Siegen. Immer mehr können etwa Energieschulden nicht mehr zahlen, Rentner zum Beispiel, oder Alleinerziehende. Neues Projekt soll Wohnungslosen helfen.

Um gezielt und nachhaltig Obdachlosigkeit zu bekämpfen, suchen nun Immobilienmaklerinnen nach Wohnungen für Betroffene in Siegen-Wittgenstein und Olpe. Mit Geld vom Land und aus dem Europäischen Sozialförderfonds hat die „Alternative Lebensräume“ (ALF) zusammen mit Caritas und Diakonie und unterstützt vom Kreis für das Projekt „Endlich ein Zuhause“ Immobilienfachwirtinnen eingestellt. Als „Kümmerer“ verbinden sie Expertise auf dem Wohnungsmarkt mit Sozialarbeit.

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Das zeigt bereits erste Erfolge: Mehrere Mietverträge konnten vermittelt, eine Stromsperre abgewendet werden.

Immer mehr Menschen in Siegen-Wittgenstein von Wohnungslosigkeit bedroht

Von diesem „Tandem“ aus sozialer Arbeit und Wohnungswirtschaft versprechen sich die Verantwortlichen, zwei wachsenden Problemlagen besser begegnen zu können, erklärt Lisa Assing, bei ALF zuständig für das Projekt. Denn der Wohnungsmarkt ist unverändert stark beansprucht, die soziale Lage zunehmend angespannt, immer mehr Menschen sind von Wohnungslosigkeit bedroht. Das betreffe in zunehmendem Maße etwa auch Rentnerinnen und Rentner, die ihre Energieschulden nicht mehr bezahlen können, berichtet Assing. Das Projekt sei daher auch stark präventiv ausgerichtet – so habe man auch Stromsperrungen schon rückgängig machen können.

„Housing First“: Ein Zuhause für Frauen

Beim Projekt „Housing First“ ist die Alternative Lebensräume selbst auf der Suche nach Wohnraum: Dieser wird von Wohnungslosigkeit betroffenen Frauen ohne Gegenleistung zur Verfügung gestellt. Diese Frauen leben nicht zwangsläufig auf der Straße, haben aber in Notunterkünften oder bei Bekannten auch kein wirkliches Zuhause.

ALF hat dazu vergangenes Jahr ein Haus in einem ländlichen Stadtteil Siegens gekauft und hergerichtet. Mit diesem Wohnsitz im Rücken, so der Ansatz, werden die Frauen begleitet in ein selbstbestimmtes Leben.

„Wir sind nach wie vor auf der Suche nach geeigneten Immobilien“, sagt Lisa Assing, die auch dieses Projekt betreut. Es gebe zwar eine hohe Bereitschaft, das Projekt zu unterstützen, wenn der Kontakt zu den Eigentümern einmal hergestellt sei, aber bei den derzeitigen Immobilienpreisen sei es oft schwierig, überhaupt in die Anfrage zu kommen: Bei diesen Summen „muss man das als sozialer Träger auch erstmal stemmen.“

Ein typischer Fall sei etwa auch die aus der Ukraine geflüchtete Mutter mehrerer Kinder, die ihre Unterkunft verlassen müsse. „Es kann gerade jeden treffen“, sagt Assing: „Wohnungslosigkeit hat viele Gesichter.“ Wohnungs- und Obdachlose, das seien nicht allein umherziehende Menschen (im Volksmund „Landstreicher“), sondern eben auch Senioren, Alleinerziehende, Geflüchtete. Insofern sei „Endlich ein Zuhause“ auch eine Kampagne gegen gesellschaftliche Stigmatisierung. „Wohnraum ist der Schlüssel zu allem“, sagt sie – und der drohende Verlust betreffe inzwischen eine riesige Masse Menschen.

Sozialer Wohnungsbau ein Kernproblem in Siegen-Wittgenstein – es gibt ihn fast nicht

„Die Klientinnen und Klienten kommen zu uns in der Hoffnung, dass wir ihnen bei der Wohnungssuche und -vermittlung helfen können“, beschreibt Lisa Assing das Prinzip. Die Maklerinnen recherchieren nach freien Wohnungen, stellen Kontakt zu den Vermietern her, begleiten die Menschen zum Besichtigungstermin. Der Gedanke dahinter: Viele der Betroffenen hätten auf sich gestellt nur wenig Aussicht, selbst an eine Wohnung zu kommen. Professionelle Begleitung und soziale Träger im Rücken sollen auch der Vermieterseite mehr Sicherheit geben, wo man oft auf Ängste und Vorbehalte treffe. „Wir begleiten auch die Mietverhältnisse“, betont die Sozialarbeiterin, „und bleiben als Ansprechpartnerinnen und Kümmerer dabei.“

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So soll Leerstand – von dem die Ukraine-Krise und die Unterbringung Geflüchteter gezeigt hat, dass es ihn gibt – aktiviert werden. Sozialer Wohnungsbau ist ein Kernproblem in Siegen-Wittgenstein – weil er quasi nicht stattfindet, die geförderten Wohnungen werden jedes Jahr weniger. „Wir können mit dem Projekt in die Bresche springen“, sagt Lisa Assing. Dazu soll auch ein Netzwerk mit den Kommunen, den großen Wohnungsbaugesellschaften in der Region geschaffen werden: Kooperationsverträge mit den Genossenschaften beispielsweise, die ein gewisses Wohnungskontingent für „Endlich ein Zuhause“ zur Verfügung stellen.

Immobilienmaklerinnen sorgen für Sicherheit – für Klienten und Vermieter

Isabell Trocha ist, vorwiegend im Wittgensteiner Raum, zuständig für die Wohnungsakquise: Sie ist ausgebildete Immobilienkauffrau, studiert zudem in Teilzeit Kindheitspädagogik. Statt als Maklerin bei Banken zu arbeiten oder sich selbstständig zu machen biete sich bei „Endlich ein Zuhause“ die Möglichkeit, ihren beiden Berufe zu verknüpfen, sagt sie: „Das ist wirklich toll für mich!“ Wie bei einer regulären Maklerinnentätigkeit richtet sie für Klientinnen und Klienten Anfragen an Vermieter, erklärt das Projekt, die Vorteile, begleitet Kennenlerntreffen. Es soll genau passen – und auch die Eigentümer überzeugen, die sich scheuen, die Einliegerwohnung im eigenen Haus an Fremde zu vermieten. So könnten die Mieter, je nach Absprache, etwa Einkäufe für ältere Vermieter übernehmen oder Hausmeistertätigkeiten. „Wir sorgen für gut funktionierende Mietverhältnisse“, sagt Lisa Assing.

Alternative Lebensräume, Caritas und Diakonie Soziale Dienste stellen im Sozialhäuschen auf dem Siegener Weihnachtsmarkt das Projekt Endlich ein Zuhause vor (von links): Isabell Trocha (Immobilienmaklerin Diakonie), Christin Schilling (Sozialarbeiterin Caritas), Achim Krugmann (Geschäftsbereichsleiter Diakonie) und Lisa Assing (ALF).
Alternative Lebensräume, Caritas und Diakonie Soziale Dienste stellen im Sozialhäuschen auf dem Siegener Weihnachtsmarkt das Projekt Endlich ein Zuhause vor (von links): Isabell Trocha (Immobilienmaklerin Diakonie), Christin Schilling (Sozialarbeiterin Caritas), Achim Krugmann (Geschäftsbereichsleiter Diakonie) und Lisa Assing (ALF). © Hendrik Schulz

Kontakt und Infos – Diakonie: Isabell Trocha, 0160 / 90324076, ; Alternative Lebensräume: Lisa Assing, 01578 / 0913926, ; Caritas: Christin Schilling, 0271/23602-10, ; und www.siegen-wittgenstein.de/endlich-ein-zuhause.

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