Siegen. Am Effertsufer in Siegen entstehen keine neuen Wohnungen für Studierende. Weil die Kosten aus dem Ruder laufen, liegt das Großprojekt auf Eis.

Am Effertsufer wird es bis auf Weiteres kein neues Studierenden-Wohnheim geben. Aus einer ehemaligen Fabrikhalle der Firma Klingspor wollte das Studierendenwerk Siegen eine Wohnanlage mit 138 Plätzen, hauptsächlich Apartments, machen. Dafür war auch ein Anbau geplant. Der Verwaltungsrat stoppte das Projekt aber in seiner jüngsten Sitzung, weil die Kosten aus dem Ruder laufen: Statt der ursprünglich kalkulierten 14 Millionen Euro würden nach derzeitigem Stand 21 Millionen Euro fällig. Grund dafür seien die deutlich gestiegenen Preise im Bausektor, wie das Studierendenwerk Siegen mitteilt.

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„Das Problem ist, dass sich die Wohnheime selbst tragen müssen“, erklärt Katrin Ziegert, beim Studierendenwerk Siegen für Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Der gesetzliche Auftrag der Einrichtung sieht vor, Studierenden Wohnraum zu günstigen Mieten anzubieten, damit das Studium nicht vom Geldbeutel der Familie abhängt. Gleichwohl müssen die Mieteinnahmen langfristig die Baukosten decken. Am Effertsufer hätte sich „ein zu großes Delta“ ergeben, sagt Katrin Ziegert. „Das hätte sich nicht darstellen lassen.“

Siegen: Kosten für Wohnheimprojekt am Effertsufer in 3 Jahren um 50 Prozent gestiegen

Dass es sich bei dem umzugestaltenden Objekt um eine Bestandsimmobilie – noch dazu älteren Baujahrs – handelt, habe eine gewisse Rolle gespielt, merkt Insa Deeken, Geschäftsführerin des Studierendenwerks, an. Der Umbau bestehender Gebäude ist generell mit gewissen Unwägbarkeiten verbunden. Das Hauptproblem sei aber die Marktentwicklung. 2020 hat das Studierendenwerk die frühere Fabrikhalle gekauft, gerade einmal drei Jahre später wird die damalige Kostenschätzung um 50 Prozent übertroffen. Ein solch massiver Sprung ist kein Einzelfall, sondern längst die Regel: Auch Städte und Gemeinden sehen sich bei Bauvorhaben in den vergangenen Jahren mit Preissteigerungen konfrontiert, die Planungen erschweren und die Umsetzung von Projekten in die Länge ziehen oder sogar blockieren.

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Schwierigkeiten, wie sie sich nun am Beispiel Effertsufer manifestieren, hätten derzeit alle Studierendenwerke, wie Insa Deeken sagt. Es gebe zwar die Möglichkeit, Fördermittel zu beantragen; das Land Nordrhein-Westfalen habe entsprechende Töpfe. Doch auf diese Weise geförderte Bauprojekte seien dann mit Mietpreisbindungen versehen. Dieses Reglement ist bei gefördertem Wohnraum üblich, bringe das Studierendenwerk aber in eine etwas haarige Lage, wie die Geschäftsführerin erläutert: Am Effertsufer wären die Mieten dann nämlich günstiger als in den anderen Wohnheimen, und das könnten deren Bewohnerinnen und Bewohner als unfair empfinden. Dieses Risiko würde noch dadurch gesteigert, dass das Gebäude am Effertsufer nach Umbau, Anbau und Sanierung auf allerneustem Stand wäre – noch dazu mit durchaus attraktivem Äußeren und in gute Lage in Innenstadtnähe.

Siegen: Derzeit keine neuen Wohnheim-Plätze für Studierende in Sicht

Mit den nun nicht entstehenden 138 Einheiten entfernt sich das Studierendenwerk Siegen wieder deutlich von seiner angestrebten Versorgungsquote. Die offizielle Linie war immer, langfristig 10 Prozent der Studierenden in Siegen einen Wohnheimplatz anbieten zu können. Ausgehend von der Prognose, dass deren Gesamtzahl sich bei 13.500 einpendeln wird, wären das 1350 gewesen. Tatsächlich stehen aber derzeit lediglich 976 Plätze zur Verfügung.

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An Versuchen, die Bestände auszuweiten, scheiterte es in den vergangenen Jahren nicht. Diverse Objekte wurden aber, kurz nachdem das Studierendenwerk öffentlich Interesse daran bekundet hatte, aus verschiedenen Gründen aus dem Spiel genommen. Ehemalige Jugendherberge: Abriss für die Erweiterung des Schlossparks; ehemaliges Landesbehördenhaus an der Koblenzer Straße: unter Denkmalschutz gestellt, womit die Sanierung die Mittel des Studierenwerks überstrapaziert hätte; Parkhotel an der Eintracht: Städtische Bedenken wegen Lärmessionen, weil die Siegerlandhalle zu laut für die Mieterinnen und Mieter hätte sein können.

Universität Siegen: Wegen digitaler Lehre ziehen weniger Studierende in die Stadt

Sein Ziel, wieviel Wohnheimplätze es insgesamt einmal geben soll, hat das Studierendenwerk inzwischen nach unten verändert, wie Insa Deeken sagt: auf 1200. Einerseits sinke die Zahl der Studierenden, andererseits sinke die Nachfrage. Während der Pandemie, als der Studienbetrieb weitestgehend digital lief, kristallisierte sich die sogenannte hybride Lehre für viele als attraktives Modell heraus – die Mischung aus Präsenz- und Online-Veranstaltungen. Auf diese Variante würden einige Studierende, vor allem solche von außerhalb, weiterhin setzen und deshalb gar keine Wohnung mehr in Siegen suchen. An manchen Tagen in der Woche würden sie pendeln, an anderen am heimischen Rechner lernen.

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Was das Baukostenproblem insgesamt angeht, „hoffen wir, dass sich die Preissituation wieder entspannen wird“, sagt Insa Deeken. Wie es mit dem Gebäude am Effertsufer weitergeht, sei noch offen. Intern würden beim Studierenwerk im Moment verschiedene Optionen durchgespielt. In Betracht kämen unter anderem anderweitige Nutzung, Versuche einer neuen Wohnheimplanung oder Verkauf. Der Prozess steht allerdings noch am Anfang.

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