Siegen. Oft steht Ines Rüttinger im Job „vor Herausforderungen, von denen man im Studium niemals etwas geahnt hätte“: Sie ist Kuratorin im MGK Siegen.

Ines Rüttinger kommt aus Kiel, der nördlichsten Landeshauptstadt. Nach ihrer Schulzeit studierte sie an der Kieler Uni Kunstgeschichte auf Magister, Volkskunde und Linguistik. „Ich interessierte mich für Kunst und wollte wissen, wie Sprache funktioniert. Aber zunächst habe ich ausschließlich fächerbezogen studiert. Schule und der Lehrberuf waren aber für mich nie ein Thema“, sagt Ines Rüttinger.

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Was man mit einem Studium machen könnte, wurde spätestens 2008 nach ihrem Examen ein Thema. Ines Rüttinger bewarb sich bei einem Auktionshaus in Wien um einen Praktikumsplatz. Das bedeutete drei Monate Sammeln von Erfahrung. Und die lautete: „Nicht mein Ding, aber man bekommt Einblicke, wie die Mechanismen im Kunsthandel funktionieren.“ Ein weiterer positiver Effekt: „Jedes Praktikum wird Baustein eines Netzwerkes.“ Und das knüpfte sie in Marseille weiter. Am dortigen Museum konnte sie die Brücke zur zeitgenössischen Kunst schlagen, gemeinsam mit einem Künstler dessen Ausstellung vorbereiten, erfahren, wie eine Hängung funktioniert, im Museumsdepot recherchieren. Die Monate in Marseille haben Ines Rüttinger bis heute nachhaltig geprägt: „Das will ich beruflich machen“, sagt sie und „im TGV von Frankfurt direkt dorthin zu fahren und am Marseiller Hauptbahnhof auszusteigen ist ein wenig wie nach Hause kommen.“

Ines Rüttinger ist Kuratorin im Museum für Gegenwartskunst Siegen. Der Beruf führte sie nach Stationen unter anderem in Wien, Köln und Marseilles her. Ursprünglich kommt sie aus Kiel.
Ines Rüttinger ist Kuratorin im Museum für Gegenwartskunst Siegen. Der Beruf führte sie nach Stationen unter anderem in Wien, Köln und Marseilles her. Ursprünglich kommt sie aus Kiel. © Wolfgang Leipold

Siegen: Ines Rüttinger konzipierte für das MGK „Lucian Freud und das Tier“

Völlig andere Berufserfahrungen erwarb sie anschließend in der Kölner Zweigstelle der Organisation „The Art-Loss-Register“, der weltweit größten Datenbank für enteignete oder gestohlene Kunst. Hier geht es um Provenienz-Forschung, der Geschichte von Kunstwerken nachzuspüren, die in Auktionshäusern oder Galerien angeboten werden. Und da sind auch schon mal Werke von Liebermann, Klimt, Schiele dabei, die, bevor sie unter den Hammer kommen, erst mit der Datenbank des „Art-Loss-Register“ verglichen werden. Eine spannende Arbeit mit schönem Nebeneffekt: „Das erste Praktikum, das ich bezahlt bekam.“

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Sehr wichtig, gerade im Hinblick auf ihre heutigen Aufgaben, wurde für Ines Rüttinger ein neuer Studiengang an der Uni Bochum, bei dem Kunstjournalismus und Kuratieren auf dem Lehrplan standen. Nur sechs Teilnehmer waren dabei und „wir hatten viele Möglichkeiten, den Kunstalltag kennenzulernen: Durch Gespräche mit Kuratoren, Kulturjournalisten der schreibenden Presse, aber auch des Radios“, und durch das Praktikum in einem der vielen Museen Nordrhein-Westfalens. Das führte Ines Rüttinger im Jahr 2011 erstmalig nach Siegen an das Museum für Gegenwartskunst. Hier konnte sie ihre erste Ausstellung konzipieren, wobei die Herausforderung auch darin bestand, dass diese zur Struktur des Museums passen müsste. Sie entschied sich für das Thema „Lucian Freud und das Tier“, auch insofern passend, weil das MGK Siegen einige Werke des Rubenspreisträgers besitzt. „Heute hat das Museum einschließlich der Radierungen 23 Werke von Lucian Freud“, sagt Ines Rüttinger.

Museum für Gegenwartskunst Siegen: Ausstellungen erfordern sehr viel Aufwand

2012 bekam sie dann eine auf zwei Jahre befristete Stelle als Volontärin und inzwischen arbeitet sie fest am MGK Siegen. Die Ausstellung „Lucian Freud und das Tier“, zunächst nur als Abschlussprojekt „für die Schublade“ erdacht, konnte sie dann 2015 tatsächlich im Siegener Museum präsentieren.

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Kaum eine Ausstellung kann auf Leihgaben anderer Häuser verzichten. Das bedeutet, besondere Bilder zu finden, die zum Ausstellungsthema passen, Anfragen zu stellen, ob sie verfügbar sind, Verträge über den Transport, Versicherungen abzuschließen und manchmal auch eine Leihgebühr zu vereinbaren. Manche Kunstwerke jedoch dürfen gar nicht „verreisen“. Weil sie zu fragil sind oder unverzichtbar zur Identität eines Hauses gehören (Louvre ohne Mona Lisa: Undenkbar).

MGK Siegen: Als Kuratorin muss Ines Rüttinger auch Unvorhergesehenes bewältigen

So können zwischen einer Ausstellungsidee und der tatsächlichen Eröffnung durchaus einige Jahre vergehen. Nicht selten kommen auf die Kuratorin noch besondere Aufgaben zu. Bei einer Künstlerin etwa, die für eine Installation drei Tonnen Salz bestellte. Für Ines Rüttinger nicht ganz einfach: „Gerade bei Ausstellungen mit zeitgenössischer Kunst steht man manchmal vor Herausforderungen, von denen man im Studium niemals etwas geahnt hätte.“

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Ist das Kunst, oder…? Natürlich macht auch diese ewige Frage keinen Bogen um Ines Rüttinger. „Der Publikumsgeschmack ist zunächst mal, wie er ist. Jede Ausstellung ist ein Vorschlag an das Publikum, die eigene Sichtweise herauszufordern. Zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen aus der Vermittlung überlegt man dann, wie man Besuchern die Kunst nahebringt, welche Medien man gegebenenfalls einsetzt“, erklärt die Kuratorin. „Wenn jemand klar sagt, dass er ein Werk doof findet, frage ich zurück, was ihn denn stört. So kann man wirklich ins Gespräch kommen.“ Missionieren ist nämlich nicht ihre Sache: „Ich möchte unsere Besucher einladen, sich immer wieder auf Neues einzulassen.“ Und genau dafür steht das Museum für Gegenwartskunst Siegen.

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