Siegen. Siegen braucht mehr Wohnraum, auch wenn die Zahl der Bauanträge zurückgeht, betont die Stadt. Bsser als am Wellersberg sei das nicht erreichbar.
Vorzeigequartier, dringend benötigter bezahlbarer – und geförderter – Wohnraum, Entlastung des angespannten Wohnungsmarkts: Die Siegener Stadtverwaltung wirbt weiter dringend dafür, das geplante Wohngebiet auf dem Gelände des früheren Munitionsdepots am Wellersberg zu verwirklichen. Hintergrund ist ein von Volt beantragtes Moratorium, das Vorhaben zu überprüfen, bevor unwiderruflich Fakten geschaffen würden, die eine Fehlentwicklung betonierten.
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„Städtebau dauert lange“, begründet Christian Welter für Volt im Bauausschuss den Antrag – Mitte 2020 hatte der Rat die Verwaltung einstimmig beauftragt, das Wohngebiet zusammen mit NRW Urban als „Fachfirma“ des Landes zu entwickeln und die Flächen zu kaufen. Inzwischen aber sei erkennbar, dass der Anlass „wahrscheinlich kein Fakt mehr“ sei: Bei den Bauanträgen sei ein Rückgang um 30 Prozent festzustellen, immer weniger Menschen könnten sich bauen wohl noch leisten. Insbesondere der Soziale Wohnungsbau, so Welter weiter, werde problematisch, „das will ja keiner machen“. Bei dem Vorhaben gebe es so viele Unstimmigkeiten, dass es im „städtebaulichen Fiasko“ enden könnte. Eine Siegplatte habe man noch zurückbauen können, „das wird hier nicht gehen. Es handelt sich immerhin um die Reste des historischen Tiergartens!“
Munitionsdepot am Siegener Wellersberg: Gesperrt,kontaminiert, trotzdem Natur
Zwar sei die Fläche für die Öffentlichkeit nicht nutzbar, könne als Grün- und Naherholungsraum aber aktiviert werden. „Immer mehr ältere Menschen leben allein in Einfamilienhäusern“, argumentiert der Architekt – auch hier gelte es anzusetzen. Zudem gelte es, die demografische Entwicklung zu berücksichtigen.
Marlene Krippendorf, die als Leiterin der Abteilung Stadtentwicklung/Stadtplanung das Projekt bearbeitet, widerspricht vehement: Die nach wie vor hohe Nachfrage nach Wohnraum sei mit der üblichen Entwicklung nicht zu befriedigen. Volt würde Wohnraum lieber entstehen lassen, indem un- und untergenutzte Flächen in der Stadt aktiviert wird (Nachverdichtung), statt „auf der grünen Wiese“ neue Flächen zu überbauen. Siegen werde das eine tun, ohne das andere zu lassen, entgegnet Krippendorf – zumal es eben keine grüne Wiese sei, sondern eine umzäunte, gesperrte Fläche, deren Boden aufgrund der Munitionslagerung kontaminiert ist. Man bringe hier ein „gemischtes, soziales, nachhaltig-ökologisches Vorzeigequartier auf den Weg“ und suche der Stadt Bestes, um den Menschen in Siegen Wohnraum und Arbeitsplätze zu sichern. Einen solchen Mehrwert für die Stadt wie auf dem Wellersberg lasse sich an keiner anderen Stelle Siegens realisieren – ohne in wirklich hochwertige Flächen einzugreifen, wie die Abteilungsleiterin betont.
Grüne: In Siegen in dieser Größenordnung sonst kaum Platz für Wohnungen
Außerdem sei das Projekt bereits viel zu weit fortgeschritten, um jetzt noch gefahrlos eine Vollbremsung einzuleiten: In den drei Jahren habe man einiges auf den Weg gebracht, um „den demokratischen Beschluss“ umzusetzen, habe konkretisiert, sei „gute Schritte vorangekommen.“ Die 30 Prozent geförderter Wohnraum auch keine des Wollens oder Nicht-Könnens, sondern Verpflichtung.
Alle anderen Fraktionen schließen sich dem an, der Gegenwind ist abgeflaut. Ein Rückgang bei den Bauwilligen für Einfamilienhäuser sei etwas anderes als der dringende Bedarf nach bezahlbarem Wohnraum, sagt Silke Schneider (Linke). Der größte Teil der wenigen noch existierenden Sozialbauwohnungen wird in den kommenden Jahren wegfallen, „wollt Ihr, dass in Siegen nur noch Reiche wohnen können? Ich nicht.“ Ansgar Cziba (Grüne) sieht in Innenstadtnähe keine anderen Möglichkeiten für geförderten Wohnraum und erinnert daran, dass seinerzeit auch Volt für die Zusammenarbeit mit NRW Urban gestimmt hatte, „es wäre ein schwieriges Zeichen, jetzt mit Karacho auf die Bremse zu treten“.
Demografische Entwicklung: Siegen wächst – und braucht auch dafür Wohnraum
CDU-Mann Jens Uhlendorf möchte zwei Dinge so nicht stehen lassen: Die hohen Baupreise seien eine Momentaufnahme, „das wird sich regulieren“. Und die demografische Entwicklung sei genau eine andere: Die Stadt erweitert bald aufgrund deutlich steigender Schülerzahlen zwei Grundschulen, „wir brauchen dieses Wohngebiet!“ Thomas Christian (SPD) pflichtet bei: „Wir müssen jungen Familien die Möglichkeit geben, sich hier anzusiedeln. Wenn sie hier nichts kriegen, gehen sie woanders hin.“
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Volt-Vertreter Christian Welter stimmt für, alle anderen gegen das Moratorium.