Hamburg. Abendblatt und Literaturhaus rekapitulieren das Literatur-Jahr. Mit zwei Top-Ten-Listen – ob Bestsellerautor Heinz Strunk da auftaucht?
Manche meinen, eine Krise des Buchs herbeireden zu müssen. Denen muss man entgegenhalten: Solange es soziale Zusammenkünfte mit Geschenkzwang (Geschenkgelegenheit!) gibt, wird das Buch nie sterben. Und zwar insbesondere das gedruckte. E-Books machen präsentmäßig so wenig her. Was Weihnachten angeht, sind Schenkende so langsam unter Druck, wenngleich der Last-minute-Gong noch lange nicht ertönt ist. Abendblatt und Literaturhaus hätten so oder so ein paar Tipps, speziell was Buchgeschenke angeht. Denn „das gute Buch“, das man die stillen Tage über in die Hand nimmt, soll ja auch tatsächlich gut sein.
Deshalb haben das Abendblatt und das Hamburger Literaturhaus in Person des scheidenden Leiters Rainer Moritz jeweils ihre Bestenlisten zusammengestellt. In der neuen Folge des Podcasts Next Book Please geht es um diese Top-Titel, die wir auch an dieser Stelle grob dokumentieren, indem wir unter anderem diejenigen Romane nennen, die auf beiden Listen auftauchen.
Die besten Bücher 2024: Mindestens eins ist perfekt für Karl-May-Fans
Da wäre zum einen Elmore Leonards prächtiger Post-Bürgerkriegs-Western „Das letzte Gefecht am Saber River“, über den sich „Yellowstone“-Gucker, Karl-May-Leser und Freundinnen und Freunde der Spannungsliteratur freuen dürften. Iris Wolffs „Lichtungen“, ein formal ungewöhnlicher, weil rückwärts und dabei keineswegs kompliziert erzählter Roman, setzt einen leiseren Ton und handelt von den letzten Jahren des Sozialismus vor allem in Rumänien und den ersten der Freiheit nach dem Fall des Eisernen Vorhangs.
Ebenfalls auf beiden Listen sind drei schwergewichtige, dicke Wälzer. Zum einen Barbara Kingsolvers Appalachen-Epos „Demon Copperhead“, das eine Hommage an Charles Dickens ist, also von einem Schicksal eines Waisenknaben erzählt, aber auch vom Opioid-Verhängnis der USA. Ein großartiger Pageturner, der im Frühjahr an dieser Stelle in den höchsten Tönen gelobt wurde: „Was für ein Roman: Wegen solcher Bücher liebt man das Lesen“.
Die besten Bücher 2024: Gehört Heinz Strunks „Zauberberg 2“ dazu?
Monika Zeiners Familien-Epos „Villa Sternbald oder Die Unschärfe der Jahre“ ist ebenfalls doppelt in den Top Ten. Die Geschichte der Fincks aus Franken, die von der „Arisierung“ jüdischer Unternehmen profitierten und zur erfolgreichen Schulmöbeldynastie wurden, ist bisweilen engagiert im Thomas-Mann-Modus unterwegs. Großes Tableau also, Panoramablick auf ein Jahrhundert. Apropos Thomas Mann, hat es Heinz Strunks „Zauberberg 2“ in die 2024er-Hitparade geschafft? Verraten wir hier: ganz knapp nicht, zumindest bei einem der beiden Kritiker. (Beim anderen ist es eher ein klares Nein zum Heinzer-Ranking).
Mehr Kultur-Rezensionen
- Neues Buch von Anne Tyler: Der schmalste Roman-Hit der Saison
- Lesen Sie diesen Roman, dann leben Sie ewig – fast zumindest
- Bremer „Tatort“: Ausgerechnet zu Weihnachten wird es blutig
Der dritte und letzte Riesenroman in der Jahresbestenliste ist, Ehre, wem Ehre gebührt, der Beinahe-Buchpreis-Gewinner Clemens Meyer mit seinem viel wagenden und (fast) alles gewinnenden Überroman „Die Projektoren“, der vom Krieg, dem 20. Jahrhundert, Karl May, Jugoslawien und Deutschland im Breitwandformat erzählt.
Arthouse, nicht Blockbuster, keine leichtgängige Lektüre, eher ein beglückendes Dickicht. Unter jedem Christbaum machen sich außerdem unter anderem die neuen Bücher von Sally Rooney („Intermezzo“), Daniela Krien („Mein drittes Leben“), Nathan Hill („Wellness“) und Vigdis Hjorth („Ein falsches Wort“) gut. Die kompletten Listen sind nachzuhören in der neuen Folge von Next Book Please.
Sternstunde oder Reinfall? Jeden Monat rezensieren wir für unsere Abonnentinnen und Abonnenten mehr als 100 Konzerte, Theatervorstellungen, Choreografien, Bücher, Ausstellungen, Serien oder Filme. Hier finden Sie alle Kritiken – was Sie in Hamburg gesehen, gehört oder gelesen haben müssen!