Er trägt die berühmteste Hausnummer auf dem Kiez, und die Liste der Künstler, die in der Großen Freiheit 36 auf der Bühne standen, liest sich wie das „Who’s who?“ der Pop- und Rockgeschichte – von A wie Abi Wallenstein bis Z wie ZZ-Top.

Seit die Große Freiheit 36 unter eben diesem Namen mit dem Auftritt von Ausnahme-Gitarrist Rory Gallagher am 19. September 1985 ihr Debüt gab, sind alle anfänglichen Kritiker und Spötter nach und nach verstummt. Kaum einer hatte den Erfolg des Live-Clubs für möglich gehalten, niemand hatte auch nur im Traum daran gedacht, daß hier ein würdiger Star-Club-Nachfolger entstehen würde. Schließlich war in dem Haus "die Seuche", wie Kiez-Kenner und -Fotograf Günter Zint zum zehnjährigen Bestehen der Großen Freiheit 36 schrieb. Kein Club, kein Etablissement, das sich damals hier inmitten von anrüchigen Sexclubs lange halten konnte.

Als Letztes ging das "Bierdorf" nach kaum einem Jahr Bestand baden. Von ihm ist einzig der rustikale Charme geblieben, der am teilweise übernommenen Interieur nach wie vor haftet. Von dessen bajuwarischer Anmutung sollte sich der geneigte Gast jedoch keinesfalls täuschen lassen. In dem Club, dessen 36 von einem leuchtenden Neonstern umkränzt wird, geht es alles andere als gediegen oder gar altbacken zu. Vielmehr gibt es wilde Geschichten zu berichten von im doppelten Wortsinn berauschten Gastmusikern. Die einen kotzten auf oder torkelten über die Bühne, die anderen schwärmten von der Freiheit als dem "besten Club der Welt" (Chrissie Hynde, Band-Leaderin der Pretenders). Durch herausragende Band-Bookings und gute Akustik (Holz sei Dank) hat sich der Club über die Jahre auch bei den Konzert- und Partybesuchern beliebt gemacht. Und das obwohl die Freiheit nie wirklich "in" war. Vielmehr sorgte und sorgt man hier für konstant gutes Programm, ohne Trends krampfhaft hinterher zu hecheln.

Und das nicht nur auf einer, sondern gleich auf drei Ebenen. Während im großen Saal die Stars abgefeiert werden, ausgefallene Veranstaltungen wie die "Schwarze Nacht" oder "Galeria del Latino" (jeweils Donnerstags inklusive kostenlosem Salsa-Kurs) ein spezielles Publikum locken und massenkompatible Partys vornehmlich Schüler, Azubis und Studenten zu Querbeet-Musik abzappeln lassen, zelebriert man die Nacht in der angeschlossenen Galerie Cafe 36 (früher Blumencafe) bei Snacks, Cocktails und Kunstausstellungen.

Wem das nicht zusagt, der trifft mit einem Abstecher in den integrierten Kaiserkeller vielleicht ins Schwarze. Das zumindest ist der erste Eindruck, den der düstere Keller der Großen Freiheit hinterläßt. Ob Tresen, Barhocker oder der wilde Stangenwald um die Tanzfläche hier ist alles pechschwarz. Selbst die Musik ist vornehmlich dunkel in der Klangfarbe: Das Wochenende gehört dem Rock, mittwochs verwandelt sich der Kaiserkeller mit Gothic und Dark-Wave gar in eine Gruft. Schwarze Musik der anderen Art liegt nur dienstags bei der neuen Reggae-Reihe auf den Plattentellern. Wem es auf der düsteren Tanzfläche in dichtem Eisnebel und bei zuckenden Stroboskop-Blitzen angesichts seines nicht vorhandenen Tanztalents dennoch zu hell ist, der schreite gänzlich ins Licht, um am Kicker- oder Billardtisch seinen Mann zu stehen. Alles andere als finster aber ist die Vergangenheit des Clubs, der angeblich die Geburtsstätte der Beat-Musik und dank diverser Beatles-Gastspiele längst mit Legendenstatus behaftet ist.

In Zusammenarbeit mit dem "Hamburg Kulturverführer" 4. aktualisierte Aufl., Helmut Metz Verlag