Harburg. Nach Hamburg kam der waschechte Berliner Alexander Klinnert der Liebe wegen. Nun wechselt er die Elbseite. Wie tickt der „Neue“ im Revier?

Seit bald sechs Monaten hat Harburg einen neuen Polizeichef: Im Februar löste Alexander Klinnert (44) seinen Vorgänger Dirk Noetzel als Kommissariatsleiter des Harburger Polizeireviers ab, der als Dozent an die Polizeiakademie wechselte.

Nachdem Alexander Klinnert nun im Hamburger Süden angekommen ist, folgte er der Einladung des Abendblatts. Und endlich kann sie beantwortet werden – die Frage, wie Harburgs „Neuer“ im Revier tickt, menschlich und beruflich.

Harburgs neuer Polizeichef: Vom Prenzlauer Berg der Liebe wegen nach Hamburg

Als Alexander Klinnert nach seinem Abitur in Berlin zur Hauptstadtpolizei ging, ahnte der Berliner Jung noch nicht, dass es ihn einmal nach Hamburg verschlagen würde. In der Hauptstadt absolvierte er zweieinhalb Jahre ein Studium zum Polizeikommissar. Doch schon 2005 zog es den damals 25-jährigen ambitionierten Polizisten der Liebe wegen nach Hamburg.

„Harburg und Wilhelmsburg sind Gebiete mit großen Herausforderungen, aber auch mit viel Potenzial.“

Alexander Klinnert
Leiter des Harburger Polizeireviers

„Meine erste Station bei der Hamburger Polizei in Winterhude am PK 33 war für mich so etwas wie ein Kulturschock. Ich bin im Stadtbezirk Prenzlauer Berg aufgewachsen und habe zweieinhalb Jahre in Berlin-Kreuzberg, Neukölln und Friedrichshain als Polizeibeamter gearbeitet, das war mit Winterhude nicht vergleichbar“, sagt Klinnert heute. Dennoch sei Winterhude ein guter Ort gewesen, um die Hamburger Polizei kennenzulernen.

Von Berlin an die Elbe: Revierleiter begann als Bereitschaftspolizist

Dort blieb er bis 2007 und wechselte dann zur Landesbereitschaftspolizei in die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit, kurz BFE. Hier verbrachte er immerhin acht Jahre und stieg in der Zeit zum Zugführer auf. „Durch viele Einsätze lernte ich die Stadt gut kennen, auch in Harburg sowie im Hamburger Süden waren wir mehrfach tätig. Diese Zeit hat mich sehr geprägt“, sagt Alexander Klinnert.

Danach ging der heute 44-Jährige kurz ans PK 41 nach Hamm und sammelte weitere Erfahrungen als Dienstgruppenleiter. 2016 begann für ihn dann das Studium für den höheren Polizeidienst, das er erfolgreich abschloss und ihn – nach einer kurzen Dienstzeit 2018 als Stabsleiter der Wache in Wandsbek – Ende 2019 ins Polizeipräsidium nach Alsterdorf führte.

Halloween-Randale am Harburger Ring: Anders als in den Vorjahren blieb es 2023 weitgehend ruhig – für Alexander Klinnert waren dafür mehrere Faktoren ausschlaggebend.
Halloween-Randale am Harburger Ring: Anders als in den Vorjahren blieb es 2023 weitgehend ruhig – für Alexander Klinnert waren dafür mehrere Faktoren ausschlaggebend. © Andre Lenthe Fotografie | Andre Lenthe Fotografie

Hier besetzte er mehrere Stellen im Fachstab der Schutzpolizei und prägte unter anderem die Einsatzkonzeption der Polizei auch in der Coronazeit maßgeblich mit. Dafür erarbeitete Klinnert gemeinsam mit dem ehemaligen Leiter des Harburger Gesundheitsamtes das Konzept der beschleunigten Teststrecke für Polizei- und Feuerwehrbeamte.

Polizeichef kannte Harburg nur von Einsätzen

„Privat kannte ich Harburg kaum“, so der neue Kommissariatsleiter. Bisher war der verheiratete Familienvater von drei Kindern in Poppenbüttel und Rahlstedt zu Hause. In Rahlstedt übernahm er auch 2022 die Kommissariatsleitung des PK 38, wo er bis Ende Januar 2024 sein Einsatzgebiet hatte.

Seit Februar ist er nun Regionalleiter für Hamburgs Süden und nur noch selten, wie kürzlich bei der Fußball-EM, als Führer der Alarmhundertschaften im Norden Hamburgs unterwegs.

Jedes Revier hat seine eigene Kultur – auch Harburg

„Das war schon besonders hier in Harburg“, sagt Harburgs Polizeichef über seine ersten Monate und meint dies durchaus positiv. Jedes Revier und auch die Bezirke hätten ein stückweit ihre eigene Kultur. Und natürlich sind die Bürgerinnen und Bürger prägend für jedes Polizeirevier, ist Klinnert überzeugt.

Regelmäßig finden in Harburg und Wilhelmsburg Kontrollen der Arbeitsrate Illegales Glücksspiel statt.
Regelmäßig finden in Harburg und Wilhelmsburg Kontrollen der Arbeitsrate Illegales Glücksspiel statt. © HA | Lenthe-Medien

Für den neuen Revierleiter sei es wichtig gewesen, zunächst seine Kolleginnen und Kollegen auf den Süderelbe-Wachen, die Bezirksamtsleiterin und die verschiedenen Akteure im Bezirk kennenzulernen. Erst in der vergangenen Woche nahm er persönlich an einer Kontrolle der Arbeitsrate Illegales Glücksspiel teil.

Harburg und Wilhelmsburg: Gebiete mit viel Potenzial

„Der Bezirk Harburg, auch Wilhelmsburg, sind Gebiete mit großen Herausforderungen, aber auch mit viel Potenzial“, sagt Klinnert und freut sich sichtlich auf sein neues Aufgabenfeld. Man merke, dass viele Menschen daran arbeiten, Harburg attraktiv zu machen und dafür an einem Strang ziehen.

So sei es ein großer Erfolg gewesen, dass eine Immobilie wie Karstadt gekauft und zu einem Anziehungspunkt ausgebaut werden soll. „Häufig ist eben eher die Politik gefragt als die Polizei“, merkt er an. Auch die geplante örtliche Verlegung der Drogeneinrichtung Abrigado vom Schwarzenberg an die Cuxhavener Straße sei so ein Erfolg, der politisch durchgesetzt wurde.

„Drogenabhängige kann man nicht einfach verdrängen oder wegsperren“

Sein Augenmerk gilt klar der Quartiersentwicklung. „Wir als Polizei engagieren uns tagtäglich, dass sich keine neuen Hotspot-Ecken für den Drogenhandel etablieren“, sagt Klinnertund ist zuversichtlich: Die Polizei sieht er in diesem Bereich gut aufgestellt.

Die Drogenhilfseinrichtung befindet sich derzeit noch auf dem Schwarzenberg.
Die Drogenhilfseinrichtung befindet sich derzeit noch auf dem Schwarzenberg. © xl | Lars Hansen

Für ihn gehören Drogenabhängige auch zum Bild einer Großstadt dazu, die man nicht einfach verdrängen oder einsperren könne. Es ginge mehr darum, die Auswüchse in den Griff zu bekommen und ins Gespräch beispielsweise mit der Drogenhilfseinrichtung zu kommen.

Randale zu Halloween: Es gilt, die Moscheegemeinden einzubeziehen

Ein Konzept, auf das Klinnert offenbar auch zu Halloween setzt. „Wir sind mit den Jugendeinrichtungen im Gespräch und arbeiten in diesem Jahr an einem dezentralen Konzept.“ Wie schon erfolgreich zu Silvester umgesetzt, wolle man wieder die religiösen Gemeinden mit einbeziehen.

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Es waren die Imame der Moscheegemeinden gewesen, die zum Jahreswechsel die Jugendlichen in ihren Predigten zum offenen Gewaltverzicht aufriefen – mit Erfolg. In der Silvesternacht 2023/24 blieb es am Harburger Ring weitgehend friedlich.

Nachbarschaftliches Engagement mit Polizeiarbeit flankieren

Selbst im Phoenix-Viertel und im Neugrabener Bahnhofsumfeld sei es mit großem nachbarschaftlichem Engagement und einer sichtbaren Polizeipräsenz gelungen, die Lage weitestgehend ruhig zu halten.

„Ich setze darauf, dass in diesem vielfältigen Bezirk miteinander gesprochen wird und die Initiativen im Stadtteil, die Bezirkspolitik und Verwaltung sprechen, um Harburg gemeinsam nach vorne zu bringen. Wir als Polizei leisten an dieser Entwicklung unseren Beitrag“, so Alexander Klinnert abschließend.