Siegen. Kanten, Löcher, wacklige Bodenplatten: Teile von Siegens Fußgängerzone sind seit Jahren Sanierungsfälle. Doch bisher passiert stellenweise nichts

Der Scheinerplatz in Siegen ist mit reichlich Stolperfallen übersät, viel ändern wird sich daran zumindest auf mittlere Sicht wohl nicht. Eine Sanierung vor dem Sommer 2026 ist nicht vorgesehen, wie aus Ausführungen der Verwaltung ersichtlich ist. Bis dahin dürfte sich der bereits jetzt an vielen Stellen schlechte Zustand des Platzes vor dem Theater weiter verschlimmern – und es ist nicht der einzige Bereich in der Innenstadt, wo Fußgängerinnen und Fußgänger auf Kanten, Löcher und wacklige Bodenplatten achtgeben müssen.

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Das Problem, dass die Verwaltung mit einer zeitnahen Sanierung des Scheinerplatzes hat, liegt in bürokratischen Regelungen begründet, auf die die Stadt allerdings keinen Einfluss hat. Für die Herrichtung der Fläche vor dem Apollo Mitte der 1990er Jahre gab es öffentliche Fördermittel. Diese unterliegen allerdings einer Zweckbindung, laut Verwaltung läuft diese im Falle des Scheinerplatzes erst am 3. Juli 2026 ab. „Zweckbindung“ bedeutet, dass die Mittel ausdrücklich für ein bestimmtes Projekt mit bestimmtem Ergebnis zugeteilt werden, in diesem Fall also die Gestaltung des Platzes. Wird daran im Nachhinein etwas verändert, könnte es sein, dass die Stadt zumindest anteilig Zuschüsse zurückzahlen muss. Die Kosten für die Sanierung würden somit steigen, ein Abwarten ist mit Blick aufs Geld also prinzipiell naheliegend.

Der Belag des Scheinerplatzes wurde 1996 verlegt. Mittlerweile sind etliche Platten beschädigt, die Fugen sind ausgespült und deshalb teilweise sehr breit, der Boden hat viele Unebenheiten.
Der Belag des Scheinerplatzes wurde 1996 verlegt. Mittlerweile sind etliche Platten beschädigt, die Fugen sind ausgespült und deshalb teilweise sehr breit, der Boden hat viele Unebenheiten. © WP | Florian Adam

Siegen: Stolperfallen auf dem Scheinerplatz seit Jahren ein Problem

Die Schwierigkeiten auf der prominenten Fläche bestehen allerdings schon lange. Bereits im Oktober 2016 kündigte die Verwaltung eine Vorlage für die Sanierung an und stellte eine zeitnahe Umsetzung in Aussicht. Doch das Vorhaben stellte sich als komplizierter heraus als zunächst gedacht. 2018 wurde im Bereich zwar ein quadratisches „Testfeld“ verlegt, um eine langfristig haltbare Lösung zu erproben. Danach aber passierte weiter nichts; abgesehen davon, dass der Bodenbelag in immer schlechteren Zustand geriet.

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Im vergangenen April machte der Inklusionsbeirat noch einmal auf die Schäden und die damit verbundenen Stolperstellen aufmerksam und erkundigte sich im Bauausschuss nach Sanierungsplänen. „Breite Fugen zwischen den Platten, mehrere Zentimeter hervorstehende Gullideckel und herausgebrochene Stücke aus den Platten sind keine Seltenheit“, hieß es in der Anfrage. Der Inklusionsbeirat schätzte den Bereich als „eine Gefahr für jeden Menschen, insbesondere geh- und sehbehinderte Menschen“ ein, außerdem würden „Eltern mit Kinderwagen stark eingeschränkt“ und Rollstuhlfahrer könnten „mittlerweile dort gar nicht mehr lang fahren“.

Die Bodenplatten auf dem Scheinerplatz sind an vielen Stellen beschädigt.
Die Bodenplatten auf dem Scheinerplatz sind an vielen Stellen beschädigt. © WP | Florian Adam

Stolperfallen in Siegen: Sanierung des Scheinerplatzes ist nicht einfach

Aktuell, also fast ein Jahr später, sieht es auf dem Scheinerplatz nicht besser aus; im Gegenteil. Uneingeschränkten Grund zur Freude gab es hier sowieso nicht sonderlich lange. Der Granitbelag wurde 1996 für damals 1,64 Millionen D-Mark verlegt, bis 2005 gab es keinen nennenswerten Anlass zur Klage. Für den Bau des Sieg-Carrés wurden dann aber die Platten in den stärker belasteten Fahrspuren entfernt und anschließend wieder eingesetzt. Diese Maßnahme sollte dem Schutz der Platten dienen. Doch das damals verwendete Bettungs- und Fugenmaterial entsprach nicht dem „allgemein anerkannten Stand der Technik“, wie die Verwaltung in einer Vorlage für den Bauausschuss Anfang 2017 unter Berufung auf einen Gutachter erläuterte. Bei Belastung wurde das Fugenmaterial zerrieben und vom Regen ausgespült, der Unterbau verdichtete sich in der Folge so, dass Wasser nicht abfließen konnte – heikel vor allem bei Minusgraden, weil gefrierendes Wasser sich ausdehnt und so Strukturen schädigen kann. Ohne die Fugen bekamen die Bodenplatten außerdem so viel Spiel, dass sie aneinanderstoßen und dabei Kanten abbrechen konnten – was an vielen Stellen auch geschehen ist.

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Eine Sanierung stand mehrfach im Raum, stellte sich allerdings bei genauerer Betrachtung als komplizierter und aufwendiger heraus, als ursprünglich angenommen. Schon 2017 war klar, dass eine Sonderbauweise erforderlich würde, eine sogenannte gebundene Bauweise. Diese Lösung wurde zwar als Mittel der Wahl eingeschätzt, nach damaliger Auskunft der Verwaltung gab es dafür aber zu diesem Zeitpunkt in Deutschland keine Regelungen, Richtlinien und Normen. Um kein weiteres Desaster zu erleben, ließ die Stadt deshalb zunächst ein Testfeld anlegen: „Die Granitsteine sind rutschhemmend geflammt, die Fugen werden mit Mörtel verschlossen“, hieß es dazu. Und dieses Testquadrat, 2018 recht zentral in den Scheinerplatz integriert, zeigt bis heute keine erkennbaren Macken, Risse oder Kanten.

Der Scheinerplatz in Siegen ist wegen zahlreicher beschädigter Bodenplatten schon lange ein Sanierungsfall. Auf einer Testfläche hat die Stadt ausprobiert, wie die zukünftige Lösung gestaltet sein könnte. Bis der gesamte Platzbelag erneuert wird, dauert es aber noch.
Der Scheinerplatz in Siegen ist wegen zahlreicher beschädigter Bodenplatten schon lange ein Sanierungsfall. Auf einer Testfläche hat die Stadt ausprobiert, wie die zukünftige Lösung gestaltet sein könnte. Bis der gesamte Platzbelag erneuert wird, dauert es aber noch. © WP | Florian Adam

Siegen: Bürger können der Verwaltung Stolperfallen melden

Was die Schäden ringsherum betrifft, weist die städtische Straßen- und Verkehrsabteilung nach mehrfacher Nachfrage der Redaktion darauf hin, „dass die Verkehrssicherheit gewährleistet wird“. Bürgerinnen und Bürger hätten „Mängelhinweise bislang über die Mängelmelder-App direkt in die Straßen- und Verkehrsabteilung kommunizieren“ können. Nach der Cyberattacke auf die Südwestfalen-IT sei diese Funktion zwar „noch nicht wieder hergestellt“, doch „alternativ steht die Telefonnummer 0271/404-3349 in der Straßen- und Verkehrsabteilung zur Verfügung“.

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Unter dieser Nummer können natürlich auch Mängel in anderen Bereichen gemeldet werden. Während solche Schäden sich in der Innenstadt etwa in der Bahnhofstraße oder der Kölner Straße in recht überschaubaren Grenzen halten – von vereinzelten Unebenheiten, abgebrochenen Kanten oder wippenden Steinplatten einmal abgesehen –, sieht es am Marktplatz anders aus. Hier wurden im Jahr 2000 Grauwackeplatten verlegt, die sich als nicht witterungsbeständig herausstellten, so dass auf Dauer viele davon brachen: „Ein echtes Ärgernis von Anfang an“, wie die Verwaltung unumwunden einräumte.

Am und rund um den Kornmarkt in Siegen sind etliche Bodenplatten beschädigt, Löcher sind teilweise mit Asphalt gefüllt.
Am und rund um den Kornmarkt in Siegen sind etliche Bodenplatten beschädigt, Löcher sind teilweise mit Asphalt gefüllt. © WP | Florian Adam

Kornmarkt Siegen: Fahrspur saniert, Platzfläche aber mit reichlich Schäden

Besonders betroffen war die Fahrspur zwischen Parkstreifen und Rathaus, wo die Stadt im Frühjahr 2019 einen Possehlbelag ähnlich wie auf Sieg- und Oberstadtbrücke aufbringen ließ. In den übrigen Bereichen blieb die Grauwacke liegen. Kaputt gehen diese Platten nach wie vor mit steter Regelmäßigkeit, städtische Mitarbeiter, so das bisherige Vorgehen, kümmern sich dann in gewissen Intervallen um den Austausch. Die Steine müssen dafür genau nach Maß für die jeweilige Position geschnitten werden, da sich über den Platz noch ein strahlenförmig verlegtes Muster aus schmalen Bahnen kleinerer Steine spannt, das erhalten bleiben soll.

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