Siegen. Die beste Freundin von Dominik Lumen wurde zu früh aus dem Leben gerissen. Der gebürtige Siegener sucht einen Weg, damit umzugehen. Was ihm hilft.

„Mi Hermanita“ („Mein Schwesterchen“) steht in großen Buchstaben auf Dominik Lumens Unterarm. Es ist nicht einfach irgendein Tattoo. Jeden Tag, wenn er es sieht, denkt er an Lorén. „Das war meine beste Freundin. Sie wurde ermordet“, sagt er. „Ich saß in der Schule, als ich davon erfahren habe.“ Der Unterricht sei nur noch an ihm vorbeigelaufen. „Ich musste es erstmal begreifen.“

Auch nach ihrem Tod sollte Lorén ein Teil seines Lebens bleiben: Er entschied sich für ein „Trauertattoo“. „Ich verbinde es weniger mit Trauer, sondern mit den schönen und lustigen Momenten und guten Erinnerungen“, sagt er. „Ich lebe für sie mit.“ Seine Geschichte ist Teil der Trauertattoo-Ausstellung des Beratungszentrums „Hörst du mich?“ in der Kolumbariumskirche Heilig Kreuz in Weidenau, die noch bis Mittwoch, 6. April, dort zu sehen ist.

Siegen: Tattoo für getötete Lorén – „Wir haben uns gefühlt wie Geschwister“

„Wir haben uns gefühlt wie Geschwister“, sagt Dominik Lumen über seine Freundschaft mit Lorén. Sie sei bereits eine Freundin seiner Frau gewesen, als er sie kennenlernte. Die Chemie stimmte sofort. „Lorén war eine sehr lebensfrohe und laute Person, eine stolze Halbspanierin“, erzählt er. Sie habe den Raum erfüllt, wenn sie ihn betrat.

Die Ausstellung

Die Trauertattoo-Ausstellung des Beratungszentrums „Hörst du mich?“ ist vom 25. März bis 6. April in der Kolumbariumskirche Heilig Kreuz in Weidenau zu sehen.

Der Eröffnungsgottesdienst mit Musik und Lesung ist am Freitag, 25. März, 18 Uhr. Daniela Münker wird gegen eine Spende sogar vor Ort live tätowieren. Der Eintritt zur Ausstellung ist frei, es wird aber um eine Spende für „Hörst du mich?“ gebeten.

Dieses Angebot hilft Kindern und Jugendlichen lebensbedrohlich erkrankter Eltern oder denen, bei denen ein Elternteil verstorben ist, mit telefonischen, persönlichen oder Online-Beratungen. Mehr Infos und Spendenmöglichkeiten: www.caritas-siegen.de

Als Dominik Lumen mit ihr zusammen Fußball schaute, machten sie bei einer Geste des Schiedsrichters dasselbe Handzeichen. „Das Spok-Zeichen“, erläutert Dominik Lumen. Sie bewegten den Mittel- und den Ringfinger voneinander weg und streckten den Daumen aus. Das alles passierte völlig spontan und ohne vorherige Absprache – eben wie bei Geschwistern. Es wurde zu einem Zeichen, das Dominik Lumen und Lorén verband.

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In der Nacht zum 10. Mai 2013 wurde die 24-Jährige von ihrem Ex-Freund mit einem Deko-Schwert erstochen; er wird später wegen Totschlags verurteilt (wir berichteten). „Zwei Tage vor der Ermordung waren wir noch mit Lorén zusammen essen“, erzählt Dominik Lumen. Vom einen auf den anderen Tag war seine beste Freundin dann nicht mehr da. Dominik Lumen und seine Frau wollten Loréns Familie beistehen und taten es. „Wir haben heute noch engen Kontakt zu ihren Eltern“, erzählt der 31-Jährige. Die Idee für sein Tattoo sei dann „schnell entstanden“, erzählt er, noch im Jahr 2013. „2014 habe ich es mir dann stechen lassen.“ Vorher habe er sich die Einwilligung von Loréns Eltern eingeholt: „Sie fanden es auch gut.“

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Das Tattoo besteht nicht nur aus dem Schriftzug, sondern auch aus Loréns Auge, das mit Hilfe einer Foto-Vorlage nach dem Vorbild naturgetreu gezeichnet und anschließend tätowiert werden konnte. „Loréns Eltern haben ein Bild von dem Tattoo bekommen und es aufgehangen“, sagt Dominik Lumen. „In dem H ist auch ein L versteckt“ – ein L für Lorén.

Siegen: „Lorén wäre Trauzeugin gewesen, Patentante“

Mit dem Unterarm hat sich Dominik Lumen eine Stelle ausgesucht, die im Sommer für jeden zu sehen ist, wenn er mal etwas Kurzärmliges anzieht. Es erfordert enorme Stärke, mit Loréns Schicksal umzugehen. Dadurch, dass er für sein Trauertattoo eine offen sichtbare Stelle ausgewählt hat, kann er Gesprächen über Lorén mitunter gar nicht ausweichen. Ist so ein Trauertattoo nicht eher eine Belastung, kommen nicht zu viele Erinnerungen hoch? Dominik Lumens Antwort überrascht: „Mir hilft es eher.“ Für ihn steht das positive Gefühl im Vordergrund.

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Es ist sein Weg, mit der Trauer umzugehen, sie zu überwinden, soweit es möglich ist. „Ich habe kein Problem damit, darüber zu sprechen“, sagt Dominik Lumen. Auch anderen Menschen würde es sicherlich helfen, offener mit ihrer Trauer umzugehen, meint er. Manchmal kommen aber auch bei ihm traurige Gedanken hoch: „Lorén wäre Trauzeugin gewesen, Patentante“, sagt er. „Aber daran kann man nichts ändern.“ Es helfe, über schöne Sachen nachzudenken.

Siegen: Tattoo für verstorbenen Onkel Uwe – „Er war ein ganz, ganz großer Schalke-Fan“

Das Tattoo für Lorén ist nicht das einzige Trauertattoo von Dominik Lumen. Auf seinem Oberarm ist ein Porträt seines verstorbenen Opas verewigt (es ist nicht Teil der Ausstellung). Auf seinem Bein hat er ein Tattoo für seinen verstorbenen Onkel.

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„Er war ein ganz, ganz großer Schalke-Fan“, sagt er. Und auch der Nachwuchs in der Familie wurde immer ganz schnell „eingenordet“. „Ich hatte, glaube ich, meine erste Schalke-Fahne, da war ich eine Woche alt“, erzählt Dominik Lumen und lacht. „Mein Onkel hat mich auch das erste Mal mit ins Stadion genommen.“ Uwe, so hieß er, sei genau einen Monat nach seinem 60. Geburtstag nach einem Herzinfarkt auf der Intensivstation gestorben.

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Mit dem Trauertattoo sei er jetzt „immer mit dabei“. Dominik Lumen hatte bereits ein Schalke-Tattoo, das er in einem Tattoostudio umgestalten und erweitern ließ. Neben dem Schalke Schriftzug gibt es nun auch einen Förderturm und eine Lore. „Auf der steht das Datum, an dem ich das erste Mal mit meinem Onkel im Stadion war“, sagt Dominik Lumen. Da war er fünf Jahre alt.

Dominik Lumens zweites Trauertattoo erinnert ihn an seinen Onkel Uwe.
Dominik Lumens zweites Trauertattoo erinnert ihn an seinen Onkel Uwe. © Privat | Privat

Trauertattoos in Siegen: „Die Tattoos lassen die Menschen weiterleben“

„Die Tattoos lassen die Menschen weiterleben, die viel zu früh aus dem Leben gerissen wurden“, sagt der Herzhäuser. In seinem Job als Pflegedienstleiter der Caritas-Sozialstation in Siegen wird er häufiger auf sein „Mi Hermanita“-Tattoo von älteren Menschen angesprochen. „Was steht da überhaupt?“ oder „Welche Sprache ist das?“ seien dann mitunter die Fragen. Negative Reaktionen habe er noch nie erlebt.

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„Wenn die Nadel durch die Haut geführt wird, gibt es Stellen, die tun mehr und andere, die tun weniger weh“, sagt er. Am Ende sind es dann aber nicht nur Trauertattoos, die Dominik Lumens Körper zieren. „Mein viertes Tattoo ist für die Geburt meines Sohnes“, sagt er. Der Tod und der Neubeginn können manchmal so nah beieinander sein.

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