Heimfeld. Er fuhr zur See, wurde Polizist und prägte Hamburger Geschichte. Warum ihn ausgerechnet der HSV vor die schwerste Entscheidung stellte.

Es ist ein Lebenslauf, den man verfilmen könnte: Fast 40 Jahre war Horst Niens bei der Hamburger Polizei und erlebte dort alles, was es für eine gute Hamburg-Doku braucht: Die heißen Zeiten rund um die besetzen Häuser in der Hafenstraße, die Eröffnung der Neuen Flora, die Gewaltexzesse rund um die Hooliganszene des HSV Ende der 80er-Jahre.

Von Altona kam Horst Niens 1996 nach Harburg, wo er am 1. September auch in Pension gehen wird. Dabei sah es für den gebürtigen Barmbeker, der heute mit seiner Frau in Seevetal lebt, erst gar nicht nach einer großen Polizeikarriere aus.

Polizei Hamburg: Nach 39 Jahren sagt Horst Niens Tschüs – er wird Harburg fehlen

Nachdem er die Realschule und sein Fachabitur für Seefahrt absolviert hatte, zog es Horst Niens zunächst in die Ferne. Horst Niens ging für ein paar Jahre zur Handelsmarine und lernte die Welt kennen, wie er heute erzählt. „Ich lebe immer nach dem Motto: Spaß haben im Job – wenn etwas langweilig wird, muss ich mich umorientieren“, sagt Niens rückblickend.

Polizeibeamte mit Schlagstöcken und Schutzhelmen vor dem Betreten der Häuser in der Hafenstrasse in Hamburg im Mai 1990.
Polizeibeamte mit Schlagstöcken und Schutzhelmen vor dem Betreten der Häuser in der Hafenstrasse in Hamburg im Mai 1990. © picture alliance / Werner Baum | Werner Baum

So habe er es auch bei der Polizei gemacht. In Harburg war er zunächst Teil der Schicht und fuhr auf dem Funkstreifenwagen mit, dann war er viele Jahre als Zivilfahnder im Einsatz. Seit 2018 ist er als Stadtteilpolizist in Heimfeld im Einsatz.

Mehr Sozialarbeiter als Polizist: Besonders die Arbeit mit Jugendlichen war Niens wichtig

„Ein offenes Ohr für die Bürger und die Kriminalprävention, beispielsweise beim Betrug von älteren Menschen mit dem Enkeltrick, liegen mir besonders am Herzen. Aber ich habe auch meinen Job als Cop4U in den drei im Stadtteil ansässigen Schulen sehr gerne gemacht“, schwärmt Niens, der selbst vier Kinder großgezogen hat.

Mit den Schülerinnen und Schüler habe er über Hasskriminalität im Internet und in den Sozialen Medien diskutiert und aufgeklärt. „Als Stadtteilpolizist ist man teilweise mehr Sozialarbeiter als Polizeibeamter“, erklärt Niens seine Arbeit, „dazu gehört auch die Jugendarbeit, um Jugendlichen Alternativen zum Rumhängen anzubieten. Dabei haben wir gemeinsam mit den Akteuren im Stadtteil vieles möglich gemacht.“

Schon in seiner Schulzeit war Niens ein „Kümmerer“

„Was in meiner Macht steht, mache ich gerne möglich, ich lebe sozusagen in der Lage, und das ist auch meine Motivation für den Beruf des Polizisten“, erläutert der angehende Pensionär. „Mal schauen, was der Tag bringt – denn kein Tag gleicht dem anderen im Arbeitsalltag eines Polizisten, und daher habe ich den Job so gerne gemacht.“ Schon früher sei er der „Kümmerer“ gewesen, schon in seiner Schulzeit als Klassensprecher und Schulsprecher.

„Wenn es um Anliegen der Kolleginnen und Kollegen ging und geht, hat er sich persönlich nie geschont.“

Lars Osburg
Stellvertretender Vorsitzender der GdP

Daher war für ihn auch früh klar, dass er sich in der Gewerkschaft der Polizei und im DGB engagieren wird. Seit 2019 ist er ihr Landesvorsitzender und über viele Jahre habe er die gewerkschaftliche Bezirksgruppe im Hamburger Süden geleitet.

„Die Polizei ist sehr hierarchisch strukturiert, die Polizeiführung ordnet von oben an, ohne einen direkten Blick auf die Arbeitsbedingungen und die Kolleginnen und Kollegen an den Dienststellen zu haben. Da braucht es den gewerkschaftlichen Ausgleich“, beschreibt Niens sein gewerkschaftliches Engagement.

Auch in seiner Freizeit begleitet er Einsatzkräfte, verteilt Würstchen und Süßes

Der direkte Draht zur Polizeiführung und zu Hamburgs Erstem Bürgermeister Peter Tschentscher, mit dem er sich einmal im Quartal trifft, um die Probleme der Polizistinnen und Polizisten im täglichen Dienst zu besprechen, seien für Niens wichtig. Hier kommt wieder der „Kümmerer“ heraus, der stets ein offenes Ohr für Kollegen mit Problemen hat.

Auch in seiner Freizeit begleitet er bei großen Einsatzlagen, wie Demos und stundenlangen Razzien die Einsatzkräfte und verteilt Würstchen, heiße wie kalte Getränke und Süßigkeiten.

„Wenn es um Anliegen der Kolleginnen und Kollegen ging und geht, hat er sich persönlich nie geschont. Geprägt ist er von seiner Nähe, Menschlichkeit und Fairness, der offene Gespräche nie scheut“, sagt Lars Osburg, Stellvertretender Vorsitzender der GdP. „Viele Kolleginnen und Kollegen, die ihn in seinem umfangreichen Berufsleben begleitet haben, können das bestätigen. Ich bin froh, ihn kennengelernt zu haben und zu einem Wegbegleiter werden zu dürfen.“

Als Gewerkschafter bleibt Niens der Polizei Hamburg erhalten

In der Gewerkschaft bleibe Niens der Polizei aber weiter im Amt des Landesvorsitzenden erhalten. Ab September wird er zusätzlich im Minijob die Position des Landesgeschäftsführers übernehmen. „Mir ist es wichtig, auch weiter den Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen zu halten und ich werde die Dienststellen regelmäßig besuchen“, kündigt Niens abschließend an.

Als Gewerkschafter ist Niens auch für sein klares gesellschaftliches Handeln bekannt. So warf er Hamburgs Justizsenatorin Anna Galina (Grüne) erst im März vor „arrogant zu handeln“, als sie im Bundesrat für die Cannabis-Freigabe stimmte.

Klare Kante gegen Polizeigewalt gefordert

Ende Februar sorgte Horst Niens mit dem öffentlichkeitswirksamen Austritt beim Hamburger Fußball-Zweitligisten HSV für Aufsehen. Der Verein distanziere sich nicht genügend und eindeutig von Aufrufen zur Gewalt gegen Polizeibeamte, so der Vorwurf. Niens sprach von einer „zerbrochenen Raute im Herzen“ – denn die schlummerte schon früh in seiner Brust.

Schon als 14-jähriger Butscher hatte Niens regelmäßig in der Westkurve seinen HSV angefeuert, über 20 Jahre war er Mitglied in seinem Herzensclub. Den „Heiermann“ für seinen ersten Stadionbesuch habe er damals von seiner Großmutter erhalten.

Fussball
Fans HSV mit Protest gegen die Polizei, Volksparkstadion Hamburg, 25.02.2024, Fussball, 2. Bundesliga, Hamburger SV - SV Elversberg © WITTERS | TimGroothuis

Doch dieses scheinbare unzertrennliche Band, sei während des Heimspiels gegen Elversberg am 25. Februar bei einer Choreografie der HSV-Ultras urplötzlich durchtrennt worden. Auf einer Blockfahne der Ultras war das berühmte „ACAB“ (All Cops are bastards) zu lesen, auf zwei weiteren Bannern die Slogans: „Niemals Freund, niemals Helfer. Ganz Hamburg hasst die Polizei“. Dazu war auch noch eine Fahne zu sehen – mit einem Polizeihelm, aus dessen zersplittertem Visier Blut floss.

Ein Schutzmann alter Schule: Horst Niens hat seine Nachfolge lange vorbereitet

Mit zittrigen Fingern habe Horst Niens damals die Kündigung seiner Mitgliedschaft an den HSV geschickt. „Damals wie heute habe ich eine klare Kante des Vereins gegenüber den Ultras erwartet. Daher gab es für mich keine andere Möglichkeit, als den Verein zu verlassen. Ein Fan des Hamburger Sportvereins werde ich dennoch für immer bleiben“, so Niens rückblickend: „Als Barmbeker Jung ein absolutes Muss.“

An der Seite von Horst Niens klärte Stadtteilpolizistin Sarah Röder im Mai in der Haspa-Filiale Heimfeld über Trickbetruf auf. Nun wird sie seine Nachfolgerin.
An der Seite von Horst Niens klärte Stadtteilpolizistin Sarah Röder im Mai in der Haspa-Filiale Heimfeld über Trickbetruf auf. Nun wird sie seine Nachfolgerin. © HA | Lenthe-Medien

Und nun muss es weitergehen ohne ihn in Heimfeld. Irgendwie. „Ich habe meine Nachfolgerin als Stadtteilpolizistin handverlesen ausgesucht“, scherzt Niens und fügt hinzu: „Nein im Ernst, ich habe mit Sarah Röder schon vorher eng zusammengearbeitet und sie im Stadtteil bekannt gemacht. Ich freue mich, dass sie mein Revier übernehmen wird.“

Polizei Harburg: Horst Niens ist es wichtig, dass „sein“ Heimfeld in gute Hände kommt

Sarah Röder werde auch die Polizei im Stadtteilbeirat Heimfeld vertreten, künftig werde man sich gemeinsam im Heimfelder Stadtteilverein einbringen. „Ich allerdings mehr im Hintergrund und beratend“, sagt Niens. Röder ist in Heimfeld längst keine Unbekannte mehr, sie war bereits bei mehreren Aktionen im Einsatz, zum Beispiel zur Trickbetrugsprävention in der Heimfelder Sparkassenfiliale im Mai 2023.

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„Als Horst Stadtteilpolizist wurde und den Stadtteil Heimfeld übernommen hat, haben wir immer rumgeflachst, dass ich ihn irgendwann beerben würde, wenn er mal in Pension geht. Für mich stand nämlich auch vor Jahren schon fest, wenn ich mal die Schicht verlasse, dann werde ich Stadtteilpolizistin!“, sagt Röder.

Ein Bürojob sei nichts für sie gewesen. „Ich brauche genau wie Horst auch den Kontakt zum Bürger“, sagt Sarah Röder über ihren Vorgänger. „Seit einem Jahr führt Horst mich nun schon in den Stadtteil ein, ihm ist es nämlich wirklich wichtig, dass Heimfeld in gute Hände kommt. Ich hoffe ich kann die großen Fußstapfen, die Horst mir hinterlassen hat, füllen. Ich werde mir auf jeden Fall alle Mühe geben“, so die Neue im Revier.