Ein Telefonat mit der Kanzlerin, ein Treffen mit der CDU-Spitze, eine Rede vor Journalisten - der Tag der Entscheidung des Ole von Beust.
Hamburg. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel am Sonnabend gegen 21 Uhr Ole von Beust anruft, ist es in China, wo sie sich im Rahmen ihrer Ostasienreise aufhält, bereits 3 Uhr morgens. Aber dieses Gespräch ist Merkel so wichtig, dass sie die verkürzte Nachtruhe in Kauf nimmt.
Der Rücktritt von Beusts kommt für die Kanzlerin natürlich nicht überraschend. Aber nun, nachdem sich von Beust nach langem Zögern endgültig und unwiderruflich festgelegt hat, will sie auf jeden Fall mit demjenigen aus der Riege der CDU-Ministerpräsidenten sprechen, dessen Verhältnis zu ihr als besonders unkompliziert gilt. Merkel hätte allen Grund, von Beust dazu zu bewegen, im Amt zu bleiben. Schließlich kommen ihr gerade ziemlich viele erfahrene Unions-Ministerpräsidenten abhanden: erst Dieter Althaus und Günther Oettinger, dann Jürgen Rüttgers und Roland Koch, zuletzt Christian Wulff und nun eben Ole von Beust.
Doch Merkel respektiert den Schritt des Hamburgers. Vor allem die persönlichen Gründe, die von Beust geltend macht, überzeugen Merkel. "In den DDR-Zeiten habe ich gelernt, dass die Politik das Leben der Menschen und ihre Planungen bestimmte", sagte sie von Beust in dem nächtlichen Telefongespräch sinngemäß. Das dürfe nie wieder so sein. Deswegen akzeptiere sie immer, wenn jemand sage, dass er aus privaten Gründen aufhören wolle.
1. Die Rücktrittserklärung von Ole von Beust
2. Die Rücktrittserklärung von Kultursenatorin Karin von Welck
3. Porträt: Ole von Beust – Hanseat durch und durch
4. Porträt: Christoph Ahlhaus - der designierte Nachfolger
Vielleicht ist es ja auch der Rückenwind der Kanzlerin und CDU-Vorsitzenden für die schwierige Lebensentscheidung, dass von Beusts Stimme am Sonntagmittag heiter und entspannt am Telefon klingt. Man könnte jetzt über das Wetter plaudern oder den Triathlon. Aber das ist es wohl nicht ganz. Die letzten Tage seien schwer gewesen, räumt von Beust ein. Das Gespräch ist dann doch schnell bei den Gründen für den Rücktritt. 32 Jahre in der Politik, davon 17 Jahre hauptberuflich. Von 1993 an zunächst als CDU-Fraktionschef und Oppositionsführer, dann von 2001 an als Bürgermeister. Das reicht. Es sei Zeit, etwas Neues zu machen. Er werde auf keinen Fall ein Ruheständler werden. Ende des Jahres könne er sich einen beruflichen Neustart vorstellen - jenseits der Politik.
In der vergangenen Woche hatte sich von Beust zurückgezogen und mit seiner Entscheidung gerungen. Der Sonntag ist nun der Tag der Gespräche, das politische Hamburg erwacht nach Tagen der Lethargie wieder zum Leben.
Um 11 Uhr trifft sich von Beust mit seinem designierten Nachfolger, Innensenator Christoph Ahlhaus, sowie Partei- und Fraktionschef Frank Schira im Cliff an der Außenalster. Viel gibt es nicht mehr zu besprechen, aber von Beust bestätigt Schira und Ahlhaus, dass es nun definitiv beim Rücktritt bleibt. Die drei sehen sich in Kürze in der Parteizentrale am Leinpfad wieder.
Kurz darauf meldet sich von Beust bei Christa Goetsch, der Zweiten Bürgermeisterin und Schulsenatorin, um ihr seine Entscheidung mitzuteilen. Parallel informiert Schira die GAL-Parteichefin Katharina Fegebank. Die Grünen hätten es eindeutig besser gefunden, wenn von Beust Bürgermeister geblieben wäre. Das machen sie am Abend auch deutlich.
Um 16 Uhr wird die CDU-Parteizentrale am Leinpfad zum politischen Kraftzentrum der Stadt. Von Beust, der fast schweigend an den Journalisten vorbeigeht, begründet seinen Schritt drinnen seinen Parteifreunden gegenüber. Nach den Jahren der gemeinsamen politischen Arbeit ist viel von Dank an den Mann die Rede, der die Union überhaupt an die Macht im Rathaus geführt und dort so lange gehalten hatte. Aber es gibt auch kritische Stimmen, was den Zeitpunkt des Rücktritts angeht, der in eine Schwächephase des schwarz-grünen Bündnisses fällt. "Dem ist ein Stein vom Herzen gefallen", sagt ein Teilnehmer der Runde später über von Beusts Stimmungslage.
Von Beust verteidigte gestern den Zeitpunkt des Rücktritts. Er habe nicht vor Ende der Kampagne für den Volksentscheid seinen Hut nehmen wollen. Andererseits: Wenn er jetzt gehe, dann könne sein Nachfolger bei der nach der Sommerpause anstehenden Aufstellung des Doppelhaushalts 2011/12 eigene Akzente setzen.
Um 17.40 Uhr tritt von Beust auf dem Spiegel vor der Senatslaube im Rathaus vor die Kameras und erklärt offiziell seinen Rücktritt. Fragen sind nicht erlaubt. Das war's. "Tschüs", sagt der Bürgermeister noch und überlässt Ahlhaus und Schira das Feld. Die heutige Pressekonferenz zum Ausgang des Volksentscheids im Rathaus schenkt er sich. Auf Bitten von Kanzlerin Merkel reist er nach Berlin zum Bundespräsidium der CDU. Dort will er seine Gründe für die Demission erläutern und Merkel den Rücken stärken.