Harburg. Rundgang am Sonnabend führt zu historischen Brücken. Doch den Binnenhafen kann man auch auf eigene Faust erkunden – auf diesen Pfaden.
- Für viele ist er DER Geheimtipp für den Hamburger Süden: der Binnenhafen in Harburg, in dem es viel weniger touristisch zugeht als nördlich der Elbe.
- Für die Entwicklung des Binnenhafens war die Nähe zur Elbe ein wichtiger Faktor für die rasche und umfassende Industrialisierung ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
- Heute wird der Binnenhafen mehr und mehr zum Ausflugsziel - auch, weil hier viele Veranstaltungen stattfinden.
Wer den Binnenhafen genauer kennenlernen will, kann sich einer Führung anschließen, etwa von der Geschichtswerkstatt Harburg. Die nächste startet schon dieses Wochenende: am 23. September zu den historischen Brücken und zur Hafenschleuse (gegen Spende).
Die Kulturwerkstatt Harburg bietet am 24. September und 15. Oktober Hafenrundgänge an (Erwachsene zahlen 7 Euro), Stattreisen Hamburg am 31. Oktober und 18. November (14 Euro). Einen vierstündigen Rundgang, ergänzt durch kulinarische Kostproben der ansässigen Gastronomie, ist auf der „Genuss-Tour durch Harburg“ zu erleben (Veranstalter: Urban Guru, 44 Euro). Auch hier liegt der Schwerpunkt im Binnenhafen.
Zu Fuß durch den Harburger Binnenhafen: So geht es auf eigene Faust
Es geht aber auch auf eigene Faust. Als Ausgangspunkt bietet sich der Kanalplatz an. Er war und ist das Herz des Hafens und bietet in allen vier Himmelsrichtungen Sehenswürdigkeiten. Nordwärts, Richtung Süderelbe, liegt der Lotsekanal. An ihm wurden vor mehr als 100 Jahren geschäftig Waren umgeschlagen. Damals „bildete der Kanalplatz die zentrale Schnittstelle zwischen Stadt, Bahnhof, Zitadelle, Anlegestelle für Dampfschiffe und der geplanten westlichen Stadterweiterungsgebiete“, ist im gut 220 Seiten umfassenden Werk „Der Kanalplatz im Harburger Binnenhafen“ zu lesen. Es erschien im Zusammenhang der Internationalen Bauausstellung (IBA) Hamburg im Jahr 2013.
Die Zitadelle stand auf der heutigen Schlossinsel. Sie hatte sich aus der „Horeburg“ entwickelt, der Keimzelle Harburgs. Aus der sternförmigen Befestigungsanlage wurde später das Harburger Schloss. Von ihm ist nur noch der Westflügel erhalten – ein profaner Bau, heute ein Mehrfamilienhaus. Ein Gang über die Drehbrücke zur Schlossinsel lohnt sich dennoch. Die Fußgängerbrücke führt an den Lotsekai mit seinen beiden Kränen als Teil der Hafengeschichte.
Tornado besiegelt 2006 das Ende des Ladungsumschlags im Binnenhafen
Der Gelbe Kran, Baujahr 1972, schlug bis 2006 Schüttgut wie Baustoffe, Salz und Getreide um. Am 27. März 2006 fegte jedoch ein Tornado durch Harburg, der viel Zerstörung hinterließ und das Ende des Ladungsumschlags im Binnenhafen besiegelte. Heute wird der „Kulturkran“ vom Verein Museumshafen Harburg gepflegt und gern auch in Aktion gesetzt. Am östlichen Ende des Lotsekais wurde 2019 der Blaue Kran (Baujahr 1960) wieder aufgestellt. Er musste 2016 für Arbeiten an der Kaimauer und den Bau der Promenade demontiert werden. Mit Hilfe von Fördermitteln hat der Museumshafen ihn umfassend restauriert und ihm einen neuen Farbanstrich verpasst.
Es lohnt sich, in westliche Richtung den Lotsekai bis zur Klappbrücke entlang zu gehen – hier liegen die meisten Schiffe des Museumshafen Harburg. Auf einem kann sogar übernachtet werden: auf dem Hotelschiff Kanal 77 von Marcel und Heike Klovert. Im ehemaligen Laderaum des Binnenschiffs „Lydios“ befinden sich vier Doppel- und ein Familienzimmer sowie ein Frühstücks- und Aufenthaltsraum.
Der Blick Richtung Osten ist von der Drehbrücke besonders schön
Auf der anderen Kanalseite geht es vorbei am neuen Forschungsgebäude des Fraunhofer-Centers für Maritime Logistik, der Fischhalle Harburg als Kulturzentrum des Hafens, dem von der Geschichtswerkstatt betreuten Röhrenbunker und dem Wilden Wäldchen zurück zum Kanalplatz. Der Blick Richtung Osten ist von der Drehbrücke besonders schön. Ins Auge fallen drei markante Gebäude, die den heutigen Binnenhafen ausmachen.
Direkt am Wasser steht der Kaispeicher am Veritaskai. Sein ältester Teil wurde 1928 als Getreidespeicher für den Harburger Mühlenbetrieb angelegt und später mit Anbauten versehen. Sie wurden abgerissen, um aus dem alten Kern ein modernes Bürogebäude zu machen, flankiert durch Neubauten auf beiden Seiten. Jenseits der Straße Veritaskai liegt das Fleethaus am Schellerdamm/Westlichen Bahnhofskanal. Auch hier wurde ein ehemaliger Getreidespeicher der Harburger Mühle umgebaut zu Büros und Parkgarage. Seine Backsteinfassaden erstrahlen in frischem Rot. Hinter einem Baugerüst – sie werden gerade für gut vier Millionen Euro saniert.
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Auch des dritte markante Gebäude zeugt vom architektonischen Kunststück, historische Bausubstanz neu zu denken und zu nutzen: Das umgebaute Getreidesilo der Harburger Ölfabrik F. Thörl. 1935 erbaut, bestand ursprünglich aus 16 Betonröhren. Sechs von ihnen wurden stehen gelassen und durch einen gläsernen Bürokomplex ergänzt. Zwischen 2001 und 2003 entstand ein 14-stöckiges Bürogebäude, das seinesgleichen sucht. Zusammen mit dem Fleethaus im Vordergrund und dem zur selben Zeit erbauten Channel Tower im Hintergrund bildet „Das Silo“ ein Postkarten- (oder Instagram-)Panorama am Westlichen Bahnhofskanal.
Die Harburger Schloßstraße: zentrale Entwicklungsachse der Stadt
Südwestlich des Kanalplatzes schließt die Harburger Schloßstraße an. Sie ist die zentrale Entwicklungsachse der Stadt Harburg. Wie diese anno 1654 aussah, lässt sich auf dem kolorierten Kupferstich von Caspar Merian betrachten: Das Stadtmuseum Harburg/Archäologische Museum Hamburg hat in einem der schwarzen Wohngebäude an der Schloßstraße 39 ein Zeitfenster ins 17. Jahrhundert installiert, in dem das Bild „Prospect der Statt undt Vestung Harburg“ zu sehen ist.
Wenige Häuser weiter Richtung Harburger Innenstadt steht links das ehemalige Verwaltungsgebäude der Firma Thörl. Hier wurde die Technische Universität Harburg gegründet. Das Gebäude gehört zum Hafencampus der TUHH, wird gerade aufwendig saniert, modernisiert und auf der Rückseite durch einen Neubau ergänzt. Wiederum nur einen Steinwurf entfernt ist eine doppelte Kulturstätte zu bewundern: das Bornemannsche Haus ist sowohl Baudenkmal als auch eine Galerie für moderne Kunst.
Investor und Bauunternehmer Arne Weber (HC Hagemann) hat das Fachwerkgebäude in der Harburger Schloßstraße 13 grundsaniert. Es ist eines der ältesten Bürgerhäuser der Stadt – der Gebäudekern stammt aus der Zeit 1565/66. Zu sehen ist gut 400 Jahre Baugeschichte: Bei der Sanierung freigelegte Wände und Decken blieben dort, wo es ging, in ihrem historischen Zustand erhalten und sind nicht wieder überdeckt worden. Die „Galerie 1565“ zeigt aktuell Werke der Wiener Künstlerin Micha Wille und des Berliner Künstlers Tim Leimbach.
Für den Rückweg zum Kanalplatz empfiehlt sich ein kleiner Schlenker. Er führt hinter dem Bornemannschen Haus rechts ab zur Brücke über den Kaufhauskanal, ein Stück am Kanal entlang zur Blohmstraße. Hier sind interessante historische und moderne Gebäude zu sehen, etwa der denkmalgeschützte Speicher am Kaufhauskanal, ein weiterer kultureller Veranstaltungsort. Direkt an der Straße rahmen zwei historische Fabrikantenvillen ein goldfarbenes modernes Bürogebäude ein, das im Hafen „Goldfisch“ genannt wird. Gegenüber entstand 2019 der erste Bauabschnitt von Arne Webers Projekt Hamburg Innovation Port. Auch hier ist die TU Harburg eingezogen.
Wieder zurück am Kanalplatz, fallen auf seiner Westseite zwei denkmalgeschützte Kontorhäuser auf. Sie sind die einzigen historischen Gebäude, die am einstigen Umschlagplatz übrig geblieben sind. Im (linken) Wohn- und Geschäftshaus am Kanalplatz 6 residierte bis 1973 die Reederei Renck & Hessenmüller. Heute befindet sich dort unter anderem die Kulturwerkstatt Harburg.
Seit rund 30 Jahren entwickelt sich der damals herunter gekommene Binnenhafen in ein modernes Büroquartier. Vor zehn Jahren kamen mit den vier IBA-Projekten Marina auf der Schloßinsel, Maritimes Wohnen am Kaufhauskanal, Studentisches Wohnen Schellerdamm und Wohnen am Hafencampus die ersten großen Wohnungsbauvorhaben hinzu.
Die Neubauten gaben dem alten Hafen ein neues Gesicht. Doch vieles blieb erhalten. Wie reich an Geschichte der Binnenhafen noch heute ist, zeigt auch die App Kultur-Routen des Stadtmuseums Harburg. Sie kann an einer Info-Tafel auf dem Kanalplatz, unweit der Drehbrücke, per Smartphone abgerufen werden.