Die Kultur-Szene der Hansestadt und die GAL wollen eine eigenständige Kulturbehörde. Autor Rocko Schamoni droht mit Wegzug nach Neumünster.
Hamburg. Von morgen an montiert die Künstlerin Christine Ebeling, Sprecherin der Gängeviertel-Initiative, Schilder mit dem roten Schriftzug "Kulturschutzgebiet" an gefährdeten Hamburger Kulturorten. Wie es jedoch nach dem Rücktritt der bisherigen Kultursenatorin Karin von Welck, die ihr Amt zum 25. August aufgibt, mit der Hamburger Kulturpolitik als Ganzes weitergeht, ist derzeit offen. Die Grünen fordern eine eigenständige Kulturbehörde. Diskutiert wurde zuletzt, dass die bisherige Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach das Kulturressort übernehmen könnte. Ob als Leiterin beider Behörden oder mit einem Nachfolger in der Wissenschaft, ist jedoch ebenso offen wie die Personalie an sich. Auch Staatsrat Nikolas Hill wird nach wie vor als Kultursenator diskutiert. "Es wäre wieder mal typisch Hamburg, wenn man der Kultur nicht den Stellenwert einräumt, den sie haben muss", sagt Christine Ebeling. Wie sie plädieren zahlreiche Künstler und Kulturschaffende für eine weiterhin eigenständige Kulturbehörde.
Thomas Collien, St.-Pauli-Theater: Da hätte ich noch einen umfassenderen Sparvorschlag: Hamburg wird von Kiel aus - mit Peter Harry Carstensen als Bürgermeister - regiert, dann sind wir endgültig Provinz.
F.C. Gundlach, Fotograf und Gründer des Hauses der Photographie: Kultur ist viel zu wichtig, um sie irgendwo angliedern zu können. Die Kulturbehörde sollte auf jeden Fall auch in Zukunft eine eigenständige Behörde bleiben.
Peter Lohmann, Harbour Front Literaturfestival: Eine Zusammenlegung wäre die schlechteste Lösung überhaupt. Es würden noch mehr Künstler Hamburg verlassen angesichts einer solchen Kulturpolitik, dann haben wir bald wieder eine Stadt der Pfeffersäcke.
Rainer Moritz, Literaturhaus: Diese Personalentscheidung wäre ein Armutszeugnis. Die Kultur würde aufs Abstellgleis geschoben. Von einer Kultursenatorin verlange ich, dass sie sich inhaltlich um die Kultur kümmert und nicht einen Staatsrat vorschickt.
Michael Göring, Vorstandsvorsitzender der "Zeit"-Stiftung: Die Zusammenlegung wäre eine typische Übergangslösung. Langfristig macht das keinen Sinn, weil Kultur und Wissenschaft beides sehr arbeitsintensive Zukunftsfelder für Hamburg sind.
Karsten Jahnke, Konzertveranstalter: Die Zusammenlegung von Wissenschafts- und Kulturressort wäre eine krasse Fehlentscheidung. Wie will man der Öffentlichkeit so ein Eigentor vermitteln? Kultur wäre dann nur noch sekundär, das darf es in Hamburg nicht geben.
Elmar Lampson, Präsident der Musikhochschule: Gerade zum jetzigen Zeitpunkt der großen Debatte um die Kultur und der großen Aufgaben in der Stadt wie Elbphilharmonie, Museen und Musikstadt Hamburg, die zum Erfolg gebracht werden müssen, wäre die Zusammenlegung der Ressorts ein schlechtes Signal.
Katharina Trebitsch, Film- und TV-Produzentin: Ein Amt ist wie eine Anschrift - man muss den Bewohner, den man sucht, dort auch lebendig antreffen können. Es kommt auf die Senatorin, den Senator an und wie immer auf die Details. Ingo von Münch hat seinerzeit beide Ämter sehr gut geführt.
Dirk Luckow, Deichtorhallen: Die sich türmenden, dringend zu erledigenden Kulturaufgaben in dieser Stadt, mit der Elbphilharmonie an der Spitze, brauchen volle Aufmerksamkeit. Will Hamburg hochwertiger Kulturstandort bleiben, benötigt die Stadt eine starke Stimme für Kunst und Kultur im Senat.
Matthias von Hartz, künstlerischer Leiter des Internationalen Sommerfestivals Hamburg: Es geht doch darum, die Position der Kultur in der Stadt aus lokaler wie internationaler Perspektive dringend zu stärken. Da hielte ich eine Zusammenlegung der Behörden für ein absurdes und falsches Zeichen.
Sofia Kourtesis, Klubbetreiberin Indra Mondial: Die Zusammenlegung wäre eine Katastrophe für die Hamburger Kulturlandschaft. Es würde viel ungenutztes Potenzial verschenkt, und noch mehr Kulturschaffende würden abwandern. Klubs, Festivals und Labels haben es in Hamburg viel zu schwer, ihre Ideen zu verwirklichen.
Ekkehard Nümann, Vorsitzender des Vorstands der Freunde der Kunsthalle: Kunst und Kultur dürfen bei der Senatsbildung keine untergeordnete Rolle spielen: Sie verlangen nach einer Person, die sich ausschließlich um dieses Ressort kümmert, denn dieser Bereich der Stadt hat bundesweite und auch internationale Bedeutung.
Gesa Engelschall, Hamburgische Kulturstiftung: Ich hielte überhaupt nichts davon, die beiden Bereiche zusammenzulegen. Sie erfordern Personen mit hoher Kompetenz, um effektiv arbeiten zu können. Hätte die Kultur keine eigenständige Behörde mehr, geriete sie in die Gefahr, wie ein Stiefkind behandelt zu werden.
Michael Jürgs, Journalist: In dem Zustand, auf den die hamburgische Kulturlandschaft, inzwischen eine No-go-Area für zu viele Künstler, heruntergewirtschaftet wurde, weil Banausen und Größenwahnsinnige die Bühne bevölkerten, hilft jetzt nur noch eine Kultur-Revolution. Hamburg braucht einen Umpflüger, keine Leichtmatrosen.
Hark Bohm, Regisseur, Gründer des Hamburger Filmstudiengangs: Die Stadt wirbt mit einem Symbol für Kultur - mit der Elbphilharmonie. Gleichzeitig denkt sie darüber nach, die Kultur zum Anhängsel einer anderen Behörde zu machen - das macht mich wütend. Eine Metropole wie Hamburg kann auf Kultur als Attraktion nicht verzichten.
Alexander Schulz, Inferno Events, Reeperbahn-Festival GbR: Stellenwert und Freiräume des wichtigen Standortfaktors Kultur kann man nicht erhalten, wenn die Eigenständigkeit der Behörde verloren geht. Das Ressort Wissenschaft hat ausreichend eigene Probleme. Wie will man aus zwei schwachen Gliedern eine starke Kette schmieden?
Friedrich Schirmer, Schauspielhaus: In der jetzigen Situation mit dem Sonderfall von eineinhalb Jahren Regierungszeit wäre die Zusammenlegung eine sinnvolle Lösung. Aber bei einer regulären Amtszeit von vier Jahren müssten wir Kulturschaffenden Zeter und Mordio schreien, denn Hamburg hat eine starke Tradition der Kultursenatoren.
Michael Batz, Autor, Lichtkünstler, Regisseur: Bei allem Respekt vor der Person Herlind Gundelach und auch bei der Anerkennung von Sparzwängen fände ich es besser, wenn das Kulturressort nach wie vor eine eigene Spitze hätte. Kultur ist etwas unbedingt Vorrangiges in einer Stadt, und das sollte auch personell zum Ausdruck kommen.
Amelie Deuflhard, Kulturfabrik Kampnagel: Hat man einen Wissenschaftssenator, kennt er sich nicht in Kultur aus und umgekehrt. Beides sind aber wichtige Zukunftsfelder für die Stadt. Die Kulturbehörde wurde gerade für viel Geld umstrukturiert, warum will man ihr jetzt den Kopf wegnehmen? Ich finde die Diskussion befremdlich.
Christoph Twickel, Journalist, Mitinitiator von Not In Our Name: Ausgerechnet das Jahr, in dem sich die Stadt nach außen als "Kulturmetropole" präsentiert, würde Schwarz-Grün mit der Abschaffung einer eigenständigen Kulturpolitik krönen? Demnächst gilt dann wohl das Hamburg-Marketing-Gewäsch von den kreativen Szenen als Kulturförderung.
Jürgen Flimm, Salzburger Festspiele: An der Kultur sollte man nicht sparen und sie einem anderen Ressort zuschieben. Dafür ist diese Aufgabe zu wichtig. Der oft genannte Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff, früher Kulturstaatssekretär in Nordrhein-Westfalen, wäre ein hervorragender Kandidat für das Amt, wie ich aus eigener Anschauung weiß!
Martin Köttering, Hochschule für bildende Künste: Das vielfältige Potenzial der Kultur im Stadtstaat Hamburg darf nicht nur politisch begleitet werden, sondern verlangt nach einer engagierten Persönlichkeit, die ausgewogen und aufgeschlossen die kulturelle Entwicklung der Stadt vorantreibt. Es wäre traurig, wenn Hamburgs Kultur nur noch verwaltet werden würde. Deshalb wäre es ein unglückliches Signal für die Wahrnehmung politischer Verantwortung, Kultur als Anhang einer fachfremden Behörde gering zu schätzen.
Eva Hubert, Filmförderung: Es wäre ein falsches Signal, wenn die Kultur zum Anhängsel einer anderen Behörde würde. Letzten Endes kommt es aber darauf an, dass sich die Senatorin oder der Senator starkmacht für die Belange der Kultur, wie es damals Ingo von Münch in beiden Ressorts getan hat. Ich wünsche mir ein leidenschaftliches Brennen für alle Belange der Kultur (Film, Musik, Staatstheater, Großprojekte, Stadtteil-, Subkultur usw.) und dass für unseren Bereich spürbare Ergebnisse herausgehandelt werden.
Rolf Beck, Intendant des Schleswig-Holstein Musik Festivals, Leiter des Bereichs NDR Orchester und Chor: Eine Kulturmetropole wie Hamburg braucht einen eigenen Kultursenator. Alle Kulturschaffenden, die ja eine gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, haben es verdient, dass sie auch von politischer Seite stark unterstützt werden.
Rocko Schamoni, Autor: Wenn das passiert, ziehe ich nach Neumünster. Ich finde das so außerirdisch, was da abgeht.
Susie Reinhardt, Frauenmusikzentrum e. V.: Wir brauchen mindestens eine Vollzeitsenatorin, wenn es um mehr gehen soll, als Unterschriften für Prestigeprojekte zu leisten.