Siegen. Die Siegener sollen stärker als bisher in Entscheidungen eingebunden werden, die die Stadt betreffen. So funktioniert der neue Bürgerrat.

Der erste Bürgerrat der Stadt Siegen könnte, wenn alles glatt läuft, im kommenden Frühjahr tagen. Finanzielle Mittel für diese besondere Form der Bürgerbeteiligung wurden nach einem Ratsbeschluss aus dem Dezember 2021 zwar schon für das laufende Jahr zur Verfügung gestellt – die Umsetzung erfordert aber etwas mehr Vorarbeit, wie Johannes Werthenbach, Leiter des Bürgermeisterbüros, im Gespräch mit der Redaktion erläutert: „Es ist nicht ganz unkompliziert.“ Vor allem die Frage nach dem Thema ist noch offen.

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Der Rat hatte am 22. Dezember für die Einführung von Bürgerräten gestimmt. Kurz gesagt geht es dabei um ein Format, bei dem zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger zusammenkommen, um sich – von Fachleuten moderiert – mit einem Thema zu befassen und dazu Positionen, Vorschläge und Ideen zu formulieren. Diese sollen Politik und Verwaltung als „Baustein für Entscheidungsprozesse“ dienen, wie es seinerzeit in der Vorlage hieß. Der Sachstand der Umsetzung rückte nun in den Blick, als der Ausschuss für Umwelt, Klima und Energie erörterte, ob das Thema „Zero-Waste-City“ („Null-Abfall-Stadt“) für einen Bürgerrat geeignet sein könnte. Diesbezüglich regte sich allerdings Skepsis. „Wenn man Leute fragt, was sie für besonders wichtig halten: Dann wäre Zero Waste wohl nicht unter den Top Ten, wahrscheinlich nicht einmal unter den Top 30“, sagte Michael Groß, Vorsitzender der Grünen-Fraktion.

Bürgerrat Siegen: Das sind die Grundlagen

Passen würde die Müll-Thematik zwar auch insofern, als dass der Anstoß für den Bürgerrat von der Initiative „Transition Siegen“ ausging, die der Klimabewegung nahesteht. Das Instrument an sich ist aber für die komplette inhaltliche Bandbreite städtischer und gesellschaftlicher Belange gedacht, etwa „Klimaschutz, nachhaltige Mobilität, ausgewählte Städtebauprojekte, Digitalisierung oder Stärkung von Freizeit und Sportangeboten“, wie die Verwaltung in der Vorlage im Dezember ausführte.

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Wichtiger Punkt dabei: „Das Thema sollte von öffentlichem Interesse und möglichst konkret sein.“ Diesen Aspekt unterstreicht auch Johannes Werthenbach. „Einen Bürgerrat zeichnet aus, dass das Thema eingegrenzt ist. Es braucht ein Packende.“ Ziel sei nämlich, die Meinungen der Menschen zu einem konkreten Punkt zu erfahren – und nicht, ein „allgemeines Oberthema“ abzuhandeln.

Siegen: Bürgerrat soll diejenigen einbeziehen, die sich sonst nicht zu Wort melden

Die Konstruktion ist auf eine klare Fokussierung zugeschnitten. Pro Jahr soll es einen Bürgerrat zu genau einem Thema geben. Es handelt sich weder um einen Beirat noch um einen Ersatz für den Rat. Offizielle politische Gremien sind dadurch definiert, dass sie mit demokratisch gewählten Vertreterinnen und Vertretern besetzt sind, die sich aktiv darum bemüht haben. Den Bürgerrat hingegen sollen explizit Menschen bilden, die von sich aus nicht das unmittelbare Bedürfnis nach politischem Engagement antreibt. Auch dabei bleibt es natürlich eine rein freiwillige Angelegenheit.

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Doch wer überhaupt eingeladen wird, ergibt sich über „eine Zufallsstichprobe aus dem Einwohnermelderegister“, wie die Verwaltung erläutert. 30 Personen sollen es sein, sagt Johannes Werthenbach. Und da die Stadt von einer Rücklaufquote von 3 Prozent ausgeht, müssten folglich 1000 Siegenerinnen und Siegener angeschrieben werden. Aspekte wie Geschlecht, Alter, Migrationshintergrund oder Herkunftsstadtteil werden dabei berücksichtigt, um ein möglichst repräsentatives Abbild der Gesellschaft zu erhalten.

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„Der Vorteil ist: Wir haben dann Leute, die sich sonst nirgendwo einbringen und zu Wort melden“, betont Johannes Werthenbach. Genau diese sonst stille Mehrheit soll über den Bürgerrat gehört werden können. Darum ist auch nicht vorgesehen, dass beispielsweise die Parteien Mitglieder vorschlagen oder dass Menschen sich von sich aus melden; für gewöhnlich wären das nämlich mit hoher Wahrscheinlichkeit Personen, die sich ohnehin bereits an öffentlichen Diskussionen beteiligen.

Bürgerrat Siegen: Suche nach Thema für den ersten Durchlauf ist in Gang

Tatsächlich scheint die Themenfindung jedoch komplexer zu sein, als es auf den ersten Blick aussehen mag. Gerade weil Menschen zur Teilnahme motiviert werden sollen, die sonst nicht innerhalb solcher Prozesse in Erscheinung treten, muss es um ausreichend Konkretes gehen – damit der Bürgerrat nicht Gefahr läuft, sich zu verzetteln und und so gegebenenfalls die Motivation der Mitwirkenden zu torpedieren. „Die Abfrage, um ein Thema zu identifizieren, ist im Haus unterwegs“, beschreibt Johannes Werthenbach den derzeitigen Stand in der Verwaltung. Bis Ende des Jahres, so seine Hoffnung, könnten die Vorschläge zur Abstimmung an die Politik gehen, so dass im Frühjahr 2022 der erste Bürgerrat stattfinden könnte.

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Das Thema legt dabei nicht, wie ursprünglich angeregt, die Verwaltung fest, sondern der Haupt- und Finanzausschuss. Darauf hatte sich der Rat auf Antrag der Grünen geeinigt. Wobei Michael Groß im Umweltausschuss selbstkritisch anmerkte, dass dieses Prozedere bei genauerer Betrachtung „ungeschickt“ sei. Der Bürgerrat sei schließlich dafür gedacht, „dass Bürgerinnen und Bürger Vorschläge machen können. Und eben nicht dafür, dass die Themen aus der Politik vorgegeben werden“.

Das ist die Hoffnung

Ungeachtet von dererlei Details ist Johannes Werthenbach sehr zuversichtlich. „Ich gehe davon aus, dass das Instruments des Bürgerrats so viel Rückhalt findet, dass die Leute begeistert mitmachen“.

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