Manche Salzhändler steigern die Preise um 400 Prozent, ignorieren Lieferverträge, verkaufen meistbietend. Städte bleiben auf der Strecke.

Hamburg. Eis und Schnee auf den Straßen Hamburgs und Norddeutschlands haben am Dienstag zu einem wahren Verkehrschaos und vielen Unfällen geführt. Bis zum Nachmittag habe es allein in Hamburg mehr als 200-mal gekracht, sagte ein Sprecher der Verkehrsleitstelle. Darunter waren aber keine schweren Unfälle, es blieb bei Blechschäden. „Wir haben überall fingerdick Eis auf der Straße – das ist das große Problem“, sagte der Sprecher. Vor allem an leichten Steigungen wie etwa vor dem Niendorfer Marktplatz hätten die Autofahrer Schwierigkeiten und kämen nicht vom Fleck.

Spiegelglatte Straßen legten vielerorts in Norddeutschland auch den Berufsverkehr lahm. Fehlendes Streusalz ist häufig die Ursache: Zum einen wird in diesem Winter bislang die dreifache Menge benötigt und hinzu kommt, dass die Versorgung zunehmend außer Kontrolle gerät.

Es sind goldene Zeiten für Streusalz-Händler: In ganz Deutschland ist es inzwischen ausverkauft. Städte und Gemeinden im Norden hoffen nun auf zwei Schiffsladungen aus Marokko und Chile, die am 10. Februar in der Hansestadt erwartet werden. Problem: Der Frachter aus Chile macht zunächst in den Niederlanden fest, und dort wird das Salz genauso dringend erwartet. In den Niederlanden wird der Großteil der Fracht gelöscht. Nur ein Sechstel, etwa 10.000 Tonnen, bleiben - hoffentlich - für Deutschland. Und andere Salzlieferungen sind nicht in Sicht.

Derzeit ist es fraglich, ob Hamburg und der Norden von der Lieferung überhaupt etwas abbekommen. "Es ist schon einmal passiert, dass wir eine vereinbarte Lieferung nicht erhalten haben", sagt Reinhard Fiedler, Sprecher der Stadtreinigung.

Manche kleinere Händler wittern deshalb jetzt ihre Chance auf das ganz große Geld. Sie nützen die Notlage der Gemeinden aus und verkaufen minderwertiges Salz zu völlig überhöhten Preisen. Der Hamburger Stadtreinigung wurde bereits dieses schlechte Salz angeboten, das zu großen Brocken verklebt war - zum Streuen definitiv nicht geeignet. Darauf ließ sich die Stadt aber nicht ein. Trotzdem musste Hamburg "zwischendurch Siedesalz einsetzen", sagt Reinhard Fiedler. "Es hat gegenüber dem hochwertigen Steinsalz den Nachteil, das es zusammenklumpt und die Streugeräte verstopft." Mittlerweile allerdings sei die Lage so dramatisch, dass auch kein Siedesalz mehr zu bekommen sei.

Der Großteil des in Deutschland eingesetzten Streusalzes stammt aus Bergwerken in Marokko und Chile oder aus Italien und kommt über den Seeweg. Ein kleinerer Teil wird per Lastwagen aus der Ukraine, Rumänien und Bulgarien angeliefert. Wie das Abendblatt erfuhr, sind es oftmals kleine Lieferanten, die dieses Salz nach Deutschland bringen und mit Preissteigerungen von bis zu 400 Prozent verkaufen. Eine Tonne kostet normalerweise 40 Euro - jetzt sind es häufig 200.

Viele Großhändler dagegen kommen wegen der Nachfrage mit den Lieferungen nicht mehr hinterher, können ihre Vertragsverpflichtungen nicht einhalten. "Der Nachschub kommt einfach nicht schnell genug, wir können die Versorgung nicht überall gewährleisten", heißt es etwa bei der Firma Nordsalz, die als einer von mehreren Händlern Hamburger Bezirke und Autobahnmeistereien im Umland beliefert. Nordsalz hat nach eigenen Angaben die Preise nicht erhöht und nur die Transportkosten angepasst. Doch wie abendblatt.de erfuhr, verkaufen einige andere Lieferanten die letzten Vorräte inzwischen einfach an den Meistbietenden - die Strafe wegen Nichteinhalten des Vertrags nehmen sie bei der großen Gewinnspanne gern in Kauf.

Leidtragende sind Fußgänger und Autofahrer. Sie müssen auf schlecht gestreuten Wegen und Straßen vorankommen. Immer mehr Städte im Norden schränken ihren Winterdienst ein, da kaum noch Salz da ist. So werden etwa in Lüneburg nur noch gefährliche Fahrbahnabschnitte auf den Hauptstraßen mit Salz gestreut, die übrigen Abschnitte mit Sand. Nebenstraßen werden gar nicht mehr geräumt. "Es gibt in ganz Deutschland kein Salz mehr", begründet Betriebshofleiter Ralf Dibowski die radikale Maßnahme. Die Stadtreinigung Hamburg streckt ihr Salz mit Sand und räumt die Straßen doppelt: Erst wird der Schnee beseitigt, dann gestreut - das ist zwar mehr Arbeit, spart aber Salz. Sollte der Vorrat nicht bald aufgefüllt werden, muss die Stadtreinigung auf Granulat zurückgreifen. Der Winterdienst wird in diesem Jahr etwa doppelt so teuer wie sonst.