Harburg. Wirtschaftwunder, made in Harburg: Historische Fotos erzählen von der Arbeit im Binnenhafen in den 50er-Jahren – unbedingt ansehen!
- Gemeinsam mit der TU Hamburg (TUHH) treibt der Harburger Binnenhafen maßgeblich die Entwicklung des Bezirks im Hamburger Süden voran
- Das war schon eimmal so: In den 1950er-Jahren trug der Binnenhafen zum deutschen Wirtschaftswunder bei
- Dieser Zeit widmet sich nun eine besondere Kunstaktion
Arbeiter entladen Säcke mit Ölsaaten, Getreide oder Futtermittel am Westlichen Bahnhofskanal, um sie in den Hafenspeichern einzulagern. Dieses Bild war in den 1950er-Jahren im Harburger Binnenhafen noch alltäglich. Nachdem die verheerenden Kriegsschäden grob beseitigt waren, war Harburg und sein Binnenhafen ein Teil des deutschen Wirtschaftswunders.
In den 1960er- und 70er-Jahren verlagerten die Betriebe ihre Produktionsstätten mehr und mehr aus dem Binnenhafen. Was blieb, sind imposante Backsteingebäude. Der Hamburger Architekt und Künstler Werner Krömeke zeigt mit historischen Fotos das geschäftige Treiben, das dort einst herrschte.
Binnenhafen Harburg: Eintauchen in die Geschichte der 1950er-Jahre
Sein neuestes Werk schmückt die sanierte Kaimauer unterhalb des alten Brückenwärterhauses am Westlichen Bahnhofskanal. Das Bild zeigt Hafenarbeiter, die in Säcken verladene Futtermittel für das Unternehmen A. Andreas Hansen bemustern – zu lesen auf dem Anleger am Kai.
Zwei weitere Installationen hatte Krömeke an Industriedenkmälern in der Nachbarschaft angebracht. Beide sind heute nicht mehr oder nur noch teilweise vorhanden. Nun ist der „Baukünstler“ dabei, seine „Fenster in die Geschichte“, die Einblicke in die Arbeitswelten des Binnenhafens, neu zu gestalten.
Fotos am historischen Ort machen vergangene Zeiten lebendig
„Die Leute laufen an den Industriedenkmälern achtlos vorbei, weil der spannende Hintergrund der Gebäude nicht ersichtlich ist“, sagt Krömeke. „Die Installationen der historischen Aufnahmen von Arbeitern im Hafen, möglichst in Lebensgröße, wecken Interesse für das, was einmal war.“ Und machen die alten Zeiten wieder lebendig. In Zusammenarbeit mit der Geschichtswerkstatt und dem Stadtmuseum Harburg sucht Krömeke nach Gebäuden, die sich dafür eignen. Im zweiten Schritt dann nach historischen Fotos, die die Hafenarbeit exakt an diesen Orten abbilden.
Die frisch gestaltete Kaimauer macht da eine kleine Ausnahme. Sie ist nur 1,20 Meter hoch und fällt ab, sodass lebensgroße Darstellungen nicht möglich sind. Gegenüber am Fleethaus hing bis zum Sommer 2022 die wohl bekannteste Krömeke-Installation: ein sechs Meter breites und 18 Meter hohes Geschichtsfenster aus mehreren auf Aluverbundplatten gedruckten historischen Bildern. Oberhalb der Wasserlinie waren Hafenarbeiter im Boot zu sehen, weiter oben Arbeiter in den Speicherböden, die die hochgehievten Säcke annehmen.
Alte Fotos mit Wiedererkennungswert: „Das ist doch mein Opa!“
Werner Krömeke hatte die Bilder 2016 montiert. Sie mussten aufwendigen Sanierungsarbeiten an der Fassade weichen und wurden zum Schutz der betagten, empfindlichen Backsteinwand nicht wieder angebracht. Heute sind sie eingelagert und warten auf ihren neuen Auftritt im Binnenhafen.
Ebenfalls am Westlichen Bahnhofskanal, an der Kaimauer und der Fassade des Palmspeichers, entstand vor zehn Jahren das erste Bild im Binnenhafen. Die Hauptszene im Erdgeschoss hatte Krömeke damals anhand einer historischen Vorlage in seinem „Baukunststudio“ in Winterhude gemalt. „Heute arbeite ich nur noch mit Originalfotos auf Alu Dibond Platten. Die Platten sind widerstandsfähig und abwaschbar, und die dargestellten Menschen authentisch, wiedererkennbar.“ Bei einem Projekt in Stade sei einmal ein zehnjähriger Junge stehen geblieben und habe begeistert gerufen: „Das ist doch mein Opa!“
Am Palmspeicher ließ eine Kaisanierung sieben Arbeiter verschwinden
Die Fotos arbeitet Krömeke in seinem Atelier auf. „Oftmals haben sie eine niedrige Auflösung“, sagt er. Mit viel Aufwand werden aus verschwommenen Vorlagen gestochen scharfe Schwarz-Weiß-Szenen. Die fehlende Farbigkeit weckt die Assoziation von alten Fotografien und führt außerdem dazu, dass die Bilder die Backsteinfassaden nicht überstrahlen. An 15 Orten in Deutschland sind solch historischen Szenen inzwischen zu betrachten.
Sein Erstlingswerk im Binnenhafen fiel, wie die Installation am Fleethaus, einer Sanierung zum Opfer: Beim Palmspeicher musste die Kaimauer hergerichtet werden. Deshalb ist aktuell nur noch der obere Teil des Werkes zu sehen. Die angelandeten Säcke mit Ölsaaten und sieben fleißige Arbeiter sind verschollen. Sie sollen jetzt wieder ihren Auftritt bekommen, diesmal auf dem aufbereiteten Originalfoto. „Ich bin mit dem Hauseigentümer in guten Gesprächen. Eventuell ist aber ein Bauantrag nötig“, so Krömeke.
Fotografischer Blick auf den Bahnhofskanal vor 70 Jahren
Der Baukunst-Experte plant noch ein drittes Motiv, direkt am Brückenwärterhaus am südlichen Kanalplatz. Von dort aus wurde und wird die Klappbrücke über den Westlichen Bahnhofskanal gesteuert. An dem alten Gebäude möchte Werner Krömeke einen fotografischen Blick auf den Kanal anno 1955 installieren. Mit geöffneter Klappbrücke. „Durch den ständigen Verkehr von Saaten und Fässern im Westlichen Bahnhofskanal wurde die Brücke wiederholt geöffnet“, steht auf dem Entwurf einer ergänzenden Tafel, die die Szenerie erklärt.
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Straßenbahnen stauten sich vor der oft aufgeklappte Brücke am Kanalplatz
Die Infotafel erzählt nicht nur von der Welt des florierenden Binnenhafens, sondern auch von einem beliebten, 1971 in Harburg abgeschafften Verkehrsmittel: „Nicht selten standen sechs oder sieben Straßenbahnen hintereinander vor der hochgeklappten Brücke.“ Für diese Installation will Krömeke bald den Bauantrag stellen – zunächst hatten ein Projekt in Kiel und die Arbeiten an der nun fertiggestellten Installation an der Kaimauer Vorrang.
Beim Brückenwärterhäuschen haben die Passanten die Bilder direkt vor Augen. Das hat Vorteile, aber auch den Nachteil, dass die Aluverbundplatten leicht zu beschmieren und beschädigen sind. Das würde Mehrarbeit für den Baukünstler bedeuten, denn Krömeke ist verpflichtet, seine Installationen in einem guten Zustand zu erhalten. Er nimmt das auf sich, weil ihn die Hafengeschichte fasziniert, wie er sagt. Schließlich habe er Kunstgeschichte studiert und sich immer für die Vergangenheit interessiert.
Harburger Binnenhafen: Einblicke in die vergangene Arbeitswelt kosten 14.000 Euro
Die drei Installationen am Westlichen Bahnhofskanal werden vom Bezirksamt Harburg, der Integrierten Stadtteilentwicklung der Stadt und der Städtebauförderung des Bundes finanziert. Künstler Krömeke erhält dafür 14.000 Euro. Nach Abzug der Material- und Transportkosten und aufgrund des hohen Zeitaufwands bleibt davon ein Entgelt im Bereich des Mindestlohns übrig.
Er würde gern auch am Alster- und am Nicolaifleet sowie in der Speicherstadt arbeiten, sagt Werner Krömeke und zeigt seine schon fertigen Entwürfe. Aber auch im Harburger Binnenhafen ist der umtriebige Künstler offen für neue Vorschläge, um an weiteren Gebäuden Hafengeschichte zu erzählen.