Der 65-Jährigen wird vorgeworfen, sie sei Berichten über sexuellen Missbrauch nicht energisch genug nachgegangen. Jetzt trat sie zurück.
Hamburg. Die Bischöfin der Nordelbischen Kirche, Maria Jepsen, hat die Konsequenzen aus den Vorwürfen gegen sie gezogen und ist zurückgetreten. Die 65-Jährige steht seit Tagen unter Druck. Der Vorwurf: Sie sei Missbrauchsvorwürfen gegen einen Pastor nicht energisch genug nachgegangen. Jepsen gab ihren Rücktritt auf einer Pressekonferenz bekannt. „Meine Glaubwürdigkeit wird angezweifelt. Von daher sehe ich mich nicht in der Lage, die frohe Botschaft so weiterzusagen, wie ich es bei meiner Ordination und bei meiner Bischofseinführung vor Gott und der Gemeinde versprochen habe“, sagte Jepsen.
Die Rücktrittserklärung im Wortlaut
Jepsens Wahl zur Bischöfin im Jahr 1992 war damals eine Sensation: Weltweit hatte erstmals bei einer lutherischen Bischofswahl eine Frau gesiegt. Mittlerweile gab es mit der Lübeckerin Bärbel Wartenberg-Potter und Margot Käßmann in Hannover weitere evangelische Bischöfinnen.
Jepsen stammt aus Bad Segeberg in Schleswig-Holstein und studierte Theologie in Tübingen, Kiel und Marburg. 1970 wurde sie Vikarin in Hamburg, ging 1972 als Gemeindepastorin nach Meldorf (Dithmarschen) und wechselte 1977 nach Leck in Nordfriesland, wo sie bis 1990 blieb. 1991 wurde sie Pröpstin im Kirchenkreis Hamburg-Harburg. Am 4. April 1992 wählte sie die Synode der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche zur Bischöfin für den Sprengel Hamburg. Sie war damit die erste lutherische Bischöfin der Welt. 2002 wurde sie für weitere zehn Jahre in ihrem Amt bestätigt. Von 2001 bis 2004 war sie Vorsitzende der Nordelbischen Kirchenleitung.
Porträt: Maria Jepsen - die weltweit erste lutherische Bischöfin
Jepsen profilierte sich als Befürworterin einer vorsichtigen feministischen Theologie und maß Anstößen von Laien in den Bibel- und Gesprächskreisen große Bedeutung zu. Außerdem förderte sie den Dialog mit den Juden. Sie setzte sich für die Überprüfung von Traditionen des christlichen Glaubens ein, die den Antijudaismus und Antisemitismus fördern. Fragen beantwortete Jepsen keine. Die Nachfolge ist noch nicht geregelt. Propst Jürgen Bollmann wird als offizieller Stellvertreter kommissarisch die Amtsgeschäfte übernehmen. Bollmann ist Propst im Kirchenkreis Hamburg-Ost und für den Bezirk Harburg zuständig. Er war schon einmal Nachfolger von Maria Jepsen: Nach ihrer Wahl zur Bischöfin 1992 wurde Bollmann als ihr Nachfolger im damals noch selbstständigen Kirchenkreis Harburg gewählt. Sein Gegenkandidat Friedrich Franz H. war damals Pastor in Ahrensburg. Gegen ihn läuft ein Disziplinarverfahren, weil er den sexuellen Missbrauch seines Amtskollegen Dieter K. nicht gemeldet haben soll.
Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) hat den Rücktritt bedauert. „Als erste evangelisch-lutherische Bischöfin hat Frau Jepsen Kirchengeschichte geschrieben“, erklärte Beust. Ihre Entscheidung gelte es jedoch zu respektieren.
Auch der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke bedauerte den Rücktritt: „Dieser Schritt bestätigt ihre Geradlinigkeit und Aufrichtigkeit. Sie hat die allgemeine Verantwortung dafür übernommen, dass die Kirche in dem bekannten Missbrauchsfall nachlässig gewesen ist.“ Es mache ihr Ehre, ihr Amt zur Verfügung zu stellen, aber sie werde sehr fehlen. Mit Jepsen trete eine wegweisende Frau des deutschen Protestantismus nach 18 Jahren im Bischofsamt zurück, teilten für die hannoversche Landeskirche der stellvertretende Bischof Hans-Hermann Jantzen und der Geistliche Vizepräsident des Landeskirchenamtes, Arend de Vries, mit. In der Stellungnahme heißt es weiter, Jepsens Wahl 1992 zur ersten Bischöfin einer lutherischen Kirche weltweit sei ein Signal des Aufbruchs gewesen. Mit ihrem Eintritten für Randgruppen habe Jepsen ein deutliches Zeichen gesetzt für den christlichen Glauben und eine Kirche, die sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sei. „Sie hat vielen Frauen Mut gemacht, sich in der Kirche zu engagieren.“
Der Braunschweiger Bischof Friedrich Weber sagte, er sehe in einer möglicherweise früheren Fehleinschätzung über einen Fall sexuellen Missbrauchs keinen Rücktrittsgrund. Er habe Jepsen als konfliktbereite Bischofskollegin erlebt, die besonders für Minderheiten eingetreten sei. Sie habe sich für Menschen am Rande der Gesellschaft eingesetzt, unter anderem für Frauen in Armut. In der Bischofskonferenz habe er sie als engagierte und warmherzige Kollegin erlebt.