Der Untersuchungsausschuss Elbphilharmonie startet die Beweisaufnahme vor Ort. Die städtische ReGe sagt Begehung ab.
HafenCity. Spätestens im 19. Obergeschoss wurde den Ermittlern bewusst, welche Dimensionen ihr Untersuchungsgegenstand hat. Einige schnauften, nachdem sie aus dem Keller 21 Stockwerke nach oben gekraxelt waren. Anderen stockte der Atem wegen des grandiosen Ausblicks, sie zückten ihre Handys und fotografierten - in laufenden Sitzungen eines Bürgerschaftsausschusses eigentlich streng verboten. Aber 80, 90 Meter über dem Hamburger Hafen, am Horizont die Harburger Berge, und linkerhand die "Queen Mary 2" dekorativ im Bild, da kann man schon mal vergessen, weswegen man auf dieser Baustelle ist. Dabei ist der Grund recht einfach: Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) Elbphilharmonie soll aufklären, warum das Konzerthaus - aktueller Eröffnungstermin: etwa Mai 2013 - die Stadt mit 323 Millionen Euro mindestens dreimal so viel kostet wie ursprünglich veranschlagt und wie so etwas künftig verhindert werden kann. Mit der "Augenscheinnahme" stiegen die Bürgerschaftsabgeordneten gestern in die eigentlichen Ermittlungen ein. "Es ist gut, dass wir die Beweisaufnahme nicht am grünen Tisch beginnen", sagte der Ausschussvorsitzende Peter Tschentscher (SPD).
Für die Abgeordneten sei es wichtig, die Baustelle zu besichtigen, bevor sie zu ermitteln versuchen, was schief gelaufen ist. Wie brisant diese Frage ist, zeigte das Vorgeplänkel. Wenige Stunden vor dem Beginn der Begehung sagte die Realisierungsgesellschaft (ReGe), die die Stadt in dem Projekt vertritt, ihre Teilnahme ab. Der PUA unterliege der Strafprozessordnung, wenn ein ReGe-Mitarbeiter als Zeuge oder als Sachverständiger hätte teilnehmen sollen, hätte er förmlich geladen werden müssen, teilte ReGe-Geschäftsführer Heribert Leutner mit. Das sei nicht geschehen. "Das ist rechtlich nicht in Ordnung", so Leutner. "Wir unterstützen den PUA in jeglicher Hinsicht. Aber niemand darf von mir erwarten, dass ich einen Mitarbeiter auf unsicheres juristisches Terrain schicke." Tschentscher hatte dafür kein Verständnis: "Ausdrücklich" sei keine Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen vorgesehen gewesen.
Die Baufirma Hochtief und der Architekt Ernst Höhler hatten weniger Bedenken und führten die Politiker zwei Stunden lang über die Baustelle. Allerdings betonte auch Hochtief-Projektleiter Dirk Rehaag bei jeder kritischen Frage nach den Gründen für die Mehrkosten: "Ich bewerte nichts. Ich zeige Ihnen heute nur die Baustelle." Nicht nur Norbert Hackbusch (Linkspartei) war daher schnell bedient: "Der beantwortet ja gar keine Frage."
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Dennoch ließen sich die elf PUA-Mitglieder bei laufenden Bauarbeiten tapfer die zusätzliche Pfahlgründung erklären, die Kühlzentrale mit Elbwasser, den Einbau von Plastikkugeln in die Betondecken zwecks Gewichtsreduzierung über der öffentlichen Plaza, die Aufteilung platter und gewölbter Fenster im Hotel, die Federpakete zur Schallentkopplung des Großen Saals und schließlich, vom 19. Stock aus, die wellenförmige Dachkonstruktion.
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Immerhin: Dass die nur das eigentliche Dach überspannt, quasi als zweite Haut, war einigen neu. "Von oben, aus dem Hubschrauber, soll man ja nicht auf Schornsteine gucken", erklärten die Hochtief-Leute. Warum das wichtig sei? Weil auch die weltberühmte Oper in Sydney zum Beispiel, an der die Elbphilharmonieplaner sich gern orientieren, meistens aus der Vogelperspektive gezeigt werde. Also müsse das Konzerthaus auch von oben schick aussehen. Und irgendwoher müssen die 323 Millionen Euro ja kommen. "Es gab wenig Überraschendes, aber es hat sich trotzdem gelohnt", resümierte Tschentscher. "Wir können schon bald die ersten Zeugen vernehmen."
Bereits am 2. September soll der Investor Dieter Becken aussagen. Er hatte das Projekt gemeinsam mit Alexander Gérard entwickelt, der im Oktober vorgeladen werden soll. Staatsrat Volkmar Schön (CDU), als Chef der Senatskanzlei bis 2008 Vorsitzender des Aufsichtsrats der Elbphilharmonie Bau KG, wird am 17. September im PUA erwartet. Ob sie helfen werden, den Grund für die Probleme ans Licht zu bringen? Oder bleibt das ein frommer Wunsch? Als die Abgeordneten vor den Hotelfenstern im neunten Stock standen, dudelte aus einem Baustellenradio Pink Floyds Hit "Wish You Were Here" - "Ich wünschte, Du wärst hier". Doch der eine Grund, er war nicht da.