Hamburg. Rainer Moritz geht im Sommer in den Ruhestand. Nun wurde seine Nachfolgerin offiziell benannt. Warum es für sie ein „Nachhausekommen“ ist.
- Literaturhauschef Rainer Moritz verlässt das Haus nach 20 Jahren
- Seine Nachfolgerin steht offiziell fest - sie war schon einmal lange am Schwanenwik
- Antje Flemming ist Mitherausgeberin des Hamburger Literaturjahrbuchs „Der Ziegel“
Die Personalie war naheliegend. Ist naheliegend langweilig? Im Gegenteil, die ausbleibende Überraschung ist – jedenfalls im konkreten Fall – der Ausweis von Befähigung: Weil sich diese Frau in den vergangenen Jahren konstant mit Verve für die Hamburger Literaturszene ins Zeug gelegt hat, weil sie kenntnisreich, enthusiastisch und allerbestens vernetzt ist – und, nicht zuletzt, weil sie auch das Haus von innen hervorragend kennt.
Antje Flemming, Literaturreferentin der Hamburger Kulturbehörde, übernimmt im kommenden Sommer das Hamburger Literaturhaus von dessen langjährigem Leiter Rainer Moritz, der in den Ruhestand gehen wird.
Hamburger Literaturhaus: Antje Flemming beerbt Rainer Moritz
Runde 20 Jahre wird Moritz, der nicht nur Literaturveranstalter, sondern auch selbst Autor von Sachbüchern (Schlager! Fußball! Bücher!), Romanen und Reportagen ist, bei seinem Abschied in der herrlichen Kulturvilla an der Außenalster residiert haben. Von 2002 bis 2016 war Flemming (die in Hamburg, Northampton und Massachusetts Germanistik, Amerikanistik und Medienkultur studiert und an der Universität Hamburg über den Regisseur Lars von Trier promoviert hat) dort Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit und damit auch seine Pressesprecherin.
Bevor sie zu Kultursenator Carsten Brosda in die Behörde wechselte und von dort der Hamburger Literaturszene zur Seite stand: Als „Schnittstelle hinter den Kulissen“ hat sie sich kürzlich in einem NDR-Interview selbst beschrieben. Das klingt bescheiden, andere dürfen großzügiger sein: „Die Fäden der Szene laufen bei Literaturreferentin Antje Flemming zusammen, der vermutlich überhaupt wichtigsten Person im Hamburger Betrieb“, so stand es zum Beispiel im Abendblatt.
Antje Flemming hat sich für Autorinnen und Autoren eingesetzt
Flemming hat neue Förderprogramme aufgelegt, Recherchestipendien erfunden und Schriftstellerinnen ins Ausland geschickt. Sie ist Mitherausgeberin des Hamburger Literaturjahrbuchs „Der Ziegel“ und hat, während der Pandemie und darüber hinaus, couragiert mit dafür gesorgt, dass die, die für das Schreiben leben, davon auch leben können. Geld und Sichtbarkeit – die zwei eng verwobenen Unerlässlichkeiten in jedem Autorenleben. „Literatur ist halt eine stille Kunst“, weiß Flemming, „die passiert meistens allein am Schreibtisch.“
Wobei das so natürlich nicht ganz stimmt, irgendwann will das, was da am Schreibtisch allein ersonnen wurde, ja hinaus in die Welt, zur Leserin und zum Leser, in die Buchhandlungen also, aber auch auf Festivals (in Flemmings ersten Jahr wird es derer mit der neuen Elb.Lit und dem wiederkehrenden Harbour Front in Hamburg mehr denn je geben) und eben in den glanzvollen Eddy-Lübbert-Saal am Schwanenwik, ins Literaturhaus also.
Flemming will „hervorragenden Ruf des Literaturhauses Hamburg“ stärken
Dass Hamburg „jetzt nicht unbedingt der Standort ist, wo junge Autorinnen und Autoren hinziehen“, ist Antje Flemming, geboren 1974 in Karl-Marx-Stadt, bewusst. Sie hat es, als künftige Veranstalterin und Vermittlerin mit eigenem Haus in allerbester Lage, jetzt freier noch als bisher in der Hand, für noch mehr literarische Strahlkraft zu sorgen. Und auch Hamburg will dort ja nicht nur Eigengewächse sehen und hören, sondern Autoren und Autorinnen, die selbst Strahlkraft mitbringen.
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„Gemeinsam mit dem hoch qualifizierten Team möchte ich den hervorragenden Ruf des Literaturhauses Hamburg stärken und die inhaltliche Arbeit mit neuen Impulsen fortsetzen“, ließ Flemming sich in der offiziellen Mitteilung zur Personalie zitieren.
Der Nachwuchs liegt ihr besonders am Herzen, man braucht ihn bei den Schreibenden, aber auch als Publikum: „Das Literaturhaus soll Talente entdecken und fördern, sich breiten Publikumsschichten öffnen, aber auch das literarische und künstlerische Experiment wagen.“ Sie freut sich also, und auch der Verein des Hauses, der die Nachfolge entscheidend verantwortet, freut sich. „Es ist auch ein bisschen wie Nachhausekommen.“