Siegerland. Wir blicken zurück auf 2021. Hier erzählt Ina Carolin Lisiewicz, welche Themen für sie zu den Top 10 zählen, an die sie erinnern möchte.
Der erste Preis für den relevantesten Artikel soll an dieser Stelle nicht vergeben werden. Aber was heißt schon Relevanz? Für Ina Carolin Lisiewicz waren es beeindruckende Geschichten, die in Erinnerung geblieben sind.
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1. Feuerwehrchef Berthold Braun
Nach 18 Jahren als Leiter der Feuerwehr der Stadt Kreuztal ist der Kredenbacher in diesem Jahr in den Ruhestand gegangen. Fast zwei Jahrzehnte hat er das Feuerwehrgeschehen der Stadt geprägt. Aufgrund seines „Helfer-Syndroms“ sei er damals in die Wehr eingetreten. Dass er bei seinem Abschied mit einem Feuerwehr-Konvoi und vielem mehr verabschiedet wurde, konnte er selbst nicht so richtig fassen. Berthold Braun ist einer der Siegerländer, der sein Licht unter den Scheffel stellt, wobei er das nicht müsste. Vielleicht ist er aber auch einfach nicht der Mann der vielen Worte. Das soll dem Ganzen keinen Abbruch tun: Er hat viel geleistet – für die Stadt Kreuztal und die Feuerwehr. Imponierend, wie er alles unter einen Hut bekommen hat. Ein Feuerwehrmann mit Vorbildcharakter.
2. Schulsozialarbeit in Netphen
Auch die Menschen in den Schulen leisten in Corona-Zeiten Großes – wie auch schon zuvor, nur unter schwierigeren Bedingungen: Für viele Schülerinnen und Schüler brach in den Lockdowns die Alltagsstruktur zusammen. Kinder und Eltern waren überfordert. Einen Einblick in das Gefühlsleben vieler Familien gaben die drei Schulsozialarbeiterinnen Svenja Steinberger, Svetla Gärtner und Gabriele Leidig im Schulausschuss in Netphen. Sie bleiben auch in der Krise ganz nah an den Schülerinnen und Schülern dran, geben nicht auf, damit niemand verloren geht. Doch wie groß die Lücken sind, die durch Corona bei den Kindern und Jugendlichen entstanden sind oder entstehen, ist noch gar nicht abzusehen. Das betrifft nicht nur den Schulstoff, sondern auch das soziale Miteinander und so viel mehr. Allein schon für die junge Generation ist zu wünschen, dass die Pandemie endlich endet. Impfen ist der einzige Weg aus der Krise. Wer sich weigert, sollte auch einmal an die Konsequenzen für die junge Generation denken.
3. Ausbildung
Doch auch die lässt sich in der Krise nicht unterkriegen oder sie macht einfach das Beste aus der Situation. Viele verwirklichen ihre Träume auch in Zeiten der Pandemie, wie zum Beispiel Joanne Henkl und Eric Linnenweber. Sie haben 2021 eine Ausbildung zum Bäcker oder zur Bäckerin bei Schneiders Bäckerei in Netphen begonnen. In mühevoller Handarbeit backen sie Brot, Brötchen und Süßes und lernen dabei von Profis – etwas, was sich viele Hobbybäcker wünschen würden. Jedes Jahr aufs Neue fällt es Handwerksbetrieben, aber zunehmend auch Industrieunternehmen, schwer, Nachwuchs zu finden. Die Pandemie hat das Ganze zusätzlich verkompliziert. Dabei gibt es so viele tolle Ausbildungsberufe, engagierte Ausbilder und Azubis – auch in unserer Region. Wer Lust auf eine Ausbildung hat, sollte mit ihnen sprechen und auch diejenigen, die es nicht haben: Unvoreingenommen an die Sache rangehen, vielleicht ist es ja doch etwas für einen.
4. Podcast der Stadtbibliothek Kreuztal
„Podcasts produziert heutzutage ja jeder“, könnte man sagen. Stimmt. Aber Bibliothek-Podcasts gibt es nicht wie Sand am Meer. Und wenn eine Bibliothek das Zeug dazu hat, einen coolen Podcast zu produzieren, dann ist es die in Kreuztal. In „Bibliothek begeistert“ geben Linda Donalies, Sabine Flecke und Annamarie Escher-Schenkschuck Tipps für verschiedene Medien und Buchempfehlungen. Da lohnt sich das zuhören. Und selbst wenn man kein Fan von Podcasts ist: Es kann nur begeistern, dass den Bibliothekarinnen immer wieder neue Ideen für schöne Formate einfallen, ihr Tatendrang schier unermesslich ist. Sie sind einfach nicht zu bremsen und das ist gut so.
5. Stillkleidung „Charlotte hat Durst“
Ähnlich sieht es auch bei Carolin Flender aus. Die Kreuztalerin produziert unter dem Namen von „Charlotte hat Durst“ moderne Stillkleidung. Sie möchte Müttern ein gutes Gefühl in ihrer Haut geben. Keine Frau soll sich verbiegen müssen, weil sie nicht der Typ für Rüschen und Co. ist. Auch heute noch werden Mütter leider häufig auf ihr Muttersein reduziert. Aber auch als liebende Mama kann man eine gute Chefin, Freundin oder mehr sein sein – alles, was Frau sein möchte. Carolin Flender geht es bei „Charlotte hat Durst“ auch um die Selbstbestimmung der Frau. Dafür brennt sie. Als Gründerin der Marke „Anna und Oskar“ und dem Label „Charlotte hat Durst“ ist sie ein leuchtendes Beispiel dafür, dass Frauen alles schaffen können. Und dass auch eine Dreifachmama nicht einfach „nur“ eine Dreifachmama, sondern so viel mehr sein kann.
6. Johannlandhalle
Es war ein Schlag für die Menschen in Netphen-Salchendorf, als es im Sommer dieses Jahres hieß, dass die Johannlandhalle gesperrt wird. Veranstaltungen können seitdem dort nicht mehr stattfinden. Für viele Vereine wurde mit der Sperrung auch ihr Zentrum geschlossen. Die Salchendorfer kämpften für ihre Halle, gründeten eine Interessengemeinschaft. Nun steht fest, dass die Johannlandhalle saniert wird. Die Stadtverwaltung erwartet einen Landeszuschuss in Höhe von 90 Prozent der Kosten – mit einer Gesamtsumme von 725.000 Euro wird derzeit gerechnet. Bis alles fertig ist, wird es dauern. Die Salchendorfer werden auch bis dahin weiter zusammenhalten. Es ist ein starkes Dorf.
7. Inklusionshotel
Dass Inklusion hervorragend funktionieren kann, merkt man im Inklusionshotel „Fünf10“ in Deuz. Dort arbeiten Menschen mit und ohne Handicap zusammen. Inklusion ist hier keine von außen aufgedrückte Idee, sondern wird dort von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den Gästen gelebt. „Es ist erst Inklusion, wenn sie selbstverständlich ist“, sagt Restaurantleiterin Jutta Seringhaus. Genauso sollte es überall ablaufen. Inklusion sollte kein herausgehobenes Projekt mehr sein, mit dem man sich schmückt, sondern einfach Alltag. Selbstverständlich eben. Bis dahin ist es noch ein langer Weg – aber es gibt genug Beispiele, die vormachen, wie es sein sollte. Der „bunte Haufen“, wie Jutta Seringhaus das Team im Hotel „Fünf10“ zusammenfasst, ist eins davon. Auch diese Menschen haben 2021 Mut gemacht: Acht Monate Lockdown, dann wieder ein Start im Vollbetrieb. Und über ihnen schwebt immer die Möglichkeit, dass das Hotel wegen Corona-Schutzmaßnahmen wieder geschlossen wird. Zum Glück lassen sich die Deuzer von alledem nicht unterkriegen und machen einfach weiter.
8. Adipositas-Zentrum
„Adipositas ist eine chronische Erkrankung und kein Lifestyle-Problem“, sagt Privatdozent Dr. Sebastian Dango, Facharzt für Allgemein- und Viszeralchirurgie. Zusammen mit mehreren Kollegen hilft er Menschen, die an krankhaftem Übergewicht leiden, im Kompetenzzentrum für Adipositas- und Metabolische Chirurgie im Kreisklinikum Siegen. Damit leisten sie ganz wichtige Arbeit. Sie helfen Menschen, die Hilfe brauchen. So häufig wird Adipositas-Erkrankten Unverständnis gegenüber gebracht. Sie werden für ihr Aussehen verurteilt, weil urteilen einfacher, schneller ist, als sich ihre Geschichte anzuhören. Das ist falsch. Wir sollten besser zuhören und helfen statt vorschnell zu urteilen – gerade auch in Zeiten der Pandemie. Im Adipositas-Zentrum des Kreisklinikums gibt es endlich eine Anlaufstelle für Menschen mit krankhaftem Übergewicht. Einen Ort, wo ihr Anliegen ernst genommen und nicht tabuisiert wird. Mit dem Adipositas-Zentrum wurde dieses Jahr eine ganz wichtige Institution in Siegen-Wittgenstein geschaffen.
9. Stadtführung
Es sind Geschichten, die auch nach so vielen Jahren immer wieder erschüttern: Rosel Six führte im Rahmen der Gedenkveranstaltungen „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ Bürgerinnen und Bürger durch Hilchenbach und berichtete von ehemaligen jüdischen Mitbürgern, die von den Nazis ermordet wurden. Orte, die für viele Hilchenbacher Orte der Alltagskulisse sind, erhielten dabei eine neue Bedeutung: Das Haus am Mühlenweg 25 in Hilchenbach hinter dem Bahnhof – es erscheint so unscheinbar. Würde man nicht genau hinsehen, könnte man die Stolpersteine vorm Gebäude übersehen. Nach einer Führung mit Rosel Six vergisst man das Haus nie wieder. Sie schafft es, dessen ehemaligen Bewohner mit ihren Worten einen Moment lang wieder lebendig zu machen. Die jüdische Familie Holländer lebte dort wie jede andere Familie – bevor fast alle Familienmitglieder im Zweiten Weltkrieg deportiert und ermordet wurden. An einer anderen Stelle erzählt sie, wie sich zwei Schwestern im Deportationszug wiedertrafen. Es entstehen immer wieder Bilder der Familien im Kopf, die zerschlagen werden, weil man weiß, welches Schicksal die ehemaligen jüdischen Hilchenbacher Mitbürgerinnen und Mitbürger ereilte. Es ist Geschichte, die sich nie wiederholen darf, aber immer wieder wieder erzählt werden muss, damit sie niemals vergessen wird.
10. Qulturwerkstatt
Kultur ist auch in Pandemiezeiten nicht tot. Das beweist unter anderem die Qulturwerkstatt in Deuz. Viele Veranstaltungen boten Stefan Bünnig und seine Frau Giulia Gendolla auch in diesem Jahr an, der Andrang war groß (wir berichteten). Vor allem schwebt den beiden aber noch ganz viel vor: 2022 starten die Baumaßnahmen im „Q“, damit werden die Pläne endlich in die Tat umgesetzt. Es soll ein Ort für Kultur und Miteinander entstehen, dabei wirken die Ehrenamtlichen des Vereins Qulturwerkstatt tatkräftig mit. Wenn alles gelingt, könnte das „Q“ ein vielversprechendes Modell für die Zukunft sein. Ein Treffpunkt für Jung und Alt mit verschiedenen Veranstaltungsformaten und breitem Angebot im ländlichen Raum. Kinder und Jugendliche könnte man vielleicht mit wechselnden Projekten für die Vereinsarbeit begeistern. Ein Verein ohne Nachwuchssorgen? Das wäre doch einmal was.
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