Siegen. Altes Druckhaus Häutebachweg als Neue Architekturschule Siegen: Entwurf der renommierten Star-Architekten bringt deutlich Veränderungen für die City.

Das neue alte Druckhaus soll ein Aushängeschild sein, Anziehungspunkt und Attraktion; für die Uni und für die Stadt. Die „Neue Architekturschule Siegen“ (NAS) wird der erste und wohl auch wichtigste Baustein am neuen Teilcampus Süd entlang des Häutebachwegs. Nachdem der weitere Umzug der Universität Siegen vom Haardter Berg in die Innenstadt (Projekt „Siegen - Wissen verbindet“) zuletzt etwas ins Stocken geraten war, nimmt er hier Fahrt auf. Schon in wenigen Jahren könnte das Gebäude fertig sein - und eine Art „Neue Ufer 2.0“ werden. Denn mit diesem ziemlich einzigartigen Gebäude würde sich die „öffentliche“ Innenstadt an die Weiß erweitern, wo ein „Flussgarten“ entstehen soll.

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Der Entwurf für die NAS (wir berichteten) ist dabei in mehrerer Hinsicht durchaus revolutionär. Einmal wegen des Entstehungsprozesses: Die Architektur-Professoren Bert Bielefeld und Thorsten Erl waren an Uni-Kanzler Ulf Richter herangetreten mit dem Wunsch, schneller in die Innenstadt zu ziehen und das alte Druckhaus, das die Hochschule bereits gekauft hatte, als Lösung auf Zeit herzurichten. Bei der Analyse des Gebäudes stellte sich heraus, dass es statisch solide und nicht belastet von Schadstoffen ist. In einer „Summer School“ im August 2023 erarbeiteten Studierende und Lehrkräfte des Departments zusammen mit mehreren namhaften europäische Architekturbüros in einem einwöchigen Workshop dann Ideen für die Umnutzung des Gebäudes. Ergebnis am Ende: Hier lohnt sich nicht nur der Übergang, sondern ein Umbau des Bestands hinsichtlich einer langfristigen Lösung.

In Siegen: Zukunftsweisender Bau für Hochschulen in den Innenstädten

Die Ideen wurden dann weiter ausgearbeitet, der nun vorliegende Siegerentwurf der Berliner Büros Fakt und Gustav Düsing wurde von einer Jury ausgewählt. „Ein Verfahren, das ich in der Form noch nicht erlebt habe“, lobt auch Siegens Stadtbaurat Henrik Schumann - vor allem, das heben alle Beteiligten hervor, weil die Anforderungen der Studierenden in den Mittelpunkt gerückt wurden. Hier werde ein ganz besonderer Ort geschaffen, einzigartig und vorbildhaft allein durch Lage und Gebäude - und somit auch ein echtes Auswahlkriterium beim Studienort. „Hier sind die Professoren zu Gast bei den Studierenden“, zeigt sich der Kanzler begeistert.

Hier sind die Professoren zu Gast bei den Studierenden.
Ulf Richter - Kanzler, über den Entstehungsprozess und das Konzept des Gebäudes

Durchaus revolutionär sind dabei auch die optisch-künstlerische Qualität und die technische Konstruktion, die in besonderem Maße auf Nachhaltigkeit setzt, da die Immobilie nahezu vollständig erhalten wird („graue Energie“), nach dem Motto „kein Krümel Material geht verloren“, erläutert Ulf Richter. Einsatz und Ressourcen werden minimiert, nicht mit Blick auf „öko“, sondern um „sehr gute Architektur“ mit neuer, hochwertiger Ästhetik zu schaffen, sagt Stadtplaner Prof. Erl. Gustav Düsing habe für seinen aufsehenerregenden Entwurf für ein Studienzentrum der TU Braunschweig mehrere bedeutende Architekturpreise gewonnen, darunter den europäischen Mies-van-der Rohe-Preis, der als höchste Auszeichnung der Szene gilt, sagt Prof. Erl. Diesen Ansatz verfolge auch die NAS in Siegen - und verstetige damit diesen neuen Ansatz, mit dem Universitäten zu Akteuren nachhaltigen Städtebaus werden, sagt Prof. Tobias Hönig, Lehrgebiet Gebäude und Entwerfen. Braunschweig habe noch als extrem und umstrittener Ausnahmefall gegolten - in Siegen entstehe ein mustergültiger Prototyp dafür, wie Hochschulen in Innenstädten künftig nachhaltig bauen.

Die Stadt Siegen und ihre Bewohner sollen etwas von der Neuen Architekturschule haben

Dieses Uni-Gebäude im Zentrum Siegens werde für die Bevölkerung erlebbar und damit in einer dritten Hinsicht revolutionär. Was bislang zaghaft im Ansatz in der Passage durch die Universitätsbibliothek Unteres Schloss, ehemaliges Gefängnis und stärker mit der Innenstadt-Mensa angestrebt war, soll am Häutebachweg noch deutlich konkreter werden. Vor allem durch die Flusslandschaft an der Weiß: Die Renaturierung des Gewässers als Aufenthaltsfläche mit Uferweg, Wiesen und Fußgängerbrücke Richtung Haus der Musik war bereits wichtiger Bestandteil des Masterplans von 2019 und wird hier wieder aufgegriffen. Das durchlässige Erdgeschoss soll so ausgelegt werden, dass es bei Hochwasser komplett geflutet werden kann - dabei spielen rechtliche und organisatorische Fragen eine wichtige Rolle, da im Ernstfall in kürzester Zeit evakuiert werden muss. Ansonsten soll es für die Öffentlichkeit jederzeit zugänglich sein, auch der dahinterliegende „Flussgarten“ an der Weiß und damit der Stadtgesellschaft zur Verfügung stehen, ebenso durch weitere Angebote im Innern. Auch der „Cloudspace“, das flexibel nutzbare, luftige Dachgeschoss, erreichbar über breite Rampen, soll für Veranstaltungen genutzt werden und so die angestrebte Verzahnung von Uni und Stadt vorantreiben.

Plan des künftigen alten Druckhauses am Häutebachweg in Siegen: Zur Neuen Architekturschule gehören auch die beiden Nachbargebäude - das Wohngebäude (links) und die Galerie (rechts).
Plan des künftigen alten Druckhauses am Häutebachweg in Siegen: Zur Neuen Architekturschule gehören auch die beiden Nachbargebäude - das Wohngebäude (links) und die Galerie (rechts). © FAKT + Gustav Düsing | FAKT + Gustav Düsing

Wenn alles gut geht, sagt Kanzler Richter, dauert die Planung ein Jahr, der Bau 2,5 Jahre. Sobald Grünes Licht für die Finanzierung von der NRW-Landesregierung komme, könne man loslegen - die entsprechenden Verträge liegen unterschriftsreif bereit. Allerdings müssen alle rechtlichen und organisatorischen Hürden ausgeräumt sein, warnt Projektsteuerer Michael Siepmann von der Uni, nicht alle Ideen werden wohl genau so kommen - aber viele. Zum NAS gehören auch die beiden Nachbargebäude: Hausnummer 9, die Galerie Kaiser. Der Altbau werde erweitert und dabei integriert, vor allem für Verwaltung. Das Wohnhaus auf der anderen Seite werde zurückgebaut. Bevor es losgehen kann, muss auch die Stadt ihre Hausaufgaben machen: Planungsrecht schaffen und Städtebau-Fördermittel hereinholen. Der Häutebachweg soll wie geplant zur Fahrradstraße werden - nur Anwohner dürfen mit dem Auto einfahren -, die Straße selbst wird zu einem Platz erweitert. Wie berichtet soll das Gebäude um zwei weitere Etagen aus Holz erweitert werden; diese Höhe war bereits im ursprünglichen Masterplan von 2019 vorgesehen und werde auch weiterhin nicht überschritten, bekräftigt Stadtbaurat Schumann.

Uni Siegen: Campus Hölderlin soll aufgegeben werden - dafür braucht es Platz in der Stadt

Zusammen mit der NAS nimmt der Uni-Umzug auch auf der anderen Seite des Siegbergs Fahrt auf: Die alte Textilfabrik an der Friedrichstraße sei neben dem alten Druckhaus und Hettlage-Gebäude das dezeit wichtigste Projekt der Uni Siegen. Die bislang vom Jobcenter genutzte Immobilie mit 1000 Quadratmetern Nutzfläche soll mit einem Anbau erheblich auf bis zu 4000 m2 erweitert, dazu der große Parkplatz bebaut werden. Man habe dringenden Bedarf nach neuen Flächen, weil vor allem der Campus Hölderlinstraße nicht mehr lange nutzbar sei. „Der bereitet mir schweres Kopfzerbrechen“, sagt Kanzler Richter, und soll ebenso baldmöglichst aufgegeben werden wie Teile des Paul-Bonatz-Campus. Dafür brauche es aber eben neue Flächen in der Innenstadt. Auch bei der alten Textilfabrik soll der Bestandsbau vollständig genutzt werden. Dazu gehören auch der „Anger“, der zentrale große Platz am Teilcampus Nord, sowie die große Freitreppe hinauf zur Oberstadt, die ein wichtiges Anliegen der Stadt Siegen ist.

 Noch eine künftige Großbaustelle der Uni in Siegen: Der Teilcampus Nord entlang der Friedrichstraße mit der alten Textilfabrik (links).
 Noch eine künftige Großbaustelle der Uni in Siegen: Der Teilcampus Nord entlang der Friedrichstraße mit der alten Textilfabrik (links). © Stadt Siegen | Stadt Siegen

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Grober Kostenrahmen für Druckhaus und Textilfabrik: eine (vermutlich höhere) zweistellige Millionensumme. Einen hohen zweistelligen Millionenbetrag kostet auch das Haus Hettlage allein - da wird neu gebaut. Die nachhaltige Bauweise mit Nutzung des Bestands, sagt der Kanzler, mache sich auch wirtschaftlich bemerkbar.