Warstein. 154 Krankheitsfälle, immer länger auf sich wartende Untersuchungsergebnisse, die Absage der Montgolfiade, drei Tage später die Reisewarnung – Das Krisenmanagement des Kreises Soest gerät in Warstein verstärkt in die Kritik.
Wer sich in der Stadt umhört, merkt: Die Warsteiner Bevölkerung fühlt sich vor allem wegen der Reisewarnung, die mehrere Tage nach der Absage der Warsteiner Montgolfiade folgte, verunsichert. Was wurde vom Kreis wann kommuniziert? Die folgende Chronolgie gibt einen Überblick.
Montag, 19. August
Erstmals informiert wurde die Bevölkerung über die Krankheitswelle in Warstein am Montag, 19. August. Das Warsteiner Krankenhaus und der Kreis Soest, schon in der Woche zuvor über die Erkrankungen vom heimischen Krankenhaus unterrichtet, luden zur Pressekonferenz ein ins Krankenhaus „Maria Hilf“. Berichtet wurde, dass es bereits 62 Fälle einer atypischen Lungenentzündung gibt, dass zwei Erkrankte an dieser gestorben waren.
Als Ursache wurden Bakterien ausgemacht, die noch nicht näher identifiziert seien. Lediglich bei zwei Patienten sei der gleiche Bakterien-Stamm festgestellt worden. Dr. Frank Renken, Leiter des Gesundheitsamtes, wollte diesen jedoch nicht nennen, mit dem Hinweis, dass für einen sicheren Nachweis dieses Bakterium bei zehn Prozent der Patienten nachgewiesen werden müsse. – Zu diesem Zeitpunkt behandelt das Krankenhaus die Patienten bereits mit den entsprechenden Antibiotika gegen Legionellen.
Dienstag, 20. August
Der Kreis gibt am Dienstag, 20. August, Legionellen als Ursache der Erkrankungen bekannt. Bis zum Vorabend seien vier positive Legionellenbefunde von zu diesem Zeitpunkt 64 betroffenen Patienten eingegangen. Ab diesem Zeitpunkt seien Gesundheitsaufseher mit der Suche der möglichen Quelle beschäftigt.
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Definitiv ausgeschlossen wird von den Experten das Leitungs- bzw. Trinkwasser. Parallelen zu dem Vorfall in Ulm, bei dem im Jahr 2010 über die Abluft einer klimatechnische Anlage Legionellen verbreitet wurden, werden gezogen. Die Gesundheitsaufseher des Kreises befragen die Patienten nun mit einem auf den Legionellen-Verdacht spezifizierten Fragebogen des Bielefelder Landeszentrums für Gesundheit, um den Ausgangspunkt des Erregers eingrenzen zu können.
Mittwoch, 21. August
Auf einer Pressekonferenz am Mittwoch Nachmittag stellen Kreisdirektor Dirk Lönnecke, Landrätin Eva Irrgang, Kreisgesundheitsamtsleiter Dr. Frank Renken und Warsteins Bürgermeister Manfed Gödde den Bonner Professor Dr. Martin Exner vor. Exner war schon in Ulm maßgeblich an der Suche nach der dortigen Legionellen-Quelle beteiligt. Mit der Präsentation des Experten werden erstmals die so genannten offenen Rückkühlwerke, wie sie auf größeren Verwaltungs- und Industriegebäuden zu finden sind, als sehr wahrscheinliche Quelle genannt.
Legionellen-Suche in Warstein
Unmittelbar nach der Pressekonferenz fährt Exner mit seinem Team sowie zwei Gesundheitswissenschaftlerinnen des Landesgesundheitszentrums nach Warstein und startet mit Bürgermeister Manfred Gödde und Ordnungsamtsleiterin Roswitha Wrede die Untersuchung und Proben-Entnahme von zu diesem Zeitpunkt acht bekannten solcher Anlagen. Diese werden, falls möglich, sofort abgeschaltet oder desinfiziert. Gleichzeitig fährt Landrätin Eva Irrgang den Krisenstab hoch, um die Ressourcen des Kreisgesundheitsamtes zu unterstützen. Parallel zu der Suche von Professor Exner laufen die Befragungen der Patienten weiter .Mittlerweile sind 75 Menschen erkrankt. Die Ergebnisse der Proben der untersuchten Anlagen lägen am Dienstag, 27. August, vor, so die Aussage Exners zu diesem Zeitpunkt. Der Kreis richtet ab diesem Tag ein Bürgertelefon ein, an das sich besorgte Bürger mit Fragen rund um die Karnkheitswelle wenden können. Gleichzeitig werden die Bürger aufgerufenen entsprechende Anlagen zu melden.
Donnerstag, 22. August
Auch am Donnerstag, 22. August, ist Professor Exner weiter vor Ort, um in Frage kommende Anlagen zu untersuchen. Der Kreis zieht am Abend Bilanz: 41 Klimaanlagen wurden überprüft, 35 bauartbedingt als Quelle ausgeschlossen und in sechs vor Ort Proben gezogen. Die Zahl der zu besichtigenden Installationen erhöht sich während der Kontrollen vor Ort stetig, weil viele Bürger dem Aufruf des Kreises folgen.
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Wo Proben gezogen wurden, wurden die Geräte entweder abgeschaltet oder desinfiziert. Etwa ein gutes Dutzend Anlagen steht zu diesem Zeitpunkt noch auf der Liste. Aufgrund der Aktenlage geht der Kreis davon aus, dass die meisten von den noch zu inspizierenden Einrichtungen nicht in Frage kommen. Aufgesucht werden sollen sie am Freitag, 23. August, nichtsdestotrotz.
Bei der Brauerei laufen die Planungen zur 23. Montgolfiade zu diesem Zeitpunkt normal weiter.
Rückkühlanlagen werden überprüft - Wer sich nicht meldet, dem droht saftiges Bußgeld
Freitag, 23. August
Vier Tage, nachdem der Kreis die Öffentlichkeit über die Krankheitswelle informiert hatte, steht die genaue Quelle immer noch nicht fest. Da es keine Meldepflicht für die spezielle Art der Rückkühlanlagen in Deutschland nicht gibt, gestaltet sich die Suche schwierig. 68 Rückkühlanlage wurden zu diesem Zeitpunkt kontrolliert, nur acht erwiesen sich als tatsächlich mögliche Quellen. Der Kreis meldet, dass an diesem Morgen aus der nach derzeitigem Stand letzten Verdunstungskühlanlage (Rückkühlwerk) in Warstein eine Probe entnommen worden sei. Die ersten Ergebnisse von den bereits Mittwoch beprobten Anlagen lägen frühestens kommenden Dienstag, 27. August, vor.
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Am Abend kommt die Nachricht: Die Stadt Warstein erlässt ihrerseits eine Allgemeinverfügung. Gegen Androhung von Bußgeld bis zu 20.000 Euro sollten sich Besitzer von großen Rückkühlanlagen melden. Zu diesem Zeitpunkt sind 95 Menschen erkrankt.
Wochenende 24./25. August
Weiterhin treffen Hinweise aus der Bevölkerung auf mögliche Anlagen beim Kreis ein. Daraus resultierend werden in einem Warsteiner Unternehmen noch am Sonntag Proben gezogen. Als Reaktion auf die Allgemeinverfügung der Stadt Warstein meldeten sich einige Unternehmen auch beim Kreis. Sie waren aber bereits im Vorfeld ausgeschlossen worden. Am Sonntag steigt die Zahl der Erkrankten erstmals über 100, jetzt werden insgesamt 102 Fälle der im Zusammenhang mit den Legionellen stehenden Erkrankungen gemeldet.
Montag, 26. August
Die Zahl der Erkrankten steigt weiter; mittlerweile stehen 111 Fälle auf der Liste. Der Kreis meldet einen ungeklärten Todesfall im Warsteiner Krankenhaus „Maria Hilf“. Das Gesundheitsamt weist darauf hin, dass über eine Obduktion geklärt werde, ob ein Zusammenhang zu der Legionellen-Erkrankung bestehe.
Die Warsteiner Brauerei verschiebt ihr eigentlich für diesen Tag geplante Programm-Pressekonferenz zur Montgolfiade auf Mittwoch, 28. August.
Verdächtige Probe bei der Firma Esser - Warsteiner Montgofliade wird abgesagt
Dienstag, 27. August
Das Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit der Universität Bonn teilt dem Gesundheitsamt des Kreises Soest an diesem Morgen erste vorläufige Ergebnisse der zwischen dem 21. und 23. August in klimatechnischen Anlagen oder anderswo in Warstein genommenen Proben mit. Die Probe eines Unternehmens ist demnach positiv. „Wir haben jetzt eine konkrete Spur, aber noch nicht mit abschließender Sicherheit die Quelle. Wir können verantwortlich noch keine endgültige Entwarnung geben“, so Dr. Frank Renken, Chef des Gesundheitsamts.
Die Anlage sei nach der Probenentnahme am Mittwoch, 21. August, ausgeschaltet geblieben, so dass von ihr keine Gefahr mehr ausgehe. Ob es die tatsächliche Quelle sei, werde erst besser zu bewerten sein, wenn auch der Legionellensubtyp eines Erkrankten bekannt sei. Doch dieser Humanbefund liegt zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor. Da die Inkubationszeit für Legionellose bis zu zehn Tagen betragen könne, seien Neuerkrankungen bis zum Ende dieser Woche nicht auszuschließen, so der Kreis.
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Die Firma Esser aus Warstein-Belecke bestätigte auf Anfrage, dass bei ihr eine erhöhte Legionellen-Anzahl festgestellt worden sei. Ein direkter Zusammenhang zu den mittlerweile 116 Krankheitsfällen lässt sich daraus aber noch nicht herleiten.
Um kurz nach 17 Uhr teilen Uwe Wendt und Hermann Löser mit, dass die 23. Montgolfiade nicht stattfinden wird. Die Stadt erteilt der Großveranstaltung auf Empfehlungen des Kreisgesundheitsamtes keine Genehmigung.
Mittwoch, 28. August
„Die Lage ist noch immer offen“,teilt der Kreis mit. Der Humanbefund, der mit den entdeckten Legionellen bei der Firma Esser verglichen wird, wird erst für Donnerstag erwartet, endgültige Gewissheit soll der Abgleich am Freitag bringen. Mittlerweile gibt es 128 Erkrankte.
Donnerstag, 29. August
Der Kreis meldet die aktualisierten Krankheitsfälle: 134 Erkrankungen können zu diesem Zeitpunkt in Zusammenhang mit dem Legionellenausbruch gebracht werden.
Freitag, 30. August
Vor dem Wochenende ist keine Laborbestätigung in der Kreisverwaltung eingetroffen, dass die nach dem Fund einer hohen Legionellenkonzentration in den Fokus geratene Rückkühlanlage tatsächlich die Quelle des Legionellenausbruchs in Warstein ist. Am frühen Abend teilt das Kreisgesundheitsamt vor diesem Hintergrund in Absprache mit dem Landeszentrum Gesundheit NRW und Professor Exner in einer offiziellen Pressemitteilung mit, dass „Reisen in das Gebiet der Stadt Warstein, die nicht unbedingt durchgeführt werden müssen, vermieden werden sollten“ und dass „der Aufenthalt in geschlossenen Räumen das Ansteckungsrisiko verringert“.
Bis zu diesem Zeitpunkt wurden diese Hinweise in dem Fragen- und Antwort-Katalog auf der Homepage und am Bürgertelefon kommuniziert. Die Kreisverwaltung weist darauf hin, dass die Untersuchungen und Recherchen vor Ort weitergeführt und auch noch Proben genommen werden.
Zu diesem Zeitpunkt sind 141 Menschen erkrankt.
Kreis bestätigt Proben in der Warsteiner Kläranlage - Schulbeginn ist nicht gefährdet
Wochenende 31. August/ 1.September
Der Kreis bestätigt auf Nachfrage, dass auch Proben der Kläranlage in Warstein genommen wurden. Der Schulbeginn in Warstein könne aus derzeitiger Sicht wie geplant am Mittwoch starten, so der Kreis zu diesem Zeitpunkt: „Die Zahlen des jetzigen Legionellenausbruchs zeigen bisher, dass Kinder und Jugendliche eher nicht betroffen sind“, so die Begründung.
150 Krankheitsfälle gibt es zu diesem Zeitpunkt.
Montag, 2. September
Der Kreis Soest weist darauf hin, dass bei der Suche nach der Quelle des Legionellenausbruchs in Warstein nach wie vor Verdunstungsrückkühlanlagen und Luftwäscheanlagen im Fokus stehen. Trotzdem werde allen begründeten Hinweisen nachgegangen. Die Kläranlage Warstein sei bereits am Donnerstag, 22. August, von den Experten aufgesucht worden. Dabei ging es vor allem darum sicherzustellen, dass sich vor Ort keine Verdunstungsrückkühlanlagen befinden. Sicherheitshalber seien im Nachgang noch Proben genommen. Deren Ergebnisse erwartet das Bonner Uni-Institut Mitte der Woche. Derweil sagt der Ruhrverband auf Nachfrage, dass Proben in der Kläranlage am 30. August genommen worden seien.
Die offensichtliche Vorgabe des Kreises Soest, dass nur dieser die neuen Erkrankungszahlen herausgeben darf, trägt seltsame Blüten. In einer Pressekonferenz des Krankenhauses am Nachmittag können die Zahlen nicht bekannt gegeben werden, da sie noch nicht von der Kreis-Pressestelle freigegeben wurden. Diese wiederum kann die Information nicht herausgeben, da die Zahlen noch nicht vom Krankenhaus bestätigt wurden.
Es sind mittlerweile 152 Erkrankte.
Dienstag, 3. September
Die Zahl der Erkrankten steigt um zwei Fälle auf 154 an. Ergebnisse der Proben liegen noch nicht vor, sie werden für Mittwoch, 4. September, erwartet. Dann gibt der Kreis Soest erneut eine Pressekonferenz.