Siegen. Es gibt neue Großanlagen für studentisches Wohnen in Siegen – das könnte den Wohnungsmarkt entlasten. Noch sind die Corona-Effekte aber unklar.

Der Wohnungsmarkt für Studierende nimmt in Siegen kräftig Fahrt auf. Seit langem klagt einerseits das Studierendenwerk über einen Mangel in diesem Segment. Andererseits steht der Wohnungsmarkt insgesamt unter Druck, weil Studierende mit anderen Bevölkerungsgruppen wie Senioren, weniger Begüterten oder Singles um die knappen bezahlbaren, zentralen, kleinen Wohnungen konkurrieren.

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In Siegen entstehen mehrere Großwohnanlagen, speziell zugeschnitten auf studentisches Wohnen. Mehrere hundert solcher Einheiten dürften für spürbare Entlastung auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt sorgen, weil Studierende, die hier einziehen, reguläre Wohnungen nicht belegen.

Prime Student Living, Sieghütte in Siegen: Rundum-Sorglos-Paket

77 Apartments, drei davon mit je vier Zimmern WG-geeignet, sind an der Hagener Straße/Einmündung Sieghütter Hauptweg entstanden. Die mit Küchenzeile und Nasszelle voll ausgestatteten Studierendenapartments im komplett sanierten Gebäude – zuletzt war hier unter anderem ein China-Restaurant untergebracht – sind zwischen 20 und 30 Quadratmeter groß, insgesamt gibt es 1889 m2 studentische Wohnfläche so Dieter Kneisel von der Apensio Immobilien GmbH, die das Objekt vermarktet. Der Eigentümer, ein Investor mit Siegerländer Wurzeln, habe Wert auf hochwertige Ausstattung gelegt, den Altbau teils optisch in das umfassend renovierte Gebäude integrieren lassen. Im Erdgeschoss befinden sich zwei Gewerbeflächen mit je 450 m2. Zudem wurde ein Geschoss aufgesetzt. Gut 40 Einheiten seien bereits vermietet, so Kneisel.

Die Apartments von Prime Student Living in Siegen sind voll ausgestattet.
Die Apartments von Prime Student Living in Siegen sind voll ausgestattet. © Apensio Immobilien

Es gibt auf jeder Etage Gemeinschaftsräume, eine Tiefgarage mit Ladeboxen, Abstellmöglichkeiten für Fahrräder, Fußbodenheizung im gesamten Komplex. „Vom allerfeinsten ausgestattet“, betont der Immobilienmakler, „das Rundum-Sorglos-Paket“. Die Anlage wird über zwei E-Autos verfügen, die über eine hausinterne App gebucht werden können. Preislich liegen die Apartments mit All-inclusive-Monatsmieten ab 420 Euro eher im oberen Segment. Weitere 30 Studierenden-Apartments vermarktet Apensio nur etwas weiter: An der Ecke Daimlerstraße/In der Hüttenwiese hat derselbe Investor ein Wohn- und Geschäftshaus errichten lassen. Darin: neben einer bereits vermieteten Erdgeschoss-Gewerbefläche und hochwertigen Loftwohnungen in den oberen Etagen („Business Apartments“) auch studentisches Wohnen. .

Livus Seven Homes, Siegen-Bürbach: Frühere Skandalimmobilie nicht wiederzuerkennen

Die Erneuerung der ehemaligen Skandalimmobilie an der Unteren Dorfstraße ist weitgehend abgeschlossen, so Eigentümer Mischa Sumin, Coastline Advisory GmbH, auf Anfrage – drei Blöcke seien bereits fertig, der vierte gehe zum 1. Mai an den Start, es könne bereits angemietet werden. 75 Prozent des Komplexes seien dann durchsaniert und bezugsfertig. Die verbleibenden zwei Trakte mit zusammen 80 Apartments sollen zum Oktober fertiggestellt sein. Dann stehen insgesamt 280 Einheiten zur Verfügung.

Vom Schandfleck zum Schmuckstück: Das renovierte Studierendenwohnheim an der Unteren Dorfstraße in Siegen-Bürbach.
Vom Schandfleck zum Schmuckstück: Das renovierte Studierendenwohnheim an der Unteren Dorfstraße in Siegen-Bürbach. © Jürgen Schade

Studierendenwerk Siegen: 150 Plätze in toller Lage direkt an der Sieg

Mit der Baugenehmigung sei der erste „Meilenstein“ für das Wohnheim am Effert­s­ufer, die frühere Firma Klingspor, erreicht, sagt Geschäftsführer Detlef Rujanski. Aussagen zu Terminen und Preisen ließen sich aber mit Blick auf die aktuelle Lage im Baugewerbe derzeit noch nicht treffen. Das Wohnheim, rund 150 Plätze mit „toller Lage direkt an der Sieg“, werde das Quartier prägen und die „Bunte Hammerhütte“ stärken, ist Rujanski überzeugt.

Im Wohn- und Geschäftshaus Daimlerstraße entstehen neben Studierenden-Apartments auch hochwertige Loft-Wohnungen.
Im Wohn- und Geschäftshaus Daimlerstraße entstehen neben Studierenden-Apartments auch hochwertige Loft-Wohnungen. © Hendrik Schulz

Für den Haardter Berg liegt dem Studierendenwerk ein positiver Bauvorbescheid vor; derzeit kläre man noch mit Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB) und der Uni die Grundstücksfrage. Am Campus Adolf-Reichwein-Straße gehört dem Studierendenwerk ein Grundstück, auf dem die bestehende Wohnanlage um 100 Plätze erweitert werden soll, um die Grundversorgung an günstigem Wohnraum durch das Studierendenwerk zu decken. Das Projekt lief vor ein paar Jahren noch den Plänen der Uni für ihre „Grüne Mitte“ zuwider. Das Studierendenwerk stoppte die Pläne zeitweise wegen der neuen Bauvorhaben an der Friedrichstraße (bereits fertiggestellt) und am Effertsufer; nun sei man wieder in guten Gesprächen, um die Grundstücke so zu parzellieren, dass man sich bei den weiteren Planungen gegenseitig nicht in die Quere komme, so Rujanski.

Die allgemeinen Entwicklungen auf dem studentischen Wohnungsmarkt in Siegen

All inclusive: Die Nachfrage nach Einzelapartments ist unter Studierenden unverändert groß, sowohl im öffentlich geförderten, als auch im privaten Sektor. Die Wohnungen sind so ausgestattet, dass man im Grunde nur mit einem Rucksack einziehen kann – das trage der erhöhten Mobilität der jungen Menschen Rechnung, hat Dieter Kneisel beobachtet. Auch das Studierendenwerk, das mehrere große Wohnanlagen mit Gemeinschaftsküchen und -sanitärräumen unterhält, errichtet in neuen Heimen voll ausgestattete Einzelapartments zu All-inclusive-Mieten. Verträge werden oft für kurze Laufzeiten geschlossen.

Business-Wohnen wie hier an der Daimlerstraße könnte – wenn die Voraussetzungen passen – eine Alternative zu studentischem Wohnraum sein.
Business-Wohnen wie hier an der Daimlerstraße könnte – wenn die Voraussetzungen passen – eine Alternative zu studentischem Wohnraum sein. © Hendrik Schulz

Vermieter: Viele Immobilieneigentümer würden inzwischen auf studentisches Wohnen setzen, hat Dieter Kneisel beobachtet – warnt aber, dass dies kein Allheilmittel sei. Auch Studierende würden nicht jede Wohnung mieten, gerade wenn Eltern mit gewissen finanziellen Möglichkeiten dahinterstehen. Manche Vermieter würden verkennen, dass die Anforderungen guter Mieter an Zustand und Ausstattung ihrer Wohnung gestiegen seien – auch in Sachen Energieeffizienz und Nachhaltigkeit. Darauf legten immer mehr Mieter großen Wert, nicht zuletzt der aktuellen Kostensteigerungen wegen.

Wird das Studium der Zukunft in Siegen noch von Präsenz geprägt sein?

Es könnte auf dem Wohnungsmarkt durchaus zu einem Wettbewerb um die Studierenden kommen. Mit der Rückkehr zur Präsenzlehre könnte zwar auch die Nachfrage nach Wohnraum wieder deutlich anziehen – während der Pandemie waren viele Studierende gar nicht erst nach Siegen ge- oder zuhause ausgezogen, weil sie ohnehin nicht an die Uni konnten. Womöglich aber, das muss sich noch zeigen, könnte die physische Rückkehr der Studierenden aber auch geringer ausfallen als erwartet. Lehre ist coronabedingt digitaler geworden, der Trend könnte fortbestehen. Vor allem deutsche Studierende, hat Detlef Rujanksi beobachtet, seien vielfach ausgeblieben, während ausländische die Wohnheime füllten. Die rund 100 Euro weniger Miete beim Studierendenwerk seien gerade in Siegen mit einem hohen Anteil an Bafög-Empfängern durchaus eine relevante Summe für viele Studierende, weiß Rujanski: „Das entspricht einem Monat lang in der Mensa essen.“ Ein Wohnraum-Überangebot für sein Studierendenwerk sieht er daher nicht – alle Anlagen sind voll belegt.

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Spätestens im Wintersemester dürfte sich zeigen, ob das Studium der Zukunft noch so aussieht wie es bisher gekannt und gelebt war – mit Umzug, eigener Wohnung, vorrangig Präsenzlehre. Sollte sich der Charakter des Studierens grundlegend wandeln, besteht durchaus ein Risiko für Leerstände im studentischen Wohnungsmarkt – weil ein Angebot für ein Segment geschaffen wurde, das im erwarteten Umfang nicht mehr nachgefragt wird. „Nicht alles, was für den studentischen Wohnungsmarkt gedacht ist, wird nachher auch als solches genutzt“, glaubt Rujanski – gerade im teureren Segment, das auch von anderen Bevölkerungsgruppen genutzt werden könnte. Wobei zum Beispiel für Lehrkräfte, die auf Zeit an der Uni tätig sind, im Johann-Moritz-Quartier (JMQ) auch das sogenannte „Boardinghaus“ entstehen soll. „Livus Seven Homes“ beispielsweise bietet von vornherein auch größere Einheiten an.

Weitere Bilder: So sieht es innen bei Prime Student Living in Siegen aus

Bei der Generalsanierung des Gebäudes Hagener Straße wurde Wert darauf gelegt, historische Gebäudeanteile sichtbar zu machen.
Bei der Generalsanierung des Gebäudes Hagener Straße wurde Wert darauf gelegt, historische Gebäudeanteile sichtbar zu machen. © Apensio Immobilien
Die Apartments sind zwischen 20 und 30 Quadratmeter groß und verfügen über eigene Nasszellen.
Die Apartments sind zwischen 20 und 30 Quadratmeter groß und verfügen über eigene Nasszellen. © Apensio Immobilien