Heide Simonis spricht über die goldenen Jahre der Nordbank, die unheilvolle Rolle der Rating-Agenturen und unverständliche Fachbegriffe.
Kiel. Heide Simonis (66) ist sich treu geblieben. Die frühere SPD-Ministerpräsidentin bestritt im Kieler HSH-Untersuchungsausschuss zwar eine Mitschuld am Crash der Nordbank, räumte aber einige Fehleinschätzungen ein. "Wir waren trunken vom Erfolg." Zudem hätten die Rating-Agenturen eine unheilvolle Rolle gespielt. "Ich krieg heute noch so 'nen Hals." Im Ausschuss fühlt Simonis sich gleich wie zu Hause. Es sei bereits ihr vierter Untersuchungsausschuss, verrät sie dem Abendblatt. "Was im Leben nicht so alles passiert." Gleich zum Auftakt sorgt Simonis für den ersten Lacher. Die Frage nach ihrem Beruf beantwortet sie knapp mit Ministerpräsidentin "zur Zeit außer Dienst".
Gleich danach greift die Diplom-Volkswirtin zu ihrem Manuskript, liest vor, wie sie 1988 als Finanzministerin im Verwaltungsrat der "überschaubaren" Landesbank Kiel Platz nahm, später als Ministerpräsidentin die Bank aufpeppte und sie 2003 mit der Hamburgischen Landesbank fusionierte. Das habe die Wirtschaft beider Länder gefordert. "Der Nordstaat war damals ein besonderer Hit", schmunzelt Simonis. Eine Länderehe war nie ihre Sache.
Nach mehr als einer halben Lesestunde fast ohne Atempause beendet Simonis ihr Stakkato und überlässt den HSH-Aufklärern das Wort. Die Abgeordneten lassen sich nicht lange bitten, wollen von der Mutter der Nordbank wissen, wie in ihrer Amtszeit (bis 2005) die Geschäfte der HSH liefen. "Die Bank wuchs, die Bank lieferte ab", beschreibt Simonis die fetten Jahre für die Kieler Landeskasse. "Es gab keine Hinweise, dass etwas bröckeln könnte."
Heute ist Simonis klüger, macht daraus keinen Hehl und erinnert an die Bemerkung, die sie vor gut einem Jahr im Gespräch mit dem Abendblatt machte und die längst zur Legende wurde: "Wir waren damals alle mehr oder minder besoffen von der Idee, dass die HSH Nordbank als Global Player immer satte Gewinne einfährt." Dazu stehe sie, bekräftigt Simonis. Statt besoffen würde sie heute aber lieber "trunken" sagen.
Fakt ist, dass die Landesbanken von Kiel und Hamburg insgesamt 60 Milliarden Euro Kreditersatzgeschäfte in die HSH einbrachten, die Länder hohe Renditevorgaben machten (bis zu 17 Prozent) und die Nordbank verstärkt auf Zockerpapiere setzte. Mitverantwortlich dafür machte Simonis die Rating-Agenturen, die Banken einstufen. Sie hätten die HSH Nordbank zu riskanten Geschäften gedrängt. "Die sind mit einer Arroganz aufgetreten, dass einem die Spucke wegblieb." Diese Aussage ließ im Ausschuss die Alarmglocken schrillen. Die Grünen wollen den Rating-Agenturen nun auf den Zahn fühlen, sie im Ausschuss ins Kreuzverhör nehmen. Auf fruchtbaren Boden fiel auch die Kritik von Simonis an der Bankersprache, an den zahlreichen englischen Fachbegriffen, die im Aufsichtsrat oft nicht verstanden und gleichwohl nur selten hinterfragt wurden. "Die meisten hatten Angst, sich als jemand zu outen, der das nicht versteht."
Auf andere Fragen findet Simonis keine präzise Antwort. Sie verliert immer wieder den roten Faden, erzählt von Barschel, Engholm und dem Plan, die HSH zur führenden Bank im Ostseeraum zu machen. Es fällt ihr schwer, sich auf einen Gedanken zu konzentrieren. Von der SPD-Bank blickt ein Abgeordneter besorgt zu Simonis. Nach drei Stunden HSH-Querbeet gönnt der Ausschuss seiner bisher wichtigsten Zeugin eine Auszeit - eine Stunde Pause. Simonis atmet durch, sitzt als eine der Ersten wieder in dem großen Saal. Die Panzerglastür, der Eingang zur früheren Staatskanzlei, ist nur wenige Meter entfernt. Im HSH-Ausschuss steht bald der nächste Top-Termin an. Für den 26. April ist SPD-Chef Ralf Stegner geladen. Er saß über Jahre im HSH-Aufsichtsrat und hat bisher weder eine Mitschuld an der HSH-Krise noch Fehleinschätzungen eingeräumt.