Siegen. Problemfälle beschäftigen das Siegener Sozialamt: Der Betreuungsaufwand und die Schäden sind teilweise beachtlich. Neues Unterbringungskonzept.

Die Stadt Siegen plant den Kauf von Wohnraum, um Obdachlose, Geflüchtete, Asylbewerber und Aussiedler dort unterzubringen. Derzeit werden diese Menschen bei Bedarf überwiegend in angemieteten Wohnungen untergebracht.

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Weil es verstärkt zu Problemen mit manchen Personengruppen und in der Folge dann auch mit den Vermietern kommt, will die Stadt Wohnungen kaufen – und so auch die Verwaltungsarbeit effizienter machen.

Die Stadt Siegen mietet Wohnraum überall im Stadtgebiet an

Geflüchtete, Asylbewerber und Aussiedler werden derzeit möglichst dezentral im Stadtgebiet untergebracht und sollen möglichst kurz in den Gemeinschaftsunterkünften bleiben. Den wenigen städtischen Wohnobjekten – drei Übergangseinrichtungen und drei Wohnungen mit zusammen 115 Plätzen – stehen in größerem Umfang angemietete Wohnungen gegenüber; rund 60 Objekte überall in Siegen verteilt, mit insgesamt 394 Plätzen. Zahlreiche Immobilien wurden nach Anstieg und Rückgang der Geflüchtetenzahlen inzwischen wieder aufgegeben.

Leerstände

Die Flüchtlingsunterkunft Siegtalstraße ist nach einem Brand im Februar 2020 nicht mehr bewohnbar, sie soll abgerissen und das Grundstück für sozialen Wohnungsbau verkauft werden.

Die frühere Kita Waldesruh hatte einen Wasser- und Leitungsschaden und wurde ebenso wie die ehemalige Burgschule und die Albert-Schweitzer-Schule an die Leerstandsverwaltung abgegeben.

Die Fachstelle für Wohnungsnotfälle verfügt über zwei Objekte mit 28 Plätzen sowie zwei angemietete mit sechs Plätzen. Zahlreiche Personen sind in Hotels, Pensionen oder Monteurswohnungen untergebracht, die Kosten übernehmen direkt Sozialamt oder Jobcenter. Seit 2010 steigen die Fälle hier deutlich und kontinuierlich – von 6902 Übernachtungen auf 29.777 im Jahr 2020.

Problemfälle brauchen intensive Betreuung durchs Siegener Sozialamt

Die Stadt Siegen ist wie jede Kommune verpflichtet, diese Klientel zu versorgen, was in manchen Bereichen zunehmend problematischer wird. Die, die nach wie vor in den Flüchtlings- und Asylbewerber-Unterkünften wohnen, „sind aus verschiedenen Gründen entweder für den regulären Wohnungsmarkt ungeeignet (psychische Probleme, Sucht, kriminelles Verhalten, Fremdaggressivität), die bereitgestellten Unterkünfte werden als ausreichend empfunden, so dass eine Wohnungssuche nicht in Erwägung gezogen wird oder es konnte bisher kein privater Wohnraum angemietet werden (sog. Fehlbeleger)“, so die Verwaltung – hier falle hoher Beratungs- und Betreuungsaufwand an.

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Auch die Personen, die die Fachstelle für Wohnungsnotfälle betreut, würden zum Teil zunehmend enthemmter und „bedürfen einer engmaschigen und tiefergehenden Betreuung. Die Verweildauern in den bereitgestellten Unterkünften steigen.“

Manche Personen sind so aggressiv, dass sie nur alleine wohnen können

In beiden Gruppen komme es regelmäßig zu Sachbeschädigungen, Vandalismus, Aggression und in der Folge Polizeieinsätzen. In der Konsequenz muss sich die Verwaltung mit den Folgen herumärgern. Rücksprachen werden nötig, die Vermieter sind oft aufgebracht, die Abstimmung mit den Versicherungen aufwändig. „Das bedeutet jedes Mal Ärger.“

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Es zeichne sich ab, dass es bestimmte, besonders schwierige Personen gebe, die einzeln untergebracht werden müssen, um solche Probleme einzudämmen. Dabei handle es sich um Menschen, die wohl nie selbst eine Wohnung mieten werden und daher dauerhaft von der Stadt untergebracht werden müssen. Derzeit besteht auch die Gefahr, dass solche aggressiven Personen in Mehrbettzimmern leben müssen, wenn keine Einzelzimmer zur Verfügung stehen – und die dann anderweitig nicht belegt werden können.

Eigentum würde erheblich weniger Aufwand für die Stadt Siegen bedeuten

Wohnraum anzumieten, versetzt die Stadt zwar in die komfortable Situation, das nach Bedarf tun zu können – eine Wohnung in städtischem Eigentum kann nicht wie eine angemietete gekündigt werden, wenn niemand untergebracht werden muss. Zudem kostet der Kauf zumindest anfangs mehr Geld. Für die Anmietung fallen aber jährlich rund 800.000 Euro an – dauerhaft könnten hier Kosten reduziert und damit der Eigentumerwerb refinanziert werden – die niedrige Zinslage begünstige das. Mittelfristig sollen Eigentum-Kapazitäten geschaffen werden analog zu den derzeitigen Miet-Kapazitäten.

Für die Verwaltung von Vorteil wäre überdies, dass gerade Schadensregulierung intern geregelt werden kann, ohne sich mit Vermietern und deren Versicherungen auseinandersetzen zu müssen – das spart Zeit. Gleiches gilt auch für die An- und Abmietung an sich sowie das „Weiterverteilen“ von Unterkunfts- und Energiekosten. „Bei über 60 angemieteten Objekten bindet dies erheblichen Arbeitsaufwand“, schreibt Oliver Schmidt, Leiter des Siegener Sozialamts, in der Ratsvorlage. Auch erforderliche Umbauten wären unbürokratischer möglich. Und nicht zuletzt käme es wohl auch dem Image der Stadt zu Gute, die durchaus als „schlechte Mieterin“ gilt, wenn sie problematische Personen unterbringen muss – im Wiederholungsfall werfen renitente Bewohner kein gutes Licht auf die Stadt.

Sozialamt Siegen bestellt „vandalismusunanfällige“ Wohncontainer

Insbesondere mit Blick auf die „Störer“ kann die Stadt in eigenen Gebäuden Umzüge veranlassen und durch ein intelligentes Belegungskonzept verhindern, dass es zu Problemen kommt. Bei Einrichtungen, die der Stadt gehören, könnte es auch entsprechende Arbeitsplätze in der Nähe betreuungsintensiver Personen geben – es zeichne sich ab, dass diese Situation weiter anhalten oder sich noch verstärken werde. „In vielen Fällen stellt sich durch die tiefgreifenden individuellen Problemlagen eine Perspektivlosigkeit ein, die ohne professionelle Hilfe nicht durchbrochen werden kann.“

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Für 2021 habe man bereits 150.000 Euro für entsprechend ausgestattete Wohncontainer beantragt, die „vandalismusunanfällig“ ausgekleidet sind. Die Gruppe der teils psychisch kranken „Systemsprenger“ habe oft eine zwei- bis dreistellige Zahl von Strafverfahren am Hals, würden im Zimmer zündeln oder dieses mit Fäkalien beschmieren, beleidigen, randalieren. Mehrmals täglich seien die Behörden in solch harten Fällen gefordert. Container seien auch als Sozialarbeit-Büro oder für Sicherheitsdienste geeignet.

Die Situation der Geflüchteten und Obdachlosen in den Siegener Unterkünften:

Die Situation der Geflüchteten und Obdachlosen in der Corona-Pandemie ist zufriedenstellend, berichtet Sozialdezernent André Schmidt im Sozialausschuss. Die hygienischen Verhältnisse in den Unterkünften seien nicht zu beanstanden, Mindeststandards gewährleistet. Zimmer werden mit maximal zwei Personen belegt, die Maskenpflicht wird kontrolliert, Gemeinschaftsräume regelmäßig gereinigt. Dass die Stadt jede wohnungslose Person auf Wunsch unterbringt, ist auch in Corona-Zeiten uneingeschränkt gültig, betont Schmidt.

Gibt es in Gemeinschaftsunterkünften Corona-Verdachtsfälle, gelten die gleichen Regeln und Maßnahmen wie überall anders auch: Betroffene werden an der Tiergartenstraße in eigens hergerichtete Räume in Quarantäne gebracht und auch dort betreut.

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