Hagen. Hagener Unternehmen mit 1500 Beschäftigten in 41 Filialen befindet sich in vorläufiger Insolvenz. Inhaberin Isabella Goebel zur Lage.

Die Geschäftsführung des finanziell angeschlagenen Modeunternehmens Sinn aus Hagen ist zuversichtlich, beinahe alle Standorte und nahezu alle Arbeitsplätze erhalten zu können. Sinn hatte am 6. August dieses Jahres einen Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung gestellt. Das Ziel sei, so schnell wie möglich wieder aus dem Insolvenzverfahren zu kommen, erklärte der gerichtlich bestellte Sachwalter, Rechtsanwalt Michael Mönig, gegenüber der Westfalenpost.

„Wenn wir Glück haben, könnte die Insolvenz noch vor Weihnachten, spätestens jedoch im Januar beendet sein.“

Michael Mönig
Rechtsanwalt und gerichtlich bestellter Sachwalter

Mönig betonte, „es ist genug Liquidität vorhanden, um auf jeden Fall durch das vorläufige Insolvenzverfahren zu kommen“. Bereits Ende Oktober will der Sachwalter sein Gutachten über die Zukunft des Modeunternehmens vorlegen. Geplant ist auch, dass vom Unternehmen zu diesem Zeitpunkt ein Insolvenzplan eingereicht wird. Klappt der Zeitplan, könnte im November das Verfahren vom Gericht eröffnet werden. „Wenn wir Glück haben, könnte die Insolvenz noch vor Weihnachten, spätestens jedoch im Januar beendet sein“, schätzt der Jurist.

Isabella Goebel und Thomas Wanke im Gespräch mit der Westfalenpost.
Isabella Goebel und Thomas Wanke im Gespräch mit der Westfalenpost. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Die amtierende Geschäftsführung ist gut einen Monat nach dem Gang zum Insolvenz-Gericht hinsichtlich der Standorte und der Jobs sehr optimistisch. Das ausschließlich auf stationären Handel ausgerichtete Unternehmen sieht gute Chancen für beinahe alle 41 Filialen. „Um das Geschäftsmodell Sinn braucht sich niemand Sorgen zu machen“, glaubt Thomas Wanke, neben der Gesellschafterin Isabella Goebel als Geschäftsführer von Sinn tätig.

Sinn: Umsatz in vergangenen Monaten stärker als Brachenschnitt gewachsen

Im Vergleich zum Durchschnitt in der Branche hätten sich die Umsätze bei Sinn in den vergangenen Monaten deutlich besser entwickelt. Insofern sei die Lieferantenseite Anfang August von der Finanzlage überrascht gewesen. Nach intensiven Gesprächen mit den 30 größten Lieferanten (Sinn wird nach eigenen Angaben von rund 170 Unternehmen beliefert) und dem Abschluss einer Warenkreditversicherung über Euro Delkredere gebe es keine Probleme, neue Herbst- und Winterware in die Filialen zu bekommen. Der Verkauf, der bei Sinn in den Augustwochen mit mehreren Rabattaktionen für die Sommerware angekurbelt wurde und auch aktuell für die Herbst/Winterkollektion mit einer 20 Euro-Aktion startet, laufe für die Kundinnen und Kunden unbeeinträchtigt.

Sinn setzt weiter nur auf stationären Handel

„Wir glauben an den stationären Handel“, sagt Isabella Goebel, die weiter an der Philosophie festhält, kein Onlinegeschäft starten zu wollen. Sinn wolle zwar auf digitalem Weg in Zukunft neue Kunden und treue Kunden besser erreichen und direkter ansprechen, aber eine Onlineplattform werde es in absehbarer Zukunft nicht geben. „Entweder online oder stationär, beides kannst du nicht perfekt machen“, glaubt auch der Branchenexperte Thomas Wanke.

Thomas Wanke

„Wir planen in der aktuellen Lage weiter ohne Personalabbau in den Filialen.“

Thomas Wanke

Der Sinn-Geschäftsführer Wanke betonte gegenüber dieser Zeitung: „Wir planen in der aktuellen Lage ohne Personalabbau in den Filialen.“ In der rund einhundertköpfigen Verwaltung dürfte dagegen in geringem Umfang der Beschäftigtenstand reduziert werden, ließ er durchblicken.

Als Sinn am 6. August beim Amtsgericht Hagen den Insolvenzantrag stellte, war Sanierungsexperte Jan Ockelmann noch vorsichtiger: Ziel sei es, möglichst viele Standorte und Arbeitsplätze zu sichern, ob dies gelinge, müssten Gespräche und Verhandlungen mit Vermietern und Lieferanten zeigen. Ockelmann kommt aus einer der erfahrensten Kanzleien für Härtefälle in der Branche: SGP Schneider Geiwitz waren unter anderem mehrfach mit den Galeria-Insolvenzen beschäftigt.

Als Gründe dafür, dass bei Sinn nach 2008, 2016 und 2020 erneut eine Insolvenz in Eigenverwaltung beantragt wurde, nennen Goebel und Wanke mehrere finanziell belastende Entwicklungen. Ein Faktor seien nachhängende Verluste aus Corona-Zeiten und eine dem Unternehmen angeblich zustehende bislang ausgebliebene Überbrückungshilfe in Höhe von 2,3 Millionen Euro. Allein diese Summe hätte den Gang zum Gericht möglicherweise verhindern können, meinen Goebel und Wanke. Dazu kamen weitere einmalige Gründe. Der Umsatzausfall in einigen Filialen, allen voran am Standort im Centro Oberhausen. Am 7. Oktober will Sinn nach dann zehn Monaten Schließung dort wieder eröffnen, und zwar auf rund 3500 statt 7000 Quadratmetern Fläche.

Kosten für neues IT-System aus dem Ruder gelaufen

Eine ungeplant hohe finanzielle Belastung sei die Entwicklung eines neuen IT-Systems, mit dem auch das Warenwirtschaftssystem deutlich effektiver werden soll. Zwei unabhängige Beratungsunternehmen hätten die Kosten auf rund 1,7 Millionen Euro geschätzt, mittlerweile entwickele sich die Rechnung aber Richtung fünf Millionen Euro.

Sachwalter Mönig nennt als Grund für die finanzielle Schieflage denn auch vor allem „ein zu teures IT-Projekt“. Der Jurist werde nun auch noch einmal prüfen, ob tatsächlich noch ein Anspruch auf Auszahlung der 2,3 Millionen Euro Überbrückungshilfe bestehe.

Sinn will sich von Mietverträge an einigen Standorten befreien

Geschäftsführer Thomas Wanke befindet sich derzeit in Verhandlungen mit einigen Vermietern. Sinn will weg von sogenannten „Triple-Net-Verträgen“, auch wenn die nicht unüblich im Handel seien. Diese Verträge verpflichteten den Mieter dazu, auch Sanierungskosten zu tragen. Unternehmen wie Sinn zahlen also nicht nur für die Fläche samt Nebenkosten, sondern seien verantwortlich für „Dach und Fach“. Am Standort Bonn habe dies beispielsweise dazu geführt, dass mehrere Hunderttausend Euro für Schäden an der Fassade vom Modeunternehmen hätten bezahlt werden müssen. „Es wird wahrscheinlich einige Standorte geben, an denen wir eine Kündigung aussprechen müssen. Das Haus in Rheine wird auf jeden Fall aufgegeben“, kündigt Sinn-Geschäftsführer Wanke an. Und weiter: „Das Insolvenzverfahren sehen wir als Chance, uns von solchen Altlasten zu befreien.“

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