Siegen. Wohnungs- und obdachlose Menschen unterzubringen, wird in Siegen schwieriger. Das liegt am Wohnungsmarkt – aber auch an persönlichen Problemen.

Angesichts des angespannten Wohnungsmarkts wird es für die Stadt Siegen schwieriger, Menschen ohne eigene Bleibe angemessen unterzubringen. Hinzukommen kaum zu prognostizierende weltweite Fluchtbewegungen und eine größer werdende Zahl an Menschen, die erhöhten Unterstützungsaufwand für die Bewältigung des Alltags benötigen. Das geht aus einem Konzept hervor, mit dem sich der Ausschuss für Soziales, Familie und Senioren am 15. Mai befasst.

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Der Titel ist sperrig, zeigt aber bereits die Komplexität des Themenfelds an. In das „Konzept zur Unterbringung und Betreuung von wohnungs- und obdachlosen Menschen, sowie der Präventionsarbeit (Wohnungsnotfälle – Vermeidung von Wohnungslosigkeit) und der Unterbringung von Flüchtlingen, Asylbewerbern und Aussiedlern“ sind „insbesondere auch die in der Praxis gemachten Erfahrungen und aktuellen Entwicklungen“ mit eingeflossen, wie der Vorlage zu entnehmen ist.

Siegen: Schwierige Lage auf dem Wohnungsmarkt für viele ein Problem

Von im Schnitt 400 bis 600 Personen, die die Stadt in den vergangenen fünf Jahren mit Wohnraum versorgte, waren „300 bis 500 ... dem Personenkreis der Flüchtlinge, Asylsuchenden und Spätaussiedler zuzuordnen“, die übrigen zählen zur Gruppe der Wohnungs- und Obdachlosen, wie in dem Konzept dargelegt wird. Ziel sei es, die Menschen „dezentral in regulärem und angemessenem Wohnraum unterzubringen“, um „gelingende Integration oder Reintegration zu fördern“. Das allerdings muss geschehen vor dem Hintergrund des „zu wenig zur Verfügung stehenden Wohnraums“ sowie „der besonderen Anforderungen von Teilen der unterzubringenden Personengruppen.“

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Außerdem müssen Kapazitäten vorgehalten werden, um im Falle plötzlich steigenden Bedarfs – etwa in Folge eskalierender internationaler Konflikte wie dem Ukrainekrieg – kurzfristig mehr Menschen eine adäquate Unterkunft zur Verfügung stellen zu können. Die Stadt Siegen setzt hier laut Konzept auf eine Reserve von rund 30 Prozent – gemessen an der Zahl der zum jeweiligen Zeitpunkt bereits unterzubringenden Personen – an. „Das ist schon eine riesige Herausforderung“, merkt Steffen Weiskirch, Leiter der Abteilung Soziale Leistungen, im Gespräch mit der Redaktion an. Gerade im Bereich so genannten bezahlbaren Wohnraums ist der Markt in Siegen nämlich, sehr vorsichtig formuliert, nicht gerade übersättigt und „die vorhandenen Objekte sind unter Berücksichtigung von Kapazitätspuffern und Belegungsaspekten ausgelastet“, wie im Konzept nachzulesen ist.

Wohnungslos in Siegen: Nicht alle Menschen kommen in Unterkünften zurecht

Grundsätzlich bietet die Verwaltung verschiedene Wohnformen an, deren Anteil in der Praxis aber je nach Zielgruppe variiert. Deutlich wird das anhand der Beispielzahlen vom 31. Dezember 2023. Von 335 Menschen, die zum Kreis „Flüchtlinge, Asylsuchende und Spätaussiedler“ gehören, waren am Stichtag 261 in städtischen oder angemieteten Wohnungen und 74 in Übergangswohnheimen untergebracht, allerdings jeweils niemand in Notunterkünften oder Pensionen und Hotels. Von 102 wohnungs- beziehungsweise obdachlosen Menschen waren 39 in städtischen oder angemieteten Wohnungen, fünf in Übergangsheimen, 23 in Notunterkünften und 35 in Pensionen oder Hotels einquartiert. Das hat unter anderem damit zu tun, dass sich bei zweiterer Gruppe oft spontan Handlungsbedarf ergibt, weil Betroffene mitunter recht kurzfristig ohne Dach über dem Kopf dastehen. Dabei nimmt laut Konzept die Dauer der Unterbringungen zu. Die Gründe seien „vielschichtig“, doch über das begrenzten Wohnungsangebot hinaus spiele „der erhebliche Anstieg der Miet- und Nebenkosten“ eine wesentliche Rolle, wie die Verwaltung schreibt. Allein wegen „Wohnungsnotfällen“ seien im Jahr 2022 insgesamt 31.885 Übernachtungen in Notunterkünften zu verzeichnen gewesen: „Die höchste Zahl seit Einführung dieser Statistik im Jahr 1992.“

Dach überm Kopf?

Als wohnungslos gelten Menschen, die keine eigene Wohnung haben, aber anderweitig unterkommen: bei Freunden, Bekannten, Verwandten etwa.

Obdachlose hingegen „leben aus unterschiedlichen Gründen auf der Straße“, wie die Verwaltung erläutert. „Diese Personen erhalten regelmäßig Angebote zur Übernachtung in einer Notunterkunft der Universitätsstadt Siegen, lehnen diese und teilweise auch eine generelle sozialarbeiterische Unterstützung jedoch ab.“

Damit es erst gar nicht so weit kommt, unternimmt die Stadt nach eigenen Angaben „große präventive Anstrengungen“. „Die Anzahl der Personen, die Hilfe suchen, weil Wohnungslosigkeit droht, ist deutlich gestiegen“, heißt es im Konzept. Dabei können „wohnbegleitende Unterstützungsmaßnahmen“ erforderlich sein. Dazu gehören etwa „Hilfestellungen und Beratungen bei der Bewältigung des alltäglichen Lebens“, ist in dem Papier erklärt – „zum Beispiel Verhalten in Unterkünften, Hygiene, Wohnungsvermittlung“. Es gilt allerdings, „dass es keine Verpflichtung gibt, die genannten Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen“ – selbst wenn dies aus professioneller Sicht angeraten wäre.

Beachtet werden muss, dass es keine Verpflichtung gibt, Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen.
Die Stadt Siegen über die Unterstützung von wohnungs- und obdachlosen Menschen

Siegen: Wohncontainer für Obdachlose an der Leimbachstraße bezugsfertig

An dieser Stelle können die Herausforderungen noch einmal signifikant zunehmen. Im Konzept wird darauf hingewiesen, dass „seit einiger Zeit bundesweit eine starke Zunahme von besonders intensiv zu betreuenden Personen festgestellt“ werde, die „oftmals an diversen Suchtproblematiken oder psychischen Erkrankungen“ leiden und „im Verhalten massive Auffälligkeiten zeigen“. Das muss keineswegs zwangsläufig mit kriminellen oder gewalttätigen Tendenzen zu tun haben, wie Steffen Weiskirch betont. In manchen Fällen ist damit aber eine Einzelunterbringung die einzige Option, die Erfolgsaussichten hat. In Siegen wurden deshalb extra acht Einzelwohncontainer auf einer städtischen Fläche neben dem Leimbachstadion aufgebaut, um Menschen, die in Gemeinschaftsunterkünften nicht zurechtkommen, unterzubringen. Dagegen regte sich massiver Widerstand von Anwohnerinnen und Anwohnern aus dem Umfeld. Der Einzug des ersten Bewohners dieser Container ist für den 7. Mai geplant.

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