Bei Konzerten und Partys wird es in der Tanzhalle St. Pauli schnell voll - und heiß. Ein Geheimtip.

Hamburg. Fetzen alter Konzertplakate mit neuen Ankündigungen frisch überklebt, ein schlichter Briefkasten, eine mit Flyern tapezierte rote Tür. Der Eingang der Tanzhalle St. Pauli wirkt heruntergekommen und wenig einladend. "Wir haben lange überlegt, ob wir die Fassade schön machen", sagt Terry Krug, die den Club an der Silbersackstraße zusammen mit dem Fotografen Thomas Kamlah betreibt. "Aber wir sind froh, daß wir uns dagegen entschieden haben. Die Fassade hält viele Leute ab, weil sie denken: Das ist ein Schrottladen."

Touristen und Vorstädter, die am Wochenende über die Reeperbahn und durch die angrenzenden Straßen bummeln, verirren sich nicht so oft an das schmuddelige Ende der Reeperbahn. Sie ziehen den Hamburger Berg vor, wo Kneipe an Kneipe steht. Die Tanzhalle hat sich deshalb immer noch den Status eines Geheimtips bewahrt.

Als Terry Krug und Thomas Kamlah das ehemalige Sam Brasil am 1. April 2001 übernahmen, war die Location ein richtiger Schrottladen. "Wir mußten eine Schallisolierung reinbauen, sonst hätte es den Club bald nicht mehr gegeben", erzählt Terry Krug, die früher Jura und Politikwissenschaften studiert und nebenher im Eventbereich gearbeitet hat. Entsprechend üppig konnte die Musikanlage installiert werden. Hier können die Bands richtig laut werden, ohne daß Nachbarn aus dem Bett fallen.

"Als wir uns vor vier Jahren entschlossen haben, diesen Club aufzuziehen, war die Clublandschaft in Hamburg desaströs. Und wir waren so naiv zu glauben, mit wenig Arbeit viel Geld verdienen zu können. Leider ist das Gegenteil der Fall", sagt Terry und lacht. Ihr Enthusiasmus ist ungebrochen, entsprechend abwechslungsreich und innovativ ist das Programm, das sie jeden Monat zusammenstellt.

Als reiner Liveclub würde die Tanzhalle mit ihrer Kapazität von 250 Besuchern nicht überleben können, weil Konzerte wegen der hohen Produktionskosten nicht genug Geld abwerfen. Also setzen die Betreiber auf einen Mix aus Konzerten und Clubs. Die Wochenenden sind in der Regel für Clubveranstaltungen reserviert. Mit "Dirt!" gibt es eine angesagte Electro-Party, die "Disko für den Herrn" lockt die Gay-Szene, der "Girlz Club" präsentiert weibliche Künstlerinnen hinter dem Plattenteller, und seit diesem Sommer heißt es einmal im Monat: "Würdelos altern". Verschiedene DJs greifen da tief in ihre Plattensammlung und zu Indie-Hits der letzten Jahrzehnte, alles extrem gut tanzbar.

Gerade bei Clubveranstaltungen ist der Anteil weiblicher Gäste sehr hoch, weil sie sich in der Tanzhalle sicher fühlen. Terry Krug berichtet, daß es in vier Jahren an der Tür nur zweimal Probleme mit Betrunkenen gegeben habe. "Betrunkene oder aggressiv auftretende Leute kommen nicht rein. Und wir achten darauf, daß Mädels im Laden nicht aggressiv angebaggert werden."

Auch auf Pünktlichkeit wird in der Tanzhalle Wert gelegt. Weil Terry Krug es nervtötend findet, wenn sie ewig warten muß, bis ein Konzert beginnt, führt sie in ihrem eigenen Club ein strenges Regiment. Die Türen öffnen um 21 Uhr, die Band beginnt spätestens um 22 Uhr; wenn die Tanzhalle voll ist, auch früher. "Wer um 22 Uhr noch nicht da ist, der kommt auch nicht mehr. Da kann man getrost anfangen." Immer wieder kommen Weltklasse-Künstler in den kleinen Tanztempel mit dem roten Betonboden und der kuscheligen Sofaecke zwischen Theke und Bühne. Carl Craig, einer der weltbesten DJs, hat hier bereits zweimal aufgelegt, weil er das nette Ambiente und das aufgeschlossene Publikum schätzt.

Einen Namen hat die Tanzhalle sich jedoch mit Newcomern und Indie-Geheimtips gemacht. In diesem Monat war die britische Mädchenband Electrelane zu Gast, bei den Berliner Ohrbooten war es so voll, daß Schwitzwasser von der Decke tropfte, gestern kam die angesagte norwegische Electro-Elfe Annie, an jedem ersten Donnerstag im Monat präsentiert die Tanzhalle zusammen mit Warner Music einen Nachwuchsabend: "Hot Stuff".

Offenbar hat auch Kultursenatorin Karin von Welck ein Faible für die Tanzhalle. Ein paar Tage nach einer offiziellen Clubtour besuchte sie den Club spät am Abend in privater Mission, um ihn ihrem Mann und ihrer Referentin vorzustellen. An der Tür gab es keine Probleme.