Der in München lebende Autor Friedrich Ani hat einen Sinn für besondere Romanfiguren. Mit Tabor Süden hat Ani einen schweigsamen, auf der Vermisstenstelle der Münchner Kripo arbeitenden Kommissar erfunden, der kriminalliterarisch Maßstäbe setzte. Bereits einen Roman gibt es mit Jonas Vogel, einem Kommissar, der während seines ersten Falls erblindet. Und dann ist da noch Polonius Fischer, ein ehemaliger Mönch, der zum Kommissar konvertiert ist: Nach "Idylle der Hyänen" liegt mit "Hinter blinden Fenstern" (Zsolnay-Verlag, 19,90 Euro) jetzt ein zweiter brillanter Kriminalroman vor. Darin stirbt ein Mann bei einer Domina, und ein junges Mädchen wird entführt - Ani schildert eine scheinbar sinnentleerte Welt, in deren Brandung der einstige Mönch steht wie ein sinngebender Fels.

ABENDBLATT: Sie haben mit Tabor Süden, Jonas Vogel und Polonius Fischer drei der eigenwilligsten Helden der deutschen Kriminalliteratur erfunden. Welche seelische Grundausstattung müssen Figuren mitbringen, damit sie für Sie interessant sind?

FRIEDRICH ANI: Die Personen meiner Romane sind allesamt im Grunde keine Haupt-, sondern Randfiguren. Sie handeln und denken aus einer Verwundung heraus. Ein Schmerz pulsiert in ihnen, den sie nicht loswerden und den sie eines Morgens als Teil ihrer Persönlichkeit akzeptieren.

ABENDBLATT: Polonius Fischer greift in "Hinter blinden Fenstern" erst spät wirklich ins Geschehen ein. Zuvor schildern Sie psychische Not und soziales Elend sehr plastisch anhand verschiedener Figuren. Wie wichtig ist Ihnen die Darstellung der Lebenswelt Ihrer Figuren im Gegensatz zur kriminalistischen Handlung?

ANI: Aus der Lebenswelt meiner Figuren entsteht das Drama, und dieses fordert den Kommissar heraus. Das kriminalistische Geschehen ist immer zweitrangig. Erstrangig sind die in ihren Zimmer gefangenen Menschen, die irgendwann aufbegehren: Sie verschwinden, oder sie töten. Davon handeln meine Romane.

ABENDBLATT: Wird Polonius Fischer ein ähnliches Schicksal zuteil wie Tabor Süden, der ja in stattlichen 14 Romanen eine Haupt- oder Nebenrolle spielte?

ANI: Wie es mit Fischer weitergeht, weiß ich nicht, es wird aber weitergehen. Ob es am Ende so viele Romane geben wird wie bei Tabor Süden, bezweifele ich. Ich muss mich ja auch noch sechs Bücher lang um meinen blinden Kommissar Jonas Vogel kümmern. Zudem um Drehbücher, denn die Tabor-Süden-Romane werden mit Ulrich Noethen und Martin Feifel verfilmt.