidend sei, dass eine gesteuerte Zuwanderung in Jobs und nicht in das Sozialsystem gelinge. Angesichts des Fachkräftemangels regte der FDP-Generalsekretär ein Punktesystem an, mit dem die Qualifikation eines potenziellen Zuwanderers bewertet werden könnte. Schünemann sagte: „Wir brauchen die Zuwanderung von Qualifizierten und Hochqualifizierten – es ist unerheblich, aus welchem Kulturkreis sie kommen.“

FDP-Arbeitsmarktexperte Johannes Vogel plädierte ebenfalls für mehr gesteuerte Zuwanderung hoch qualifizierter Arbeitskräfte. „Deutschland ist leider im Moment nicht das bevorzugte Zuwanderungsland“, fügte Vogel hinzu. Nicht jede freie Ingenieurstelle könne mit einem deutschen Arbeitslosen besetzt werden.

Der türkische Europaminister Egemen Bagis hat seine Landsleute und alle Deutschen türkischer Herkunft zu einer besseren Integration aufgerufen. „Lernt Deutsch! Passt euch den Sitten und Gebräuchen eures Gastlandes an“, sagte er in der „Bild“-Zeitung. „Schickt eure Kinder auf die besten Schulen, damit sie eine Zukunft haben!“ Der Minister forderte die Türken zugleich auf, die Gesetze zu achten, „denn wenn Ali oder Achmed Schlimmes tun, werden die Menschen nicht nach Namen suchen. Sie werden sagen: Der Türke war's!“

Die türkische Regierung stehe deshalb voll und ganz hinter der Idee der Integration „so wie wir für die Integration der Türkei in die EU sind“. Der Minister: „Ihr müsst das Geschenk eurer Identität und eurer Kultur nicht aufgeben, sondern euch als Botschafter der Türkei verstehen.“

Der ehemalige Vorsitzende des Sachverständigenrates der Bundesregierung, Bert Rürup, sagte, de facto gebe es derzeit keine nennenswerte Zuwanderung in den Arbeitsmarkt: „Natürlich müssen uns auch Leute aus arabischen Ländern willkommen sein.“

Scharfe Kritik an Seehofer kam von den Oppositionsparteien. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast warf dem CSU-Vorsitzenden billigen Populismus vor. „Völlig abstrus“ nannte sie die Forderung von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU), der „Unwertcharakter“ von Deutschenfeindlichkeit müsse im deutschen Rechtssystem abgebildet werden. Diskriminierung aufgrund der Herkunft sei in Deutschland seit 1949 verboten. Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) kritisierte: „Seehofer versucht, auf den Zug aufzuspringen, den Sarrazin in Bewegung gesetzt hat.“ Integrationsprobleme würden nicht gelöst, indem ein ganzer Kulturraum diskreditiert werde.