Maschen. Rasantes Stück stammt von Satiremeister Mel Brooks. Unter neuer Leitung wagt The Musical Company die Kombination aus Humor und Hitler.
- The Musical Company zeigt „The Producers“ in der Burg Seevetal
- Hitler-Satire vom Broadway ist überspitzt: Lachen bleibt im Hals stecken
- Neue Doppelspitze der Company will damit klares Zeichen setzen
Die Hände fliegen in Wellenbewegungen durch die Luft, zeichnen große Bögen, flattern hin und her, imitieren ein Gewehr. Peng! Regisseurin Antje Schlaich hat die Szenen von „The Producers“ im Kopf, jetzt will sie diese Bilder auch den knapp 30 Darstellern vermitteln, die sich hier im Studio in Maschen versammelt haben. In wenigen Wochen werden sie ein neues Musical auf die Bühne der Burg Seevetal bringen.
The Musical Company – kurz: TMC – ist eine Institution in Seevetal, hier singen, tanzen und schauspielern Dutzende Menschen zusammen, die verschiedener nicht sein könnten. Kinder sind dabei und Rentner, Männer, Frauen und Jugendliche, Anfänger genauso wie angehende und ehemalige Profis aus der Musicalbranche. Einige von ihnen bevorzugen die leisen Rollen, andere den ganz großen Auftritt.
Broadway-Stück in der Burg Seevetal: Neustart für The Musical Company
„Wir schließen niemanden aus“, sagt Antje Schlaich. Die gelernte Schauspielerin hat seit einem Jahr die künstlerische Leitung inne, für die kaufmännische Leitung ist Pia Metzing zuständig. So könne sich jeder auf seine Aufgaben konzentrieren, sagt die Kulturmanagerin. „Wir sind Sparringspartner.“
Übernommen hat das Duo die Musical Company von ihrem Vorgänger Pascal F. Skuppe, der sie aufgebaut und groß gemacht hat. Die Corona-Pandemie hatte der gemeinnützigen Gesellschaft jedoch einen schweren Dämpfer verpasst.
Jetzt soll die „Company“, wie Antje Schlaich sie nennt, mit der neuen Doppelspitze wieder auf Erfolgskurs gesteuert werden. Ausgewählt hat sie dafür ein Stück, das echtes Broadway-Gefühl verspricht – und an zentraler Stelle von Hitler und begeisterten Menschenmassen handelt. Die Großproduktion „The Producers“ kommt Ende Oktober in der Burg Seevetal zur Aufführung.
Musical von Mel Brooks: 30 Darsteller singen „Frühling für Hitler“
An diesem Donnerstag im August ist Tutti-Probe. Im Musicalstudio in Maschen sind die allermeisten Darsteller zusammengekommen, um das bisher Geprobte zusammenzubringen. „Frühling für Hitler“ schallt es mehrstimmig durch den Raum. Auch jetzt am Abend ist es noch warm. Die Sänger und Sängerinnen wippen in Jeans und T-Shirts im Takt der Musik, zwischen ihnen eine Frau mit Federboa und ein junger Mann in Uniform, jemand fächert sich mit einem Notenheft frische Luft zu.
„Es ist schön zu sehen, wie auch zurückhaltende Darsteller mit der Zeit viel selbstbewusster werden.“
Die schwarzen Wände werden durch den Baustrahler erhellt, den die musikalische Leiterin Jana Gugenheimer neben ihrem E-Piano angeknipst hat. „Juhuhu“ und „Dadada“ erklingt es zum Einsingen, dann stimmt die Gruppe „Frühling für Hitler“ an. Mit der ersten Version des Liedes ist sie nicht zufrieden, die lange Ferienpause hat Spuren hinterlassen. „Wenn das so schräg klingt, ist das nicht gut. Also übt bitte, bitte!“
Bei der Musical Company proben Laien und Profis gemeinsam
Der Anspruch an der TMC ist hoch, an die Laien genauso wie an die ausgebildeten Darsteller. „Wir wollen jeden auf ein Level stellen, von dem aus er sich weiter entwickeln kann“, sagt Antje Schlaich. Das ziele nicht nur auf die künstlerische Entwicklung. „Es ist schön zu sehen, wie auch zurückhaltende Darsteller mit der Zeit viel selbstbewusster werden.“
Angeleitet werden sie von professionellen Dozenten, der Unterricht läuft über die Musikschule Seevetal. „Wir sind echt glücklich über die gute Zusammenarbeit“, betont Antje Schlaich. Wer mitmachen will, kann sich zum Beispiel für eines der Showprojekte vorstellen, für die jeweils ein Ensemble zusammengestellt wird.
Neues Angebot: In Open Classes wird wöchentlich geprobt – ohne Aufführung
Neben der Hauptproduktion werden kleinere Stücke einstudiert und im Maschener Studio aufgeführt. Das Schauspiel „Ladies Night“ und der szenische Liederabend „Sekretärinnen“ sollen, so der Plan der neuen Chefinnen, in den kommenden Jahren immer wieder auf dem Spielplan stehen.
Seit Anfang des Jahres bietet die Company zudem Open Classes an, ein wöchentliches Training in Gesang, Tanz oder Schauspiel, das jedem offensteht. Das Leitungsduo will damit auch neue Menschen für die Company gewinnen, ohne den Druck einer Aufführung. Das Angebot wird durch Bundesmittel gefördert. Zwar ist das Unternehmen gemeinnützig ausgerichtet und strebt keinen Gewinn an. Doch die Zahlen müssen stimmen, damit das gut funktionierende System weiter laufen kann.
Pia Metzing wirb Fördergelder für das gemeinnützige Unternehmen ein
Deshalb kümmert sich nun Pia Metzing an einem Tag in der Woche darum, Fördergelder zu beantragen sowie Spender und Sponsoren zu gewinnen. Den Rest der Woche arbeitet sie für den Landesmusikrat in Hamburg. Antje Schlaich ist neben ihrem Job in Maschen unter anderem als Managerin des Hamburger „Heaven can wait“-Chors tätig.
Das neue Leitungsteam hat bereits die Musicals „Kinky Boots“ und „Sister Act“ maßgeblich verantwortet, die nun anstehende Großproduktion soll den Charakter des Broadway-Theaters der 50er-Jahre in die Burg Seevetal bringen. „Glamour“, sagt Antje Schlaich. „So, wie man sich früher Musical vorgestellt hat.“ Inhaltlich birgt das Stück jedoch echte Überraschungen.
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Die Story ist kurios. „The Producers“, das sind Max Bialystock und Leo Bloom. Ihr Plan, das schlechteste Musical aller Zeit zu produzieren und sich nach der gefloppten Premiere mit dem Geld abzusetzen, scheitert: Das Stück, in dem Hitler eine kurze, aber tragende Rolle spielt, wird ein Riesenerfolg. Das Publikum feiert die missglückte Darstellung als große Satire.
„The Producers“: Antje Schlaich arbeitet mit Überhöhung und Humor
Das Stück passe in diese Zeit, meint Antje Schlaich. „Wir haben nach einer Möglichkeit gesucht, uns mit der Company gegen Rechts zu positionieren. Denn Theater darf nicht belanglos sein. Unsere Lösung ist nicht die Moralkeule, sondern der Humor.“ Und zwar ein spezieller Humor, das Stück stammt aus der Feder des US-amerikanischen Schauspielers, Regisseurs und Produzenten Mel Brooks.
Überhöhung ist wichtig in diesem Stück, die Satire soll unbedingt erkennbar sein. Ein Sturmtrupp-Mann sieht aus wie Barbies Ken, im Hintergrund erscheint eine schwarze Brezel auf weißem Grund und die Regisseurin denkt über Stahlhelm schwingende Tänzer nach.
Zudem hat sie einen Extra-Chor eingesetzt. Wenn auf der Bühne inbrünstig „Der Führer ist ein Motivierer“ geschmettert wird, reagieren diese Darsteller erst fassungslos, dann empört und schließlich doch begeistert. Wie sie das Beste aus den Männern in Uniformen herausholen, weiß Antje Schlaich noch nicht genau. „Aber ich fühl‘ das!“
Musical Company Seevetal: Hitler-Satire kommt im Oktober auf die Bühne
Ihr gefällt auch die Idee mit der Konfettikanone, sie wächst in ihrem Kopf, ihre Augen sind begeistert aufgerissen. Die Hände folgen der Vorstellung, öffnen sich mit gespreizten Fingern nach oben, die Explosion ist fast spürbar. Buff!
Dann rieseln die imaginären Schnipsel mit den Fingerspitzen langsam nach unten, die Regisseurin lässt sich zufrieden auf ihren Stuhl sinken. Die erste Tutti-Probe der neuen Musical-Company-Produktion läuft gut an.
„The Producers“ wird am 25., 26. und 27. Oktober in der Burg Seevetal in Hittfeld aufgeführt. Der Eintritt kostet ab 28 Euro, ermäßigt ab 20 Euro. Tickets gibt es in der Burg Seevetal (Telefon 04105/552365 oder -2368) und auf www.burg-seevetal.de oder www.themusicalcompany.de.