Missbrauchte Serientäter Martin N. noch mehr Kinder? Jugendwohnung nahe des Harburger Finanzamts im Zentrum der Untersuchungen.
Hamburg. Hat der geständige Kindsmörder Martin N. auch Jugendliche in Hamburg missbraucht? Dieser Frage geht jetzt die Sonderkommission (Soko) "Dennis" nach. Sie hat ihre Ermittlungen nach der Verhaftung des 40-Jährigen, der bereits den Mord an drei Jungen und den Missbrauch von mehr als 40 Kindern zugegeben hat, nun auch auf Betreuungseinrichtungen in Hamburg-Harburg ausgeweitet.
Im Zentrum der Untersuchungen steht eine Jugendwohnung in der Nähe des Harburger Finanzamts. In dieser betreuten Wohneinrichtung arbeitete der gebürtige Bremer von 2000 bis 2008, wie der nordrhein-westfälische Träger, die Evangelische Jugendhilfe Friedenshort, bestätigte.
Nach Informationen des Abendblatts haben die Ermittler bereits mehrere ehemalige Bewohner der Jugendwohnung aufgesucht und nach möglichen Missbrauchsfällen befragt. Das Ergebnis dieser Untersuchungen ist noch nicht bekannt. Bekannt wurde jedoch, dass der Pädagoge persönliche Beziehungen zu seinen Schützlingen hatte, die weit über seine Betreuungspflichten hinausgingen. So sollen Bewohner der Jugendeinrichtung mehrfach in seiner Wilstorfer Wohnung übernachtet haben und ihn auf privaten mehrwöchigen Reisen, unter anderem nach Dänemark, begleitet haben. Martin N. war von der Einrichtung im Januar 2008 entlassen worden, nachdem gegen ihn wegen des Besitzes von Kinderpornografie ermittelt wurde.
+++ Vaterersatz und Serienmörder: Spurensuche im Leben eines Triebtäters +++
Nach Recherchen des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" soll Martin N. Ende der 90er-Jahre auch Pflegekinder in seiner damaligen Wohnung in Bremen-Neustadt betreut haben. Wiederholt habe er "etwa zehn bis 15 Jahre alte Pflegekinder" aus sozial benachteiligten Familien aufgenommen, die vorübergehend an ihn vermittelt wurden. Diese Angaben werden derzeit von der Bremer Sozialbehörde geprüft.
Die Ermittler der im niedersächsischen Verden beheimateten Soko "Dennis" werten derzeit alle Spuren auf weitere Verbrechen aus, die nach der Verhaftung des als "schwarzer Mann" bekannt gewordenen Sexualtäters eingehen. "Jetzt melden sich auch frühere Nachbarn und Menschen, die den Mann kennen", sagte eine Polizeisprecherin.
+++ Die Mordserie des Martin N. +++
Die Beamten sind überzeugt, dass er neben den drei bereits gestandenen Morden an Dennis K., 9, Dennis R., 8, und Stefan J., 13, auch den Tod von zwei zehn und elf Jahre alten Jungen zu verantworten hat. Jonathan Coulom wurde 2004 aus einem Schullandheim in Frankreich entführt, Nicky Verstappen verschwand 1998 aus einem Zeltlager in den Niederlanden. Mit den modernsten Methoden zur DNA-Analyse werden derzeit alte Spuren neu ausgewertet.
Aus der Diakonie kommen inzwischen erste Forderungen nach Konsequenzen aus dem Fall Dennis. Schon bei einem Missbrauchsverdacht müsse künftig sofort die Staatsanwaltschaft eingeschaltet werden, sagte Martin Apitzsch, Fachreferent für Jugendhilfe beim Diakonischen Werk Hamburg, dem Abendblatt. Das Wichtigste sei aber, dass in den Einrichtungen eine Kultur des Respekts gegenüber Kindern gefördert werde. "Es muss klar sein, dass Kinder ein Recht haben, sich zu beschweren", sagte Apitzsch.