Weidenau. Sanierungsbedürftige Hochschulgebäude aus den 70ern wirken im Wohngebiet Haardter Berg wie Fremdkörper. Irgendwann zieht die Uni weg – und dann?

Es wird länger dauern als zunächst gedacht, aber irgendwann wird die Uni Siegen vom Haardter Berg ins Zentrum gezogen sein. Zwei weitere, personenstarke Fakultäten zumindest; auf dem Weidenauer „Bildungshügel“ bleibt die naturwissenschaftlich-technische Fakultät, der Adolf-Reichwein-Campus (AR) wird entsprechend erweitert. Die Hochschulgebäude hangabwärts, an Paul-Bonatz- (PB) und Hölderlinstraße (H), werden leergezogen. Was damit passieren soll, ist völlig offen.

+++Mehr Nachrichten aus Siegen und dem Siegerland finden Sie hier!+++

So lange das so ist, will sich die Stadt Siegen vorbereiten, Ideen entwickeln, was mit den Beton-Ungetümen aus den 1970er Jahren geschehen soll, die sich durch Geschosshöhe und Architektur deutlich von der umgebenden Wohnbebauung abheben und durchaus wie architektonische Fremdkörper im Stadtteil wirken. Der Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) des Landes Nordrhein-Westfalen jedenfalls scheint als Eigentümerin der Gebäude auch noch keine Idee zu haben: „Nach dem Auszug prüft der BLB NRW die weitere Verwendung der Liegenschaften“, teilt eine Sprecherin auf Anfrage mit.

Die Bausubstanz der Uni-Campus am Haardter Berg ist in die Jahre gekommen

Bis dahin würden fortlaufendend Instandhaltungsmaßnahmen im erforderlichen Umfang durchgeführt, um den Campus-Betrieb aufrecht zu erhalten. Denn während am AR umfassend saniert und modernisiert wurde – derzeit entsteht überdies zur Hochschulstraße hin das neue Forschungs- und Laborgebäude „Incyte“geschah das an den Campus’ H und PB mit Blick auf den irgendwann bevorstehenden Fakultäten-Umzug nicht. Zuletzt hatten NRW-Bau- und Wissenschaftsministerium den Fahrplan für das Projekt („Siegen – Wissen verbindet“) aus Geldgründen auf zwei Stränge aufgeteilt; je einen für die Teilcampus’ Nord und Süd, die den Kern Unteres Schloss an beiden Seiten des Siegbergs flankieren. Das dauert länger als ursprünglich angedacht, gleichwohl ist die Bausubstanz am alten Standort Haardter Berg in die Jahre gekommen.

Die Lage der drei Campus-Standorte am Haardter Berg
Die Lage der drei Campus-Standorte am Haardter Berg © Aline Rinke

Im Rahmen einer Planungswerkstatt war 2015 die Idee aufgekommen, die Uni-Liegenschaften künftig als Wohn-Standorte zu nutzen, „das steht noch im Raum“, sagte Marlene Krippendorf, Leiterin der Abteilung Stadtentwicklung und Stadtplanung, jetzt im Weidenauer Bezirksausschuss. Denkbar sei auch, die Bestandsgebäude für Geschäftszwecke umzubauen, dafür gebe es gute allgemeine Konzepte und dafür spreche auch die Nähe zum künftigen technischen Campus AR, in dessen Umfeld sich entsprechende Büros ansiedeln könnten. H- und PB-Campus müssen dann zwar saniert werden, abbruchreif sind die Gebäude aber nicht. Wobei letztlich auch ein Abriss denkbar ist – Umbau im Bestand ist in der Regel teurer als Abriss und Neubau, aber aus Nachhaltigkeitsaspekten („graue Energie“) klimafreundlicher. Näheres zeichne sich aber wohl erst ab, wenn der Umzug in die Innenstadt konkreter werde, betonte Krippendorf.

Eine Überlegung für künftige Nutzung der Uni-Gebäude: Sozialer Wohnraum

„Wir sind nicht Herr des Handelns“, sagte die Abteilungsleiterin mit Blick auf die Eigentümerschaft des BLB – aber wenn es in die Gespräche mit dem Landesbetrieb gehe, sei es sicher ratsam, dass die Stadt vorbereitet sei, um eine bessere Verhandlungsposition zu haben. Daher solle früh der Austausch mit Lokalpolitik und Bevölkerung gesucht werden, wie der Stadtteil aufgewertet werden könne: „Wie stellen Sie sich Ihren Haardter Berg vor?“ Mit Abwanderung der Fakultäten verändere sich womöglich auch das soziale Gefüge im Stadtteil, weil studentisches Wohnen wegfallen könnte.

>>>Lesen Sie auch: Beim Uni-Umzug nach Siegen soll auch für Bedürftige Platz sein<<<

Als erstes falle ihm da Sozialer Wohnungsbau ein, sagte Ulrich Schloos (Linke) – in dem Bereich gebe es in Siegen keine Entwicklung. Vielmehr fallen immer mehr Einheiten weg, weil die Mietpreisbindung ausläuft, ergänzte Reiner Lorenz (SPD), „da besteht dringender Handlungsbedarf!“ Und das wohl sehr viel schneller, als die Uni-Gebäude frei werden. Hier sei es sinnvoll, nicht nur in eine Richtung zu entwickeln, sondern alle Wohnformen zu bedienen, verschieden soziale Schichten zu etablieren, merkte Marlene Krippendorf an. Zumal ja dann auch Infrastruktur wie Geschäfte, Spielplätze, Kitas mitbedacht werden müssten, so Claudia Helm (CDU).

Forderung: Stadt Siegen soll Grundstücke kaufen – „nicht Baufirmen überlassen“

Ein Abriss sei aus Gründen des Klimaschutzes womöglich nicht sinnvoll, sagte Reiner Lorenz. Fand auch Dr. Jochen Münch: „Warum Gebäude abreißen, die funktionsfähig sind?“ Unnötig genug, dass in der Stadt Gebäude abgerissen und neu gebaut würden.

+++Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook!+++

Die Weidenauer Lokalpolitik sprach sich dafür aus, dass die Stadt alles daransetzen sollte, die Grundstücke vom BLB zu kaufen – auch, wenn es noch Jahre dauern wird, bis die Stadt überhaupt weiß, ob die Flächen zur Verfügung stehen, wie Marlene Krippendorf mit Blick auf die Verzögerung bei der Umzug-Finanzierung zu bedenken gab. „Wichtig ist der Besitz der Bodenhoheit“, betonte Jochen Münch, damit die Stadt, „nicht das Baugewerbe, dort plant. Wir dürfen das nicht irgendwem anders überlassen.“ Man kenne das ja schon, „dass unsere Stadt kaputtgemacht wird.“ Wenn „eine dieser drei Baufirmen das übernimmt, gibt es da Häuser wie die neben der Feuerwache – weils billig ist. Wir wollen das aber gestaltet haben!“ Und das gehe nur, wenn die Stadt über Grund und Boden verfüge.

Die Campus’ Hölderlin- (unten) und Paul-Bonatz-Straße (Hintergrund).
Die Campus’ Hölderlin- (unten) und Paul-Bonatz-Straße (Hintergrund). © www.blossey.eu / FUNKE Foto Service | Hans Blossey