Hagen. Insolvenzen namhafter Firmen reihen sich aktuell wie an einer Perlenschnur auf. Experte Jens Lönneker über drohendes Markensterben.

Pleiten namhafter Unternehmen reihen sich in den vergangenen Monaten auf wie an einer Schnur gezogen. Dass der einstige Glanz mancher Perle verblasst, scheint teils hausgemacht zu sein.

Galeria Karstadt Kaufhof, Peek & Cloppenburg, Schuhhandelsketten wie Görtz oder Salamander meldeten Insolvenz an. Getroffen hat es auch mittelständische Marken aus Südwestfalen wie Westfalia, Wesco oder Ritzenhoff. Droht ein Sterben der Marken?

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Jens Lönneker, Gründer und Chef des Marktforschungs-Instituts Rheingold Salon, würde so weit nicht gehen: „Generell kann man das nicht sagen. Spannend ist zu sehen, dass der Wert der Topmarken wie Google, Amazon oder Apple an der Börse eher gestiegen ist.“ Diese Giganten bestimmen den Weg auf der Reise des Kunden, statt über die „Customer Journey“ zu fabulieren, wie mittelmäßiges Management dies gerne tut, um weltmännisch Ahnungslosigkeit zu kaschieren.

Die große Kunst, eine Marke zu führen, besteht darin, dass sie sich immer wieder erneuert.
Jens Lönneker - Gründer und Chef von Rheingold Salon

Krisen wie Corona haben viele Firmen Substanz gekostet, den stationären Handel ohne Zweifel. Sprunghaft gestiegene Energiekosten spielen bei der Produktion am Standort Deutschland für metallverarbeitende Firmen wie Wesco und sehr energieintensiv produzierende wie Ritzenhoff eine große Rolle. Markenexperte Lönneker nennt aber einen aus seiner Sicht wesentlicheren Grund: „Die große Kunst, eine Marke zu führen, besteht darin, dass sie sich immer wieder erneuert.“

Rund 50 verschiedene Mülleimer-Modelle hat die Firma Wesco hergestellt, außerdem Haushaltswaren in bunten Farben.
Rund 50 verschiedene Mülleimer-Modelle hat die Firma Wesco hergestellt, außerdem Haushaltswaren in bunten Farben. © WAZ / FotoPool | Thomas Nitsche

Das ewig gleiche Bierglas, selbst ein Produkt wie der ikonische Mülleimer Pushboy von Wesco aus Neheim allein reichen offenbar kaum. Schon gar nicht ein vermutlich viel zu teuer gedruckter Katalog in 70er-Jahre-Anmutung, wie ihn Westfalia als ein deutscher Versandhändler der ersten Stunde bis vor kurzem versendete, als hätte es die Erfindung des Internets nie gegeben.

Gegenbeispiele: Katjes und Persil

Es gibt leuchtende Gegenbeispiele, sagt Lönneker: Katjes, der Lakritzhersteller vom Niederrhein, unter dessen Dach sich verschiedene Marken versammelt haben und der schon vor Jahren den Trend zu Veggie erkannt hat. Lönneker nennt auch Persil, Deutschlands ältestes und vermutlich immer noch meistverkauftes Waschmittel. Wie frisch die Henkel-Marke nach mehr als einem Jahrhundert am Markt daherkommt, lässt sich ganz aktuell in neuen Werbespots betrachten – klassisch im Fernsehen.

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Die größte Veränderung im Handel geht einher mit Digitalisierung, dem Onlinegeschäft. „Damit müssen die traditionellen Marken umgehen lernen“, mahnt Lönneker. Und zwar schnell, denn künstliche Intelligenz verschärfe die Veränderungs-Geschwindigkeit im Handel noch einmal drastisch – während sich der Kunde auf seiner „Einkaufsreise“ allenfalls noch vom Sofa bewegen muss, wenn die Getränke auszugehen drohen.

Der angeschlagene Glashersteller Ritzenhoff in Marsberg im Hochsauerland war erst am vergangenen Mittwoch gerettet worden. An dem Tag hatten Mitarbeiter und der Gläubigerausschuss dem Fortführungskonzept der Investorengruppe um Familie Ritzenhoff/Zeppenfeld und den westfälischen Fleischunternehmer Robert Tönnies zugestimmt.

Von Westfalia bleibt in Hagen nach mehr als einem Jahrhundert nichts mehr übrig. Künftig wird die Marke von Weltbild aus Bayern geführt.  
Von Westfalia bleibt in Hagen nach mehr als einem Jahrhundert nichts mehr übrig. Künftig wird die Marke von Weltbild aus Bayern geführt.   © WP | Michael Kleinrensing

Abgewickelt und verkauft werden dagegen mit Wesco aus Arnsberg-Neheim und Westfalia aus Hagen zwei Traditionsmarken aus der Region: Die Gründe scheinen durchaus so unterschiedlich wie das Engagement der Inhaber für ihre Marke und ihre treue Belegschaft. Hier die um Rettung bemühte Gründerfamilie in Arnsberg-Neheim, dort Gesellschafter, die sich offenkundig längst von ihrem Unternehmen abgewandt hatten.

Verkauf kann Marke erhalten, muss es aber nicht

Wesco und Westfalia – beide Marken werden vorerst weitergeführt, weil sie noch klingen. Die Marke Wesco geht an einen Großhändler aus Niedersachsen. Westfalia mit seinem beachtlichen Kundenstamm wird von der Weltbild-Gruppe aufgesammelt, hinter der die finanzstarke Düsseldorfer Droege Group steckt. Die wiederum galt zwischenzeitlich als heißer Kandidat für die Übernahme von Galeria Karstadt Kaufhof.

Ob es gutgeht? „Es kommt darauf an, wie der jeweils neue Eigentümer mit der Marke umgeht“, glaubt der Psychologe Jens Lönneker. Was für Ritzenhoff und möglicherweise auch Galeria gelten mag, dürfte bei Wesco und Westfalia schwieriger sein – bleibt von ihnen doch kaum mehr als ein Name.