Der Aufsichtsrat der HSH Nordbank ärgert sich über das “Versagen“ der Bankenaufsicht und gibt der Politik Mitschuld an der Krise der Landesbanken.
Hamburg. Der Aufsichtsratsvorsitzende der HSH Nordbank, Hilmar Kopper, gibt der Politik eine gehörige Mitschuld an der Krise der Landesbanken. "Die Versuchung war das billig eingekaufte Geld und die Ermunterung der Eigentümer, mehr mit diesem Geld zu verdienen", so Kopper mit Blick auf die günstigen Bedingungen der staatlichen Institute, sich mit frischem Kapital einzudecken. Die Erwartung, zum Beispiel der HSH-Hauptanteilseigner Hamburg und Schleswig-Holstein an ihre Bank, sei offenbar gewesen: "Nun habt ihr billiges Geld, nun legt das mal schön an, und mit dem Mehrgewinn erhöht ihr eure Ausschüttung oder - wie im Fall der HSH - mit dem Mehrgewinn wird die Braut schön gemacht, dann kann man sie teurer verkaufen. Man wollte ja einen Börsengang machen", so der frühere Chef der Deutschen Bank.
Koppers Äußerungen stammen aus einem Interview, das er Norbert Dieckmann, Professor am Euro Business College (EBC) in Hamburg, für dessen neues Buch über die Finanzkrise gegeben hat ("Erklärungsansätze und Lehren aus der Finanzkrise 2007/2008"). Die HSH Nordbank war 2003 aus der Fusion der Landesbanken in Hamburg und Schleswig-Holstein entstanden. Bevor 2006 mit J.C. Flowers (USA) ein privater Investor hinzukam, konnte sich das staatliche Institut lange günstig mit Geld eindecken und nutzte das zu einer aggressiven, weltweiten Expansion. Von der Finanzkrise wurde die extrem schnell gewachsene Bank 2008 mit voller Wucht erwischt, machte 2,8 Milliarden Euro Verlust und musste von den beiden Ländern mit Milliarden-Spritzen gerettet werden.
Seit Mitte 2009 untersuchen Parlamentarische Untersuchungsausschüsse in Hamburg und Kiel das Debakel. Am Freitag wird Thomas Emde von der Anwaltssozietät Freshfields erneut in Hambur aussagen. Sie hatte das Verhalten der HSH-Führung untersucht - die Folge war die fristlose Kündigung zweier Vorstände. Auch die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Verantwortliche der Bank. Bei der umfangreichen Aufklärungsarbeit kommt Kopper die Politik zu gut weg: "Bestraft wurden bisher nur die Agierenden in den Banken und nicht die, die auf eine maßvolle Geschäftsführung hätten aufpassen sollen", sagte er Dieckmann. Eine deutliche Spitze in Richtung des HSH-Aufsichtsrats. Der war bis zu Koppers Amtsantritt Mitte 2009 politisch geführt worden, anfangs von der Kieler Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD), später vom früheren Hamburger Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU).
Doch auch die Spitzenbanker selbst nimmt der Aufsichtsratschef ins Gebet: Sie hätten "besser hingucken müssen". Kopper: "Wir dürfen das nicht immer auf Dritte abwälzen. Zumindest die Profis müssen die Fähigkeit haben, auch zu einem eigenen Urteil zu kommen." Dass vermeintliche Fehlurteile der Vorstände selten auf Kritik der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) stießen, erzürnt den HSH-Oberkontrolleur geradezu: "Was ich der deutschen Bankenaufsicht am meisten übel nehme, ist ihr völliges Versagen bei den Landesbanken. ... Wie kann man Landsbanken haben, die Milliarden von Kreditvolumina in Tochtergesellschaften im Ausland bunkern, und man guckt gar nicht hin? Wie konnte das überhaupt passieren? Ich halte das für ein Bündel von sehr elementaren aufsichtsrechtlichen Unzulänglichkeiten."
Interessant und lesenswert ist Dieckmanns Buch, das bewusst keine Erklärungen, sondern nur "Erklärungsansätze" liefert, auch dadurch, dass er sich nicht nur technischen Fragen wie der Finanzmarktregulierung oder den Ratingagenturen widmet, sondern auch einem Thema wie "Gier und Moral". In dem Zusammenhang hat Kopper eine ganz eigene Sichtweise: "Es war nicht die Gier der Anbieter wegen der Provision, sondern es war die Gier der Anleger nach Rendite, die wesentlich zu einem solchen Fehlverhalten beigetragen hat." Kopper spricht von "animalischen Instinkten" wie Neid und Herdentrieb: "Es spricht sich herum in der Verwandtschaft, dass es irgendwo bessere Renditen gibt. Und irgendwann geht auch Tante Emma zur Bank und sagt, ich will auch vier Prozent haben." Und weil es mehr Rendite nur für mehr Risiko gibt, gingen die Banken halt mehr Risiko ein. Und weil das so fürchterlich schiefging, hat der Mittsiebziger Hilmar Kopper seinen Ruhestand teilweise aufgegeben und ist nun der Oberaufseher über die Sanierung der HSH Nordbank.
Die steckt zwar noch in den roten Zahlen, aber längst nicht so tief wie noch vor wenigen Monaten befürchtet. Die Zahlen für das erste Quartal 2010, die dieser Tage vorgestellt werden, werden den Aufwärtstrend vermutlich bestätigen. Also ist bald alles wieder gut? Oder kommt irgendwann die nächste Finanzkrise? In Dieckmanns Buch legt sich Kopper fest: "Ich bin sicher: Wir kriegen wieder eine Krise. Der Auslöser wird etwas anderes sein. Dann können wir wieder dazulernen."