Harburg. Traditionsunternehmen HOBUM in Hamburg-Harburg stellt spezielle Chemikalien her. Und leidet unter den Folgen des Ukraine-Krieges.

„Die Geschäfte laufen aktuell gut. Wir hatten auch ein gutes Jahr 2021. Die Aufgeschlossenheit gegenüber Produkten aus Pflanzen- statt Mineralöl ist deutlich gewachsen. Was früher an einem kleinen Preisunterschied scheiterte, wird heute getestet.“ Das sagt Arnold G. Mergell, der mit seinen Geschwistern im Unternehmen HOBUM Oleochemicals in vierter Generation im Harburger Hafen Pflanzenöl verarbeitet.

Dennoch spürt Mergell zwei Damoklesschwerter über sich: Für seine Produktionsprozesse benötigt er Gas und ist – wie viele Unternehmer – darauf angewiesen, dass die Zufuhr aus Russland nicht abrupt stoppt. Gleichzeitig sind durch den Ukraine-Krieg die Preise für Pflanzenöl explodiert.

HOBUM stellt aus Pflanzenölen Industriechemikalien her

HOBUM Oleochemicals stellt aus den Pflanzenölen und weiteren Rohstoffen Industriechemikalien her. Das wichtigste Produkt ist ein Weichmacher, der in den Kunststoffdichtungen von Flaschen- oder Konservenglasdeckeln steckt. „50 Prozent der Weichmacher für solche Kunststoffe bei Nahrungsmittelverpackungen kommen von uns“, sagt Mergell. Rund 9000 Tonnen Weichmacher verlassen jährlich das Werk; die gesamte Produktion macht über alle Produkte 12.000 Tonnen aus.

Ein weiterer Produktbereich sind Härter und Haftvermittler für Anstriche und Beschichtungen auf Epoxidharzbasis, etwa beim Unterbodenschutz von Autos oder in Flugzeugtanks. Polyole, die dritte Produktgruppe, werden massenweise aus Mineralöl produziert. Bei HOBUM wird die Substanz pflanzlich und damit anerkannt nachhaltiger hergestellt. Sie ist eine von zwei Komponenten des Kunststoffs Polyurethan. „Fast jeder Matratzenhersteller setzt inzwischen unser pflanzliches Polyol ein. Zumal der aus ihm hergestellte Schaumstoff besser Feuchtigkeit regulieren kann“, sagt Mergell.

Das vierte Geschäftsfeld sind pflanzliche Fettsäuren, die in Kunstharzfarben zum Einsatz kommen. „Wir haben den Vorteil, an sehr unterschiedliche Branchen zu liefern. Wenn es bei einer mal nicht so läuft, dann stehen wir auf mehreren Beinen“, berichtet Mergell, der zusammen mit seinem Bruder John-Philip das als Familienholding organisierte Unternehmen leitet. Die Nachfrage floriert. Dennoch spüren die Brüder eine große Unsicherheit. Sie fürchten um ihre Energie- und Rohstoffzufuhr.

Die alten Reaktoren sind noch in Betrieb und wirken fast historisch.
Die alten Reaktoren sind noch in Betrieb und wirken fast historisch. © Angelika Hillmer

An erster Stelle nennt Mergell die Versorgung mit Gas: „Unsere Produktion läuft thermisch, unter hohen Temperaturen. Dazu benötigen wir Dampf, den wir mit dem Energieträger Gas herstellen“, sagt Mergell. Dem Unternehmer missfällt die Priorisierung der Bundesregierung, nach der bei einem Engpass private Haushalte als erste versorgt werden und Industrieunternehmen am Ende der Rangliste stehen. Solange das Gas fließt und nur teuer ist, sei die Situation okay. Die höheren Kosten werden auf die Preise umgelegt.

„Wenn wir dagegen kein Gas mehr bekommen, können wir zumachen“, sagt der Chef von 52 Angestellten. Früher oder später werde es einen Lieferstopp von russischem Gas geben, entweder weil es genügend Alternativen gebe oder weil Putin den Gashahn zudrehe. Für diesen Fall schafft der HOBUM-Chef gerade einen Zwei-Stoff-Brenner an, damit er notfalls außer Gas auch Heizöl nutzen kann. Langfristig setzt er auf Wasserstoff: „Wir sind Mitglied des Hamburger Wasserstoff-Netzwerks. Das einzig Gute am Ukraine-Krieg ist, dass wir durch die aktuelle Energiekrise einen Schub beim Einsatz von regenerativen Energien und Wasserstoff bekommen werden.“

Pflanzenöle auf dem freien Markt kaum noch zu bekommen

Auch Pflanzenöl, mit einem Anteil von 70 Prozent der Einsatzstoff des Harburger Unternehmens, ist vom Krieg in Osteuropa besonders betroffen. Mergell erklärt: „50 Prozent des auf dem Weltmarkt gehandelten Sonnenblumenöls kamen bislang aus der Ukraine. Am 24. Februar, dem Beginn des russischen Einmarsches, ist der Markt zum Erliegen gekommen.“ Sonnenblumenöl macht 15 Prozent der bei HOBUM verarbeiteten Pflanzenöle aus. Es sei auf dem freien Markt kaum noch zu bekommen. Und wenn, dann nur zum dreifachen Preis.

Sonnenblumenöl könne durch andere Öle, etwa Raps, ersetzt werden, so Mergell. In der Margarineproduktion und beim Frittierfett funktioniere auch Soja, „notfalls auch Palmöl“. Aber sämtliche Öle seien jetzt sehr teuer geworden. Ölmühlen können mit dem Verweis auf höhere Gewalt rechtlich ihre langfristigen Kontrakte kündigen, sagt der Unternehmer. Er arbeite mit einer Ölmühle in Neuss zusammen, die ihm noch 70 Prozent der vereinbarten Menge Sonnenblumenöl zu dem ursprünglichen Preis liefere, sagt Mergell. „Dadurch muss ich nur 30 Prozent teuer einkaufen.“

Anlieferung von Ölsaaten am Silo I der Harburger Oelwerke um 1955 am Ziegelwiesenkanal im Harburger Binnenhafen.
Anlieferung von Ölsaaten am Silo I der Harburger Oelwerke um 1955 am Ziegelwiesenkanal im Harburger Binnenhafen. © Archiv HOBUM

Auch bei einem anderen wichtigen Einsatzstoff, Ameisensäure, sind die Harburger gut aufgestellt. „Wir beziehen die Säure aus Europa. Ansonsten kommen große Mengen aus China. Durch die dortigen Corona-Lockdowns stockt der Nachschub aus Fernost. Wer in China eingekauft hat, kann seinen Bedarf jetzt nicht in Europa decken, weil die hiesigen Hersteller zuerst ihre Stammkunden bedienen.“

Trotz der vielen Unwägbarkeiten bleibt der 52-jährige Familienvater optimistisch, dass sein Traditionsunternehmen, dessen Wurzeln bis zum Jahr 1896 zurückreichen, nach anderen Krisen auch diese unruhigen Zeiten überstehen wird: „Wir werden weiter investieren. Aktuell bekommen wir sogar neue Kunden, weil andere Firmen nicht liefern können.“

Familienunternehmen forscht an Alternativen für die Zukunft

Ein vergleichsweise kleines Familienunternehmen wie HOBUM Oleochemicals könne nur überleben, wenn es eine Marktnische besetzt und Spezialitäten liefert, die Großunternehmen wie BASF aufgrund der kleinen Produktionsmengen nicht herstellen können, sagt Mergell. Im betriebseigenen Labor feilen Chemiker fortwährend an der Produktpalette. Und beim Rohstoffeinsatz wird an Alternativen geforscht. Mergell: „Derzeit konkurrieren wir bei den Pflanzenölen mit dem Lebensmittelsektor. Vielleicht können wir das irgendwann vermeiden, in dem wir Öl mit den nötigen Eigenschaften aus Algen oder Pilzen gewinnen können.“

126 Jahre Pflanzenölverarbeitung bei HOBUM im Harburger Hafen:

  • HOBUM steht für Harburger Oelwerke Brinckman & Mergell und deutet auf die Firmengründer hin: Als letzte einer Reihe von Harburger Ölmühlen gründeten Max Brinckman und Arnold Mergell 1896 die „Harburger Leinöl- und Firnisfabrik Brinckman & Co.“. Die Firma wurde 1906 in die
    HOBUM überführt.
  • Bis Mitte der 1980er Jahre arbeitete HOBUM am Ziegelwiesenkanal im westlichen Binnenhafen als Ölmühle. Der Konkurrenz viel größerer Werke, darunter der Ölmühle Hamburg an der Köhlbrandbrücke, waren die Harburger schließlich nicht mehr gewachsen. Sie konnten sich nicht beliebig vergrößern – große Frachter mit Ölsaaten passten nicht durch die Harburger Hafenschleuse.
  • 1985 musste die Extraktion (erste Stufe der Ölproduktion) geschlossen werden. HOBUM kaufte nun Rohöl auf und raffinierte es. Auch dafür war der Betrieb bald zu klein. 1989 verkauften die Mergells (der Brinck­man-Zweig war inzwischen ausgeschieden) das Werk an die belgische Vandemoortele-Gruppe; 1998 ging es an den US-Konzern Cargill. Heute arbeitet dort eine moderne Raffinerie, die über den 1. Seehafen versorgt wird.
  • In den 1950er Jahren schlug ein pfiffiger HOBUM-Chemiker vor, aus Abfallstoffen chemische Produkte herzustellen. Nach einigen Versuchsjahren entstand 1959 die Tochterfirma Harburger Fettchemie. Was als Resteverwertung begann, wurde nach dem Verkauf des Hauptwerks zum neuen Unternehmensinhalt: die Fettchemie (Oleochemie).
  • Die Tochter wuchs von 30 auf heute gut 50 Mitarbeiter. 2003 erfolgte die Umfirmierung in HOBUM Oleochemicals, um eine stärkere internationale Ausrichtung zu ermöglichen.