Hamburg. „Zerbrochene Raute im Herzen“: Nach der Ultra-Choreo am 25. Februar hat sich Gewerkschaftsboss Horst Niens geschockt vom Verein abgewendet.
In der Westkurve sei er groß geworden, sagt der Hamburger Polizeigewerkschafter Horst Niens. In der Westkurve des Volksparkstadions, beim HSV – seinem HSV. Zum ersten Mal war er mit 14 Jahren alleine dort. Seine Oma hatte ihm damals einen „Heiermann“, 5 D-Mark, für ein Stehplatz-Ticket in die Hand gedrückt. Was war das schön!
Für Niens gab es seither „nur den HSV“, die Liebe zur Raute überstand alle sportlichen Auf und Abs, was nicht wenig ist, zumal Liebe und Leid beim HSV traditionell Hand in Hand gehen. Niens trat vor mehr als 20 Jahren sogar in den Verein ein. Der Hamburger Jung und der Hamburger Sport-Verein – es war ein unkaputtbares Band, geknüpft für ein ganzes Leben.
Wegen Polizei-Hass: Hamburger Gewerkschaftsboss kehrt dem HSV den Rücken
Doch jetzt ist das Band gerissen, und zwar schlagartig. Am 26. Februar tippte der Hamburger Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP, rund 4100 Mitglieder in Hamburg) mit vor Wut zitternden Fingern auf seinem iPhone eine E-Mail an den HSV: „Mit einer zerbrochenen Raute im Herzen“, heißt es da – so pathetisch wie authentisch –, „kündige ich hiermit meine Mitgliedschaft“. Er sei „in der Vergangenheit stolz gewesen, HSV-Mitglied und Polizeibeamter sein zu können!“ In der Vergangenheit!
Einmal HSV, immer HSV. Oder auch nicht. Anlass für Niens‘ heftige Reaktion waren die jüngsten Vorkommnisse im Stadion, genauer: die extrem polizeifeindlichen Aktionen. So war während des Heimspiels gegen Elversberg am 25. Februar bei einer Choreografie der Ultras auf einer Blockfahne „ACAB“ (All Cops are bastards) und auf zwei Bannern zu lesen: „Niemals Freund, niemals Helfer. Ganz Hamburg hasst die Polizei“. Derlei Parolen kennt man am Volkspark nicht. Dazu war auch noch eine Fahne zu sehen mit einem Polizeihelm, aus dessen zersplittertem Visier Blut floss. Doch statt sofort „klare Kante“ zu zeigen, sei der Verein „komplett untätig“ geblieben und habe sich in Schweigen gehüllt, sagt Niens. „Das hat mich tierisch geärgert.“
HSV: Polizei-Hass im Stadion für Hamburger Gewerkschaftschef Horst Niens „unerträglich“
Horst Niens ist seit 39 Jahren Schutzmann bei der Hamburger Polizei. Der Topgewerkschafter hat unter anderem als Zivilfahnder gearbeitet, bis zu seiner Pensionierung in sechs Monaten ist er als bürgernaher Beamter im Einsatz. Einen Tag nach dem Spiel gegen Elversberg – beim HSV herrschte noch immer Funkstille, bei Niens weiter Wut – sei er auf der Streife in Harburg einem Mann mit HSV-Mütze begegnet. „Da ruft der mir zu: Ganz Hamburg hasst die Polizei.“ Für ihn sei das ein Schlüsselmoment gewesen. „Wenn mein Verein so etwas vorlebt, dann ist für mich die Schwelle mehr als überschritten“, sagt Niens. Deshalb habe er seine Mitgliedschaft nach mehr als 20 Jahren gekündigt. Viele Ehen halten nicht mal halb so lange.
„Was ich am Sonntag ertragen musste, war für mich befremdlich, ein solch ausgeprägter Hass, gepaart mit einer Vereinsführung, die sich hiervon nicht distanziert, ist unerträglich!“, schreibt Niens in seiner Mail. Und weiter: „Wie stellt sich der HSV-Vorstand denn zukünftige Risikospiele vor? Bereits vorher die offene Feindschaft zu Sicherheitskräften propagieren und Krawalle unterstützen?“
Kontrolle von HSV-Fans nach Spiel in Rostock als Ausgangspunkt
Erst Stunden darauf, nachdem der politische Druck auf den HSV bereits enorm gestiegen sei, habe sich der Verein von den polizeifeindlichen Fan-Aktionen distanziert. Viel zu spät, findet Niens. Am Nachmittag schickt ihm der HSV noch eine Antwortmail, die klingt wie aus der Konserve und die einen Link zur gerade veröffentlichten Stellungnahme enthält. „Bei weiteren Fragen melde dich gern erneut bei uns.“ Fragen hat Niens nach dem „skandalösen Umgang mit offenem Polizei-Hass“ im Stadion viele – nur hat er keine Hoffnung, eine ernsthafte Antwort darauf zu bekommen.
Was dem einen zu wenig, ist dem anderen zu viel. Viele Fans sehen es genau andersherum und werfen dem HSV vor, sich mit seiner Haltung bei der Polizei anzubiedern und den Ultras in den Rücken zu fallen. Hintergrund des Konflikts: Etwa 850 Fans waren nach dem Spiel gegen Rostock Mitte Februar in einem Zug am Bahnhof Bergedorf von Bundespolizisten sechs Stunden lang kontrolliert worden. Die Beamten suchten rund 30 HSV-Gewalttäter. Politiker, Betroffene und der HSV stellten danach die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes infrage, zumal in dem Zug Hunderte unschuldige Fans gesessen hätten.
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Die Eskalation folgte dann beim Spiel gegen Elversberg mit der Banner-Choreo der Ultras. Am vergangenen Sonntag, beim 1:2 gegen Osnabrück, heizten sie den Konflikt mit der Polizei weiter an, indem sie im Stadion ein Polizei-Uniformhemd verbrannten. Aktuell laufen im Zusammenhang mit der Helm-Fahne und dem verbrannten Hemd polizeiliche Ermittlungen wegen des Verdachts des „öffentlichen Aufforderns zu Straftaten“.
Fortsetzung folgt.