Rot leuchtet die Bühnenwand aus zig Glühbirnen und taucht die Szenerie in warmes Licht. Eine Menge aus ineinanderfließenden Schattenrissen hat sich erwartungsvoll der DJ-Kanzel zugewandt: “Es ist gut, wieder mal in Hamburg zu sein“, ruft der Vinyl-Aufleger dem Publikum zu, “und mit euch hier zu feiern - im Mojo!“

Hamburg. Die Plattennadel senkt sich in die erste Rille, und Leif Nüske grient ein wenig schief: "Daß der Mojo Club und das Mandarin-Kasino nicht identisch sind, ist noch immer nicht in allen Köpfen verankert", kommentiert er die Verwechslung, und der ehemalige Mojo- und jetzt Mandarin-Kasino-Betreiber scheint selbst nicht so recht zu wissen, ob ihn das glücklich oder nachdenklich stimmen soll.

Des monatelangen Hickhacks müde, hatten Leif Nüske und sein Kompagnon Oliver Korthals im April 2003 endgültig die Nase voll von den zermürbenden Spekulationen über den Abriß der ehemaligen Bowlingbahn an der Reeperbahn Nummer 1: Nach 14 Jahren Mojo zogen sie einen Schlußstrich unter die wohl erfolgreichste Kiez-Location seit dem Star Club. Ganz Hamburg trug Trauer - und ließ den Nachfolger "Neu" unerbittlich scheitern. "Plötzlich fiel uns der Laden wieder zu", erinnert sich Nüske. "Aber keiner von uns hatte Lust, Vergangenes wieder aufzuwärmen, und so entschieden wir uns für das Projekt Mandarin-Kasino."

Daß viele keinen Unterschied zwischen Mojo und Mandarin machen, ist nicht verwunderlich: Nach wie vor steht der Klub für innovativen und qualitativ hochwertigen urbanen Sound, der vor allem der Groove-Gemeinde ein echtes Deluxe-Programm bietet. Partys wie "Soul at the Mandarin-Kasino" und Live-Gäste wie Amp Fiddler oder Eddie Piller bedienen mit Funk, (Neo-)Soul und Sixties-R 'n' B auf hohem Niveau ein Publikum mit Sinn für perfekte Authentizität. Doch trotz alledem ist das Mandarin-Kasino kein simpler Aufguß seines prominenten Vorgängers. Vor allem der musikalische Akzent hat sich deutlich verlagert: "Bei uns gibt's mehr Soul als Dancefloor Jazz", betont Nüske. "Jetzt leisten wir uns endlich eine ganze Reihe von Liebhaber-Projekten, die wir vorher nie realisiert haben."

Das tritt deutlich in der Etablierung als exzellenter Live-Konzertsaal zutage: Auf der überschaubaren Bühne standen bereits so unterschiedliche Acts wie Soul-Queen Joy Denalane, die Dance-Spezis Martini Brös., das HipHop-Kollektiv Arrested Development, Funk-Newcomerin Leela James oder die Elektro-Chansonniers Nylon.

Aber auch das Partyprogramm umspannt mittlerweile weit mehr Aspekte als zu vormaligen Zeiten. In den gedeckt getünchten Räumlichkeiten tummeln sich rund um die zentrale Bar je nach Veranstaltung Disco-Houser, Beatniks, HipHopper oder - Rollschuh-Läufer! Die Roller-Disco, eines der erklärten Lieblingsprojekte, lockte im September rund 1000 Gäste ins Mandarin: Zu knalligen 80er Sounds von Michael Jackson bis Kool And The Gang schlingerte man mehr oder minder elegant über den eigens dafür errichteten Rundparcours. Zeitreise und Zeitgeist perfekt geeint.

Die nächsten Highlights in der neuen, alten Klubinstitution lassen indes nicht lange auf sich warten. Im Dezember verspricht die "Electric Boogie Nacht" mit den Rollerdisco-DJs Flashdance und Mixwell jede Menge Schwarzlicht und weiße Handschuhe, und zum Jahreswechsel steht traditionell der "Mojo-Revival"-Silvesterabend an.

Doch wie lange Hamburg noch im Mandarin feiern kann, ist ungewiß: Die Abrißpläne des Gebäudeensembles sind noch immer nicht vom Tisch, und für das Betreiber-Duo steht fest: "Das Mandarin-Kasino ist gestorben, sobald wir die Reeperbahn 1 räumen müssen!" Bleibt nur zu hoffen, daß sie anschließend ein neues Klub-Projekt in petto haben.