Weidenau. Beton-Ungetüme am Haardter Berg werden noch eine Weile von der Uni Siegen genutzt: Science Campus an der Adolf-Reichwein-Straße verändert sich
Nach wie vor gilt der Masterplan: Die Universität Siegen zieht in weiten Teilen vom Haardter Berg in die Innenstadt – bis auf die Naturwissenschaftlich-Technische Fakultät. Die bleibt auf dem sogenannten „Bildungshügel“; künftig konzentriert am Campus Adolf-Reichwein-Straße (AR), der dafür zum „Science Campus“ ausgebaut wird. Seit 2018 liegt der Plan vor und mit den Jahren verändern und entwickeln sich Anforderungen und Rahmenbedingungen, Bedarfe müssen neu abgeschätzt werden. Es wird länger dauern als ursprünglich gedacht und sehr wahrscheinlich auch anders aussehen. Genau wie in der Innenstadt.
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Bis 2030, so der ursprüngliche Plan, sollte der AR-Campus, der dann nicht mehr Hauptstandort der Uni ist, erweitert werden: Weiter den Berg hinauf, Richtung Haardter-Berg-Straße und Recyclinghof, wo heute Sporthalle, Studierendenwerk-Kita und Schotterparkplatz sind. Um eine parkähnliche „Grüne Mitte“: Gebäude für Labore und andere Forschungs- und Lehreinrichtungen, mit dem „Incyte“ befindet sich das erste davon bereits im Bau. Es wird aber zunächst wohl auch das einzige bleiben. „Der Masterplan steht nach wie vor“, bestätigt Christian Vitt, stellvertretender Dezernent für Gebäude- und Liegenschaftsmanagement der Uni. Die konkrete Strategie sei aber in der Zwischenzeit fortgeschrieben worden. Man werde sich in den nächsten Schritten darauf konzentrieren, den unteren, bestehenden Campusbereich weiter- und umzunutzen. Vor allem Haardter-Berg-Schule und Siegerlandkolleg, beide ehemaligen Schulen liegen direkt auf dem Campus (oberhalb Hölderlinstraße), werden beide seit Jahren von der Hochschule genutzt und sind beide dringend sanierungsbedürftig. Wenn nicht gar abrissreif.
Science Campus der Uni Siegen am Haardter Berg: Das Baufeld rutscht nach Süden
„Der Fokus hat sich nach Süden verschoben“, so beschreibt es Vitt – statt jenseits der Adolf-Reichwein-Straße weiter neu zu bauen, werde das bereits bebaute Campusareal in den Blick genommen, um nachzuverdichten. Der Masterplan gebe diese Neuausrichtung her. „Wir kommen damit dem BLB entgegen, der im Westen des AR-Campus seine baulichen Sorgenkinder hat“. Auch die Stadt Siegen, die dem ursprünglichen Bebauungsplan „Science Campus“ bereits vor Jahren zugestimmt hatte, ist mit den Veränderungen einverstanden. „Die Situation hat sich geändert“, hatte Abteilungsleiterin Marlene Krippendorf im Bauausschuss erläutert, „aber nicht so gravierend, dass die ganze Idee über den Haufen geworfen wird“.
Baupolitisch habe sich in der Zwischenzeit auch einiges geändert: Mittlerweile wäre es schwerer vermittelbar und genehmigungsfähig, „mit großem Besteck“ im Norden Bäume abzuholzen, Kita und Sporthalle abzureißen und Neubauten hochzuziehen, wenn im Süden bereits graue Energie in Bestandsgebäuden gebunden sei, „die wir nutzen können, indem wir mit den vorhandenen Flächen und intelligenten Ideen arbeiten“, so Vitt. Denn auch die Raumbedarfe haben sich geändert – 2018 platzte die Uni Siegen noch aus allen Nähten, heutige Prognosen kommen mit weniger Fläche aus. Neben der Finanzierungsfrage ein weiterer wesentlicher Aspekt für die künftige Campus-Planung. „Durch diese Verschiebungen können wir passgenaue Lösungen finden“, erklärt der stellvertretende Dezernent.
BLB will Campus Paul-Bonatz-Straße für 25 weitere Jahre für die Uni Siegen sanieren
Die Uni Siegen ist zudem nicht allein Herrin des Verfahrens. Für den Neubau des Campus Innenstadt, rund ums Untere Schloss, agiert sie mit Rückendeckung des Wissenschaftsministeriums selbst über eine dafür gegründete Gesellschaft als Bauherrin. Am Haardter Berg gehören die meisten Grundstücke und Gebäude dem landeseigenen Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB NRW). Der gibt sich seit geraumer Zeit schmallippig, wenn es um die Nachnutzung der Standorte Paul-Bonatz- (PB) und Hölderinstraße (H) geht. Wenn sich die Zeitplanung für einen Auszug konkretisiere, werde man entsprechende Möglichkeiten prüfen, heißt es auf Anfrage – „bis auf Weiteres“ nutze die Uni beide Campus‘.
Die Hochschule hält nach wie vor daran fest, beide Standorte aufgeben zu wollen, sagt Christian Vitt – aber wohl nicht allzu bald. Zuletzt habe der BLB signalisiert, den PB-Campus lieber doch noch einmal für einen Lebenszyklus (25 Jahre) zu sanieren. Dank „serieller Sanierung“, bei der vorgefertigte Bauelemente vor Ort montiert werden statt herkömmlich zu mauern oder Beton zu gießen, sei vorstellbar, dass dies auch im laufenden Betrieb und ziemlich zügig geschehen könne. Fraglich sei zudem, ob wirklich der gesamte PB-Campus auf Vordermann gebracht werden müsse – der Umfang der Sanierung ergibt sich letztlich aus den zukünftigen Bedarfen, so Vitt.
Hölderlin-Campus der Uni Siegen: Schnellstmöglich aufgeben – was immer noch Jahre dauert
Beim Hölderlin werde es wohl schneller geben, einige Trakte sind bereits leergezogen, ein Gebäude aufgegeben. Weitere folgen, sobald möglich. „Wir versuchen, es schnellstmöglich abzuwickeln.“ Was wahrscheinlich bedeutet: Ende des Jahrzehnts. Im „roten Hochhaus“ gebe es bereits seit Jahren nur die geringstmögliche Instandhaltung. „Wir wollen den Standort nicht ohne Grund aufgeben“, sagt Christian Vitt. Aber wie in der Innenstadt und weiter oben am Haardter Berg brauche es kluge Konzepte, wie es mit dem Gebäude weitergehen kann – jenseits von Abriss und Neubau. Auch wenn das H-Gebäude mit seinen Außenbalkonen energetisch ziemlich kompliziert sei und man die auch nicht ohne weiteres abschneiden könne – sie dienen als Fluchtwege. Mit ihren Departments Architektur und Bauingenieurwesen könne die Uni aber dabei unterstützen, Ideen zu entwickeln, was aus dem Gebäude noch werden kann, außer einer Hochschule.
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Die zeitliche Dimension der Zwei-Standort-Strategie: eher Jahrzehnte als Jahre, eine Frage der Finanzierung durch das Land NRW. An der Vision, der grundsätzlichen Idee, bekräftigt Christian Vitt, habe sich nichts geändert – aber der Weg sei eben nicht die direkte Autobahnverbindung, sondern führe auch mal über kleinere Nebenstraßen. Die bauliche Entwicklung der Universitäten ist auf der Prioritätenliste nach unten gerutscht, die Hochschulen werden hier ein Stück weit im Regen stehen gelassen. So ist der BLB gesetzlich verpflichtet, seinen Beitrag zur klimaneutralen Landesverwaltung für das Verwaltungsvermögen zu leisten. Für Hochschulbauten gilt diese Verpflichtung nicht. Die Unis geraten dadurch etwas ins Hintertreffen.