Siegen. Philipp Timischl gestaltet die „Wall“ am Museum für Gegenwartskunst in Siegen. Manche Clips sind lustig, manche machen nachdenklich.

Zwei Wände. Die eine statisch, die andere bespielbar mit filmischem Material. Die eine vor, die andere hinter der Tür. Beide im Bereich des Entrees eines Gebäudes, das eher beiläufig nicht betreten wird. Deshalb nutzt das Museum für Gegenwartskunst Siegen den Eyecatcher über der Eingangstür, die große LED-Wand, mit der sich das Haus architektonisch und programmatisch zur Stadt hin öffnet, und es nutzt die Frontwand des Foyers, um die Besucherinnen und Besucher abzuholen und einzustimmen. Diese beiden Wände hat nun der in Graz geborene Künstler Philipp Timischl für die vierte Ausgabe der Ausstellungsreihe „MGKWalls“ gestaltet und zwar ausgesprochen klug. „Ich mag mein Gehirn und denken und immer Gedanken haben“ heißt seine neue Arbeit, mit der er vom „Ich“ sehr schnell und auch unmittelbar zum „Du“ kommt.

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Draußen fängt er die Passanten ein mit einem Countdown in Dauerschleife, mit einer heruntergezählten Minute, nach der für wenige Sekunden nur Video-Ausschnitte zu sehen sind. Solche, die Philipp Timischl aus dem Internet gefischt hat, und solche, die er selbst produziert hat. Der digitale Timer weckt bei den Wartenden die Erwartung, im besten Falle überrascht und gut unterhalten zu werden. Damit wächst die Kunst aus ihrem Rahmen, greift sich den Raum, der mindestens zum oder zu den Zuschauenden reicht. Bei diesem fast zufällig gefundenen Publikum kann jede dieser kurzen Sequenzen am je eigenen Erfahrungshorizont andocken, durchaus auch emotional: der Hund in der Galerie erheitert, die Atommeiler-Sprengung fragt nach Reflexion und Haltung, der Mann mit dem Duschschwamm regt vielleicht an.

Fortsetzung drinnen

Dreißig bis fünfzig solcher mal dokumentarischen, mal fiktiven Clips laufen bis Anfang nächsten Jahres über den Museumsbildschirm, in einer auf Zufall programmierten Abfolge. Ob ein Betrachter allein überhaupt alle Beiträge sehen kann, ist fraglich und auch müßig. Denn es geht Philipp Timischl um das Erleben von Kunst, barrierearm zunächst, so dass ein nächster Schritt – und zwar der mitten hinein in dieses Kunst-Haus – erstrebsam und möglich wird.

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Drinnen bietet der Künstler mit einer großformatigen Airbrush-Zeichnung einen ruhigen Gegenpol zu den laufenden Bildern zum Schlossplatz hin. Er zeigt den muskelgestählten Körper eines sitzenden Menschen, männlich attribuiert, die Hände zur Raute geformt, nachdenklich wirkend und offensichtlich viel zu groß für das vorgegebene Areal. Passt der Bodybuilder einfach nicht ins akademische Gepräge der Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst? Oder gehört er, der um die Ästhetik von Körperlichkeit weiß, genau an diesen Ort? Fragen, die Philipp Timischl auch aus seiner eigenen Biographie zu beantworten sucht. In jedem Falle habe er mit dieser eher luftigen Zeichnung einer monumentalen Figur einen Kontrast zur gegenüberliegenden, höchst akkurat geführten Wandmalerei „Quiver I“ von Bridget Riley schaffen wollen.

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Schaufenster für Malerei, Skulptur, Video und Text

Er fühle sich bei dem muskelbepackten Denker an einen Buddha erinnert, sagt Museumsdirektor Thomas Thiel. Dieses In-sich-Ruhen schaffe einen Moment der Entschleunigung, was wiederum mit dem Innehalten der Vorübergehenden auf dem Museumsvorplatz korrespondiere. Das Siegener Museum eröffnet dem Künstler die Möglichkeit, zum ersten Mal auch im öffentlichen Raum zu arbeiten. Philipp Timischl gelingt es, auf begrenzter Fläche so vieles von dem zu zeigen, was er mit seinen multimedialen Installationen auszusagen vermag. Die „MGKWalls“ werden zum Schaufenster seines erzählerischen Vermögens in Malerei, Skulptur, Video und Text. Sie machen neugierig auf die Gegenwartskunst hinter Eingang und Foyer – und auch auf mehr von Timischl selbst.

Die „MKGWalls“-Präsentation von Philipp Timischl ist bis zum 14. Januar 2024 im und am Museum für Gegenwartskunst zu sehen. Die LED-Wand über dem Eingang zeigt seine Arbeit täglich von 10 bis 22 Uhr.

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