Siegen. Zweieinhalb Jahre Baustelle am gefährlichen Siegener Kreisverkehr Schleifmühlchen: Warum das für hitzige Diskussionen und Empörung sorgt.

  • Kreisverkehr Schleifmühlchen soll wie geplant ausgebaut werden
  • Grüne, Linke, Volt und FDP dagegen – teils erhebliche Kritik
  • Verwaltung betont: Schwere Phase für Siegen – aber definitiv Verbesserung

Der Sperrvermerk soll aufgehoben, der Kreisverkehr Schleifmühlchen wie geplant gebaut werden. Mehrheitlich stimmten Bau- und Verkehrsausschuss sowie die Bezirksvertretungen Mitte und Ost dafür, dass der Rat die in seiner Haushalts-Sitzung Anfang März durchgeboxte Sperre aufheben möge. Nun ist die Politik wie gefordert informiert: Zweieinhalb Jahre wird es dauern, das Provisorium am Verkehrsknotenpunkt in einen ordentlichen Kreisverkehr umzuwandeln. Einigen reicht das aber nicht: Grüne, Linke, Volt und Teile der FDP stimmten dagegen.

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Es wird drei (von insgesamt sechs) großen Bauabschnitten geben, der Verkehrsarm Richtung Lindenberg wird dabei über längere Strecken voll gesperrt, die Route zwischen Kochs Ecke und Kaan-Marienborn die meiste Zeit befahrbar sein, die Fludersbach über weite Strecken einspurig. Das alles ist seit Anfang März bekannt, wir berichteten ausführlich. Fachplaner Jan Witowski,Ingenieurbüro Klapp und Müller, erläuterte auf Wunsch der sechs Fraktionen Grüne, UWG, GfS, FDP, Linke und Volt noch einmal das Wann Was Wo und Wie – und vor allem die Dauer; besagte zweieinhalb Jahre. Starttermin: Noch immer unklar. Auch, weil abhängig von anderen Baumaßnahmen wie der in der Löhrstraße.

Grüne Kritik: Vortrag zu schnell, Folien nicht lesbar, Plan zu spät

„Dann fang ich mal an“ begann Ansgar Cziba (Grüne) und warf Ingenieur Witowski umgehend Dinge an den Kopf, die im Nachgang in den Reihen der Politik für Kopfschütteln sorgten oder als „Unverschämtheit“ bezeichnet wurden. Der Vortrag Witowskis sei zu schnell, die Folien nicht lesbar, die Vorlage zu kurzfristig eingegangen, so Cziba. Ob Witowskis Stundenlohn so hoch sei, dass er deshalb so schnell spreche? Zudem seien die „Laien in den Bezirksausschüssen“ nicht ausreichend im Thema. Und wie sich die Kosten künftig steigern würden, sei auch nicht dargelegt. Witowski selbst reagierte zunächst nicht auf die Anwürfe, Jürgen Rompf (CDU) sah sich genötigt, dem Gast zu versichern, dass sehr wohl alles verständlich und lesbar gewesen war; Cziba versuchte später zurückzurudern. Anke Schreiber, Abteilungsleiterin Straße und Verkehr, betonte, dass man sich mit der Kurzfristigkeit des Plans nicht für ebensolche Anträge aus der Politik habe revanchieren wollen.

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Joachim Boller (Grüne) hob auf die für den „Bypass“ vom Lindenberg Richtung Kaan gefällten sieben Bäume ab. Ersatzpflanzungen seien in den Plänen nicht verzeichnet. Leider wisse man aus Erfahrung, dass so etwas auch verschleppt werde, wenn nicht von vornherein festgehalten. Die Beschlussvorlage sei ein „Freifahrtschein für die Verwaltung“.

Tempo 30 würde den Schleifmühlchen-Ausbau auch nicht billiger machen

Silke Schneider (Linke) wollte wissen, welche Kosten man sparen könne, wenn der Kreisel baulich auf Tempo 30 ausgelegt würde, wie es womöglich im ganzen Stadtgebiet kommen soll. Sie bekam keine wirkliche Antwort, weil es keine gibt. Ihre Sorge, dass „die Siegerländer“ Probleme mit Kreisverkehren hätten, wies die Verwaltung zurück.

Martin Heilmann (Grüne) und und Raimund Hellwig (FDP) sorgten sich um die aus ihrer Sicht unzureichend vorbereiteten Umleitungen; nicht nur für Busse. Der Lohgraben etwa, den viele als Ausweichstrecke nutzen dürften, werde erheblichen Verkehrsbelastungen ausgesetzt.

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Unzureichend für Grüne und Linke auch die Führung des Radverkehrs: Der wird über Furten auf den Gehwegen über den Knotenpunkt geleitet und danach wieder auf die Fahrbahn. Ebenso die aus ihrer Sicht nicht ausreichende Verbesserung des Verkehrsflusses aus Richtung Kochs Ecke.

Verwaltung: Mit dem Siegbergtunnel hätte Siegen künftig weniger Verkehrsprobleme

2013 sei die Planung beschlossen worden, erinnerte Anke Schreiber, 2018 habe die Bezirksregierung als Zuschussgeberin diese bewilligt, „jährlich muss ich mich gegenüber Arnsberg und Düsseldorf rechtfertigen, dass wir noch nicht begonnen haben“, sagte sie. Das Geld werde für Siegen weiter geparkt, während andere Städte leer ausgingen. Die Bauphasen seien mit Feuerwehr, Polizei, Verkehrsbetrieben besprochen worden, „Sie können sicher sein, dass die Verkehre geführt werden“. Bei Umleitungen habe sich, etwa beim NRW-Tag, gezeigt, dass noch so detailreiche Pläne von der Realität der Verkehrsströme über den Haufen geworfen wurden – man werde situativ reagieren, „die Expertise ist ja da“.

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Man könne nicht verlangen, dass der Radverkehr während und nach der Baustelle optimal in alle Richtungen übers Schleifmühlchen geführt werden. Hätte man die Verkehrsspange mit dem Siegbergtunnel geplant, gäbe es mehr Komfort und Entlastung für alle Verkehrsträger. „Man kann das nicht weglassen und dann erwarten, mit dem Knotenpunkt alle Probleme zu lösen“, so Schreiber. „Derzeit gibt es hier gar nichts“, so Oliver Jenke, Abteilung Straße und Verkehr – am Lindenberg etwa fehle einfach der Platz für eine Fahrradschleuse. „Wir haben hier versucht, mit viel Hirnschmalz rauszuholen, was rauszuholen war – aber manche Zwangspunkte sind durch die Bebauung so schmal, da geht nicht mehr.“

Schleifmühlchen-Ausbau in Siegen weiter verzögern macht’s nicht billiger

Zur Kritik am Lindenberg-Kaan-Bypass, der nur den Verkehr auf dem schwächsten Verkehrsarm verbessere und daher womöglich überflüssig sei, sagte Jan Witowski: „Wer nicht durch den Kreisel fährt, eröffnet größere Lücken für die, die durchfahren.“

Thomas Christian mahnte für die SPD: „Wenn wir die Maßnahme weiter schieben (die Grünen wollten das zwischenzeitlich beantragen, Red), werden die Kosten nicht geringer.“ Rüdiger Heupel, GfS, sekundierte: „Wir haben hier eine Grundsatzentscheidung. Weiterplanen mit diesem Stand oder aufhören. Ich bin nicht für aufhören.“ Jan Witowski betonte, dass man Unwägbarkeiten und Kostensteigerungen mit strukturierter Planung entgegenwirke. „Wir bewältigen als Fachbüro solche Maßnahmen seit 25 Jahren, das ‘Risiko’ ist auf ein Minimum reduziert.“ Auch die ausführende Baufirma setze so ein Projekt an neuralgischem Punkt nicht zum ersten Mal um, „die wissen um die Brisanz.“ Das und auch Fertigstellungstermine würden in der Ausschreibung festgehalten.

Beitrag zur Verkehrssicherheit in Siegen – „verlieren uns im Klein-Klein über Bäume“

„Wir haben mehrmals deutlich gemacht, dass solche relativen ‘Kleinigkeiten’ wie die Neuanpflanzung der Bäume der Umsetzung nicht im Wege stehen – stellt das die Maßnahme wirklich komplett in Frage? Was ist die Alternative?“, so Stadtbaurat Henrik Schumann an Joachim Boller gerichtet. Solle komplett neu geplant werden, das Schleifmühlchen vollständig kaputt gehen, um dann unkoordiniert zu bauen?

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Jürgen Stinner (CDU) erinnerte daran, dass Eiserfeld eine solche Baumaßnahme bereits hinter sich hat, dass sich vieles einspielen müsse und werde. Ohne das Ausbauprojekt seien die Fördermittel verloren, „das Provisorium ist verkehrsgefährdend, besonders für Zweiradfahrer“, sagte er. „Sämtliche Verbesserungen würden entfallen, Steuergelder wären verschwendet.“ Er verstehe nicht, sagte Jürgen Rompf (CDU), dass in der aktuellen Phase, wo derart ausführlich informiert wurde, das Projekt noch zerredet werde. Fand auch sein Fraktionskollege Olaf Jagielski: „Wir sprechen über einen Beitrag zur Verkehrssicherheit und verlieren uns im Klein-Klein, wo Bäume hinkommen.“