Im Mittelpunkt der deutschen Strategie für die Afghanistan-Konferenz in London steht die Ausbildung einheimischer Sicherheitskräfte.
Berlin. Deutschland schickt bis zu 850 Soldaten mehr nach Afghanistan. Für die Afghanistan-Konferenz in London verabschiedete die Bundesregierung am Dienstag ein neue Strategie, in deren Mittelpunkt die Ausbildung einheimischer Sicherheitskräfte steht. Ab 2011 soll der Rückzug der Bundeswehr eingeleitet werden. Zwar soll die Sicherheitsverantwortung bis 2014 in afghanische Hände gelegt werden, doch rechnet die Bundesregierung nicht damit, dass sich die Bundeswehr bis dahin vollständig vom Hindukusch zurückziehen kann.
Kanzlerin Angela Merkel sagte bei der Vorstellung des Konzepts: „Wir selber nennen keinen Abzugstermin.“ Sie zeigte sich im Hinblick auf die Londoner Konferenz am Donnerstag zuversichtlich, dass „die deutsche Handschrift auch in der internationalen Gemeinschaft sichtbar sein wird“.
Für die Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte sollen laut Merkel 500 zusätzliche Soldaten eingesetzt werden. Mit Umschichtungen im bestehenden Kontingent solle erreicht werden, dass insgesamt 1.400 Bundeswehr-Soldaten als Ausbilder bereitstünden – statt 280 wie bisher. Als Sollstärke der afghanischen Armee nannte Merkel eine Zahl von rund 172.000 bis 2011.
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg erläuterte, dass die Quick Reaction Force aufgelöst wird, um mehr Soldaten als Ausbilder zur Verfügung zu haben. Das neue Ausbildungskonzept unter dem Stichwort „Partnering“ bedeute, dass die Bundeswehr mehr Präsenz in der Fläche zeigen werde. So gebe es weniger Rückzugsräume für Taliban.
Neben den 500 Soldaten als Ausbilder sollen 350 Soldaten als flexible Reserve bereitgehalten werden. Sie können in besonderen Situationen – etwa bei der Absicherung der afghanischen Parlamentswahlen im Herbst – eingesetzt werden. Mit dem Einsatz der 350 muss aber jedes Mal der Verteidigungsausschuss befasst werden. Bislang sieht das Bundestagsmandat eine Obergrenze von 4.500 Soldaten vor.
Auch um die Ausbildung afghanischer Polizisten will die Bundesregierung sich verstärkt bemühen. Innenminister Thomas de Maizière kündigte ein Aufstockung von 123 auf 200 Polizisten bis Ende des Jahres an. Als Sollstärke nannte er die Ausbildung von 134.000 afghanischen Polizisten. Die Bundesregierung schätze die Zahl afghanischer Polizisten derzeit auf rund 80.000, die afghanische Regierung spreche von 96.000 Polizisten, sagte de Maizière.
Die Reintegration moderater Taliban will die Bundesregierung finanziell unterstützen. Dafür sollen über fünf Jahre 50 Millionen Euro in einen internationalen Fonds eingebracht werden, der insgesamt 350 Millionen umfasst. Auch für den zivilen Wiederaufbau im Norden des Landes will die Bundesregierung die Mittel ab 2010 von derzeit 220 auf 430 Millionen nahezu verdoppeln. Außenminister Guido Westerwelle, der die Strategie in London vorstellen wird, zeigte sich zufrieden über den breiten Ansatz. Damit werde London nicht zur Truppenstellerkonferenz, wie er ursprünglich befürchtet hatte.
Merkel sagte, sie unterstütze den afghanischen Ansatz, bis 2014 für die eigene Sicherheit selbst sorgen zu wollen. 2014 sei aber „nicht gleichbedeutend mit einem Stichdatum“ für einen kompletten Abzug, unterstrich Westerwelle. Mit der Nennung eines Abzugsdatums würde man nur die Illusion vorgaukeln, dass bis dahin alles gewonnen sei. Und man würde die Falschen einladen, bis zum Stichtag zu überwintern, damit sie danach weiter ihr Unwesen treiben könnten.
Merkel wollte am Abend mit dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai zusammentreffen. Die afghanische Regierung solle auch dazu angehalten werden, ihre Selbstverpflichtungen zur Bekämpfung der Korruption und zu wirtschaftlicher Entwicklung einzuhalten, hieß es in Regierungskreisen.
Die SPD macht eine Zustimmung zum neuen Afghanistan-Konzept der Bundesregierung von Nachbesserungen abhängig – unter anderem von einer konkreten Abzugsperspektive 2011.