Auch am Donnerstag durchsuchen Staatsanwälte die Hamburger Zentrale der HSH Nordbank. Es geht um Untreue und Bilanzfälschung.
Hamburg. Die Hamburger Staatsanwaltschaft setzt ihre Durchsuchungen bei der HSH Nordbank am Donnerstag fort. Die Fahnder sind weiter in der Hamburger Zentrale der Bank auf der Suche nach Unterlagen und Dokumenten, sagte Behördensprecher Wilhelm Möllers. Abgeschlossen seien dagegen die Durchsuchungen am Kieler Standort der Bank und in den fünf Privatwohnungen von ehemaligen Vorständen. Es wurden Computer und Datenträger beschlagnahmt. Die Bank verhält sich nach Möllers Worten kooperativ. „Das läuft alles sehr konsensual ab.“ Lesen Sie dazu den großen Abendblatt-Hintergrundbericht zu den Durchsuchungen:
Ermittlungen gegen Vorstand der HSH Nordbank
Die Welt der HSH Nordbank schien in den vergangenen Wochen fast wieder in Ordnung zu sein. Die Zahlen für 2009 und für das erste Quartal 2010 sind ordentlich (siehe unten), die Sanierung der schwer angeschlagenen ehemaligen Landesbank scheint zu gelingen, Vorstandschef Dirk Jens Nonnenmacher lächelt sogar manchmal. Kurz: mehr Geschäft, weniger Schlagzeilen - wie Banken sich das so wünschen.
Milliardengrab HSH-Nordbank
Es war die Ruhe vor dem Sturm. Der kam gestern in Person von sechs Staatsanwälten und 60 Polizisten über das Geldhaus. Um 10 Uhr standen sie mit Durchsuchungsbeschlüssen vor den Firmensitzen am Gerhart-Hauptmann-Platz in Hamburg und am Martensdamm in Kiel sowie vor fünf Privatwohnungen von Ex-Vorständen, ebenfalls in Hamburg und Kiel. Die Durchsuchungen, die bis zum Abend anhielten und gegebenenfalls heute fortgesetzt werden, sind der vorläufige Höhepunkt - oder aus Sicht der Bank der Tiefpunkt - der Ermittlungen der Hamburger Staatsanwaltschaft.
Seit gut einem Jahr, seit der Anzeige des Rechtsanwalts Gerhard Strate gegen Verantwortliche der HSH, ermittelt die Hamburger Justiz. Der Anfangsverdacht lautet "gemeinschaftliche schwere Untreue in Zusammenhang mit dem Omega-55-Engagement der Bank", so Staatsanwalt Wilhelm Möllers. Bei dem Geschäft Ende 2007 handelte es sich um eine Art Risikotausch. Die HSH wollte ihre Bücher um Risiken aus Immobilienkrediten entlasten, gab sie an die Bank BNP Paribas weiter und nahm im Gegenzug andere Risiken der Franzosen auf. Das Geschäft ging aus norddeutscher Sicht jedoch schief und führte zunächst zu Abschreibungen über 500 Millionen Euro, die zum Verlust von 2,8 Milliarden Euro in 2008 beitrugen. Der tatsächliche Verlust aus Omega war nach dem endgültigen Verkauf der Papiere vor einigen Monaten jedoch deutlich geringer.
Nonnenmacher: Ich habe kein schlechtes Gewissen
Später kam nach einer weiteren Anzeige Strates der nun auch gegen Nonnenmacher und andere Vorstände persönlich gerichtete Verdacht der Bilanzfälschung hinzu. Er ergibt sich aus der Vermutung, dass Geschäfte wie "Omega" und "St. Pancras" von vornherein nur darauf angelegt waren, die Bilanz zu schönen und dann aufgelöst zu werden. Nonnenmacher, der die Geschäfte zum Teil mit abgezeichnet hatte, hat den Vorwurf stets zurückgewiesen. Die Staatsanwaltschaft konzentriert sich nach Abendblatt-Informationen auf eine Mitteilung der Bank vom 20. Juni 2008, wonach sie im ersten Quartal 81 Millionen Euro Gewinn verbucht habe. Die Ermittler vermuten, dass es in Wirklichkeit 33 Millionen Euro Verlust waren.
"Unser Anfangsverdacht, dass Straftaten begangen wurden, hat sich verfestigt", sagte Möllers. Dass das Amtsgericht die Durchsuchungen am 31. März genehmigte, wertet die Staatsanwaltschaft als Bestätigung ihrer Ermittlungen. Dass seitdem fast zwei Monate vergangen sind, sei mit der Vorbereitung der Aktion und personellen Umbesetzungen der Sonderkommission (Soko) zu begründen. Ihr Name wurde von "Nordland" in "Conduit" geändert - das ist die englische Bezeichnung für ein Vehikel der Finanzbranche zur Abwicklung komplexer Geschäfte mittels Zweckgesellschaften.
Die Ermittlungen richten sich gegen vier ehemalige und zwei aktuelle HSH-Vorstände. Bei Letzteren handelt es sich um Nonnenmacher selbst und seinen Kollegen Bernhard Visker - sie sind die einzigen Vorstände, die im Zuge der Krise nicht gehen mussten. Dass ihre Wohnungen nicht durchsucht wurden, hat einen einfachen Grund: Im Gegensatz zu den ausgeschiedenen Vorständen besteht bei ihnen nicht der Verdacht, dass sie belastende Unterlagen zu Hause lagern könnten. Dennoch gelten sie weiterhin als Beschuldigte, wie die Staatsanwaltschaft betont. "Der rechtlichen Würdigung der Kanzlei Freshfields, dass das Verhalten von Herrn Nonnenmacher mit den Pflichten eines sorgfältigen Kaufmanns vereinbar war, schließen wir uns nicht an", sagte Staatsanwalt Möllers. Freshfields hatte 2009 im Auftrag des damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Wolfgang Peiner das Verhalten aller Vorstände untersucht und Nonnenmacher von Schuld freigesprochen. Zwei andere Vorstände, Peter Rieck und Jochen Friedrich, wurden aufgrund des Berichts jedoch entlassen. Freshfields-Experte Thomas Emde sagt am Freitag erneut im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) der Bürgerschaft aus. Auch in Kiel ermittelt ein Untersuchungsausschuss des Landtags.
Die HSH Nordbank versuchte dem neuerlichen Wirbel etwas Gutes abzugewinnen. "Wenn die Staatsanwaltschaft sich ein faires Urteil bilden will, muss sie ja alle Unterlagen sichten", sagte Sprecher Frank Laurich. "Und mit einer zügigen Aufklärung ist allen Beteiligten am besten gedient." Man sehe das "relativ gelassen", weil insbesondere "Omega" besser dokumentiert sei als jedes andere Bankgeschäft. Im siebten Stock der HSH-Zentrale steht sogar noch ein ganzer Schrank mit Akten, die seinerzeit für die Freshfields-Untersuchung zusammengestellt wurden - dort dürfen sich jetzt die Ermittler austoben. "Sehr kooperativ", sei die HSH, bestätigt die Staatsanwaltschaft.
Eines nervt die Banker dennoch. "Wir hätten die Unterlagen auch so zur Verfügung gestellt, dazu hätte es keiner Durchsuchung bedurft", sagte Laurich. Doch auf so viel Entgegenkommen wollten sich die Ermittler dann doch nicht verlassen.