Neu Wulmstorf. Früher gab es klebrige Kaugummis an der Straßenecke. Heute stehen an vielen Orten Automaten mit wirklich spannendem Inhalt. Wir sagen, wo.

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Kalte Getränke und Schokoriegel, frisches Fleisch, Eier und sogar frisch gebackene Pizza gibt es mittlerweile aus dem Automaten. Sie haben den Vorteil, kein Verkaufspersonal zu benötigen. Trotzdem sind sie rund um die Uhr geöffnet. Vor einigen Jahren waren Automaten fast komplett aus dem Straßenbild verschwunden. Jetzt feiern sie im Bezirk Harburg und Landkreis Harburg ein gewaltiges Comeback.

Das Comeback der Automaten in Harburg und im Umland scheint nicht aufzuhalten

Viele Generationen haben als Kinder ihren Kaugummiautomaten am Straßenrand geliebt: Zehn Pfennig in den roten Kasten stecken, am schwarzen Griff drehen, die Hand unter den Ausgabeschacht halten – und schon rollen einige Kaugummikugeln in die offene Hand. In den 1980er-Jahren kamen dann Flummis und Plastikringe für 50 Pfennig hinzu.

Timo Feddersen, Automatenparadies Neu Wulmstorf
Vier große Kisten füllt Timo Feddersen alle zwei Tage nach. Das Geschäft mit den Automaten boomt. © LENTHE-MEDIEN | LENTHE-MEDIEN

Die nächste Entwicklungsstufe: Nachtschwärmer denken mit großer Dankbarkeit an Kondom- oder Zigarettenautomaten zurück, die nach langen Nächten zum Lebensretter wurden. Snackautomaten mit Schokoriegeln und kalten Getränken standen vor allem an Bahnhöfen.

Doch mit der Euro-Einführung und dem über die Jahre immer weiter verschärften Jugendschutzgesetz sind in den vergangenen 25 Jahren viele Automaten aus dem öffentlichen Raum verschwunden.

Personalmangel und die Folgen: Automaten ersetzen stationären Handel

Nun sind die Automaten zurück – und auf dem besten Weg, in den ländlichen Regionen, aber auch in Harburg, den Nahversorgungsmangel zu beheben. Sie sind zur ernstzunehmenden Alternative zum Kiosk, Hofladen, Fleischer oder sogar zur Pizzeria um die Ecke geworden.

Am Kreisel am Ehestorfer Weg verkauft das Landwirschaftsunternehmen La Schrö Bio-Eier, Milch und Eis. Hamburg, der 12.08.2024
Am Kreisel am Ehestorfer Weg verkauft das Landwirschaftsunternehmen La Schrö Bio-Eier, Milch und Eis. © LENTHE-MEDIEN | LENTHE-MEDIEN

Ihr Angebot wird immer vielfältiger. An Orten, wo der letzte Schlachter vor einiger Zeit geschlossen hat, versorgt der Automat nun – ohne Ladengeschäft und Personal – spontane Grillgesellschaften mit frischem Fleisch und Würstchen und ist darüber hinaus an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr geöffnet.

In der Bahnhofstraße in Neu Wulmstorf eröffnete kürzlich ein Ladengeschäft, in dem ausschließlich Automaten zu finden sind. Personal ist lediglich zum Auffüllen, zur Reinigung und Wartung vor Ort.

In Neu Wulmstorf entstand der erste echte Automatenladen

Seit Ende April hat dieses Automatenparadies in Neu Wulmstorf geöffnet. Gründer des Familienunternehmens ist Timo Feddersen aus Hamburg. „Ich habe meinen Vater eingestellt. Er wohnt in Harburg und kümmert sich dreimal in der Woche um die Automaten und die Sauberkeit, die uns sehr wichtig ist“, erzählt der 38-Jährige.

Timo Feddersen, Automatenparadies Neu Wulmstorf
Jelly Straws aus Taiwan, Coca-Cola aus Japan und viele andere importierte Getränke und Süßwaren: Timo Feddersen in seinem Automatenparadies. © LENTHE-MEDIEN | LENTHE-MEDIEN

Timo Feddersen selbst ist zweimal pro Woche vor Ort und kümmert sich um das Geschäft, in dem nie ein Verkaufsmitarbeiter zu finden ist und das niemals schließt.

„Durch Zufall bin ich zum Automatengeschäft gekommen. Ich hatte eigentlich eine Frage zu meinem Bootsführerschein, den ich kürzlich gemacht habe. Dann bin ich bei YouTube auf einen interessanten Beitrag über Automaten gestoßen“, so der 38-jährige Hamburger.

Timo Feddersen, Automatenparadies Neu Wulmstorf
Besonders bei Kindern beliebt der Greifautomat. „Anders als auf dem Dom kann man solange spielen, bis man gewinnt,“ sagt Timo Feddersen. © LENTHE-MEDIEN | LENTHE-MEDIEN

Bald machte er sich an die Umsetzung. In seinem Automatenkiosk in unmittelbarer Nähe zu Bahnhof und Schulzentrum von Neu Wulmstorf stehen mehrere Snack- und Getränkeautomaten, ein Kaffeeautomat, ein Zigarettenautomat und ein Greifer. Wie auf dem Dom – nur dass man hier immer gewinnt.

Standort zwischen Bahnhof und Schulzentrum in Neu Wulmstorf ist perfekt gewählt

„Der Greifer ist vor allem bei Kindern sehr beliebt. Sonst kommen aber sehr unterschiedliche Kundengruppen in unseren Kiosk“, erklärt Feddersen. Je nach Uhrzeit und Wetter variiert der Kundenkreis. Am frühen Morgen kommen Berufspendler, um sich ihren Kaffee zu ziehen, zu den Schulzeiten viele Jugendliche, die sich mit Snacks versorgen, und am späten Abend die Partybummler für ein Bierchen zum Abschluss.

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Am Wochenende kämen ganze Familien, eigentlich sei immer etwas los. „Und wenn mal nichts los ist, dann ist es auch nicht schlimm. Wir haben kein Personal im Laden und daher wenig Kosten“, so der Betreiber.

Getränke aus Japan und Süßigkeiten aus den USA beliebt bei Jugendlichen

„Wir sind zwar teurer als Edeka, aber günstiger als die Tanke. Dazu haben wir Produkte, die man im stationären Handel in der Regel nicht findet“, erklärt der Jungunternehmer, der einen weiteren Automatenstandort in Fischbek betreibt. Ein Energydrink kostet bei ihm beispielsweise 2,50 Euro, eine japanische Import-Cola 4 Euro.

Im Automatenshop findet man fast alles von Hygieneprodukten, über heißen Kaffee und die Elektrozigarette, die klassische Tabakvariante, bis zum Kuscheltier, Schokoriegel und spanische Chips bis zu Softdrinks und alkoholische Getränke. Das Besondere: Viele der Süßigkeiten und Getränke sind aus Japan und den USA importiert; diese sind sonst nur im Internet über sogenannte Candyshops zu bestellen.

Standort und Angebot: Entscheidende Faktoren für den Erfolg

„Wichtig ist der Standort, dann kann man mit einem Automaten je nach Angebot zwischen 500 und 4000 Euro im Monat umsetzen“, erklärt Timo Feddersen, der beim Abendblatt-Termin vier große Kisten Warennachschub in den Laden schiebt.

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„Über eine App und Sensoren im Automaten wissen wir genau, was nachgefüllt werden muss und wie oft ein Artikel verkauft wurde.“ Das Automatengeschäft soll wachsen. „Wir suchen weitere Standorte von Harburg bis Stade und möchten Läden oder einen Quadratmeter Grundstücksfläche mieten“, erklärt Feddersen. „Dafür, dass wir unsere Automaten dort aufstellen dürfen, zahlen wir eine Stellplatzmiete.“

Automaten-Pioniere aus Ehestorf wollen auf dem Lande expandieren

Direkt am Kreisverkehr in Ehestorf (Gemeinde Rosengarten) steht am westlichen Ende des Ehestorfer Weges seit einigen Jahren ein Automatenparadies der landwirtschaftlichen Art. Die Inhaber Vitus Larak und Heiko Schröder sind Landwirte und haben sich am Kreisel eine kleine Erlebniswelt geschaffen.

Neben frischen Blumen zum Selbstschneiden laufen auf dem Grundstück rund 1500 Hühner umher. Vor den mobilen Hühnerställen steht eine große hölzerne Bank, von der aus vor allem Familien die Hühner beobachten, und ein kleiner roter umfunktionierter Kaugummiautomat mit Hühnerfutter. In einer am Wochenende geöffneten Holzbude gibt es Spargel, Erdbeeren und Kartoffeln je nach Jahreszeit.

Erfrischend: Eis aus dem Automaten an der Heimfelder Straße

Die mittlerweile vier Verkaufsautomaten bieten zahlreiche landschaftliche Produkte rund um die Uhr: vom hauseigenen Bio-Eis, über Eier der frei laufenden Hühner, bis zur Milch vom Hof in Vahrendorf und Wurst- und Grillwaren. Auch dieses Unternehmen hat mehrere Außenstellen, beispielsweise in Nenndorf.

Dort ziehen die Automaten in der kommenden Woche von der Bremer Straße in die Nähe des Kreisels am Einkaufszentrum um. Eis aus dem Automaten gibt es auch an der Heimfelder Straße am Schützenplatz in Heimfeld. Weitere Automatenstandorte seien bereits in Planung, berichten die Betreiber.

Grillfleisch am Straßenrand: Automat wartet in Helmstorf auf Kunden

Egal wo man genau hinschaut, überall stehen mittlerweile Vending-Automaten. So steht in Helmstorf (Gemeinde Seevetal) beispielsweise ein Automat mit frischem Fleisch vom Schlachter.

Grillfleisch, Würstchen und Aufschnitt in Helmstorf steht eine 24/7 Fleischtheke direkt an der Helmstorfer Straße.
Grillfleisch, Würstchen und Aufschnitt: In Helmstorf steht eine 24/7 Fleischtheke direkt an der Helmstorfer Straße. © LENTHE-MEDIEN | LENTHE-MEDIEN

Dort gibt es im Regiomat neben verschiedenen marinierten Grillfleischsorten auch Würstchen, Schinken und Einhorn-Mortadella von einem Schlachter aus Eddelsen. Der Automat ist ein großer vollautomatisierter Kühlschrank mit mehreren Frischeprodukten und somit eine 24/7-Fleischtheke.

Automaten in Neuenfelde mit frischem Obst und Eien aus dem Alten Land

Im Alten Land gibt es mehrere Automaten mit Äpfeln, Apfelsaft, Kartoffeln und Zwetschgen. Aber auch Kirschen und Erdbeeren sind in Europas größtem Obstanbaugebiet erhältlich, zum Beispiel an der Hohenwischer Straße 107 auf dem Obsthof Harms oder am Marschkamper Deich 77 in Neuenfelde. Dort steht eine Früchtetankstelle am Obsthof Diercks in direkter Nähe zum Automaten von Dirk Meyer und seinem Apfelgarten.

In Francop auf dem Obsthof Harms an der Hohenwischer Straße steht ein 24h Äpfe & Co Automat.
In Francop auf dem Obsthof Harms an der Hohenwischer Straße steht ein Verkaufsautomat für Früchte oder Säfte. © LENTHE-MEDIEN | LENTHE-MEDIEN

Auch klassische Snackautomaten mit gekühlten Getränken und Schokoriegeln gibt es mittlerweile wieder an vielen Orten: von der Neuenfelder Futterklappe und Ehestorf, gegenüber neben der Hafenkiste, bis in die Stadt hinein, beispielsweise direkt am Waschcenter an der Denickestraße.

Der Trend zum Verkaufsautomaten hält an – verständlicherweise, immer mehr Nahversorger ziehen sich schließlich aus Wohngegenden zurück. Die Automaten schließen eine Lücke – und wachsen mit dem allgemeinen Bedarf. Eine Gesamtübersicht sucht man leider vergeblich.

Snackautomaten wie dieser in der Denickestraße in Eißendorf an einem Waschcenter gehören mittlerweile zum Straßenbild.
Snackautomaten wie dieser in der Denickestraße in Eißendorf an einem Waschcenter gehören mittlerweile zum Straßenbild. © LENTHE-MEDIEN | LENTHE-MEDIEN

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Wohin der Automaten-Hype führen kann, macht ein Blick in die Großstädte deutlich. „Es wird nicht mehr lange dauern, bis die ersten Automaten mit Mystery-Boxen auch im Süden stehen“, prognostizieren lokale Experten. Auch wenn es vor vielen Jahren bereits einen Pizza-Automaten am S-Bahnhof Neugraben gab und dieser sang- und klanglos wieder verschwand: In Hamburg-Hamm und Hammerbrook feiern die rechteckigen Pizzerien gerade ihr viel beachtetes Comeback. In vier Minuten ist die Wunschpizza fertig gebacken.

Neuer Trend: Secret-Pack-Automaten schießen aus dem Boden

Ebenfalls neu in Hamburg ist der erste Secret-Packs-Automat. Auch in Honerdingen bei Walsrode direkt an der B209 steht am Landgasthaus Voltmer bereits ein Automat mit sogenannten Mystery-Packs. Hier kauft der Kunde wortwörtlich die Katze im Sack, oder besser im Beutel. Die Automatenbeschicker füllen die Verkaufskisten häufig mit Retouren aus dem Versandhandel.

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Mutige kaufen dann die großen und kleinen Beutel für kleines Geld und hoffen darauf, den großen Wurf zu machen. Ist eher ein Gag, der meistens vier bis sechs Euro kostet. Die Erfahrung zeigt, dass man die Gegenstände häufig auch nicht gebrauchen kann. Instagram und TikTok-Videos beweisen allerdings, dass Käuferinnen und Käufer mit ihren Mystery-Boxen zumindest viel Spaß haben.