Netphen. Schulsozialarbeiterinnen sprechen im Schulausschuss Netphen über ihren Job in Pandemie-Zeiten. Sie berichten von Gewalt, Überforderung und mehr.

„Die Alltagsstruktur brach in sich zusammen“, sagt Schulsozialarbeiterin Svetla Gärtner über die Zeit, als die Corona-Pandemie ausbrach und Schülerinnen und Schüler von jetzt auf gleich im Homeschooling waren. Eine große Hilfe für sie waren dabei die Schulsozialarbeiterinnen in Netphen. Das wurde vor dem Schulausschuss deutlich, in dem Svenja Steinberger, Svetla Gärtner und Gabriele Leidig über ihre Erfahrungen sprachen.

Netphen: Schüler und Eltern in Corona-Zeiten – Überforderung auf allen Seiten

Am 16. März 2020 wurden die Schulen das erste Mal geschlossen, die Notbetreuung setzte ein, erzählt Gabriele Leidig. Die Kinder hätten von jetzt auf gleich keine Struktur und keinen Rhythmus mehr gehabt. Normaler Unterricht war nach mehreren Lockdowns erst ab Juni diesen Jahres weitestgehend wieder möglich.

Zwei Vollzeitstellen

Zurzeit decken in der Stadt Netphen drei Schulsozialarbeiterinnen zwei Vollzeitstellen ab.

Sie verteilen sich über das Stadtgebiet.

Die Schulsozialarbeiterinnen seien seit Pandemiebeginn „grundsätzlich immer präsent“ gewesen, sagt Svenja Steinberger. Doch auch für sie änderte sich die Arbeit: „Gerade Zuhause gab es unheimlich viele Probleme.“ Zum Beispiel Überforderung auf Kinder- und Elternseite, Verständigungsprobleme bei Familien mit Migrationshintergrund oder einfach nur Schwierigkeiten mit der Internetverbindung.

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„Wir haben vieles telefonisch geregelt“, sagt Svenja Steinberger. Aber auch Hausbesuche nahmen die Schulsozialarbeiterinnen wahr. „Manche Schüler sind über längere Zeit einfach abgetaucht“, berichtet Gabriele Leidig. Die meisten von ihnen konnten sie wieder bewegen, zur Schule zu gehen. Auch Gewalt und der Umgang mit Existenzängsten waren in der Corona-Zeit Themen in Familien, so die Schulsozialarbeiterinnen.

Netphen: Schule in Corona-Zeiten – „Den Kindern fehlten überall Ansprechpartner“

„Den Kindern fehlten überall Ansprechpartner“, betont Gabriele Leidig. „Es sind riesige Lücken entstanden, wobei man noch gar nicht weiß, wie groß sie sind.“ So würden die Schülerinnen und Schüler auch in ihrer psychosozialen Entwicklung Defizite zeigen: „Sie haben das soziale Miteinander ein stückweit verlernt“, sagt Gabriele Leidig. Auch beim Thema Depression sei der Beratungsbedarf bei den Kindern und Jugendlichen „enorm gestiegen“.

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„Wir müssen jetzt ganz dicht an den Schülern dran sein“, betont Gabriele Leidig. „Wir glauben, dass die eigentliche Arbeit jetzt erst beginnt“, sagt Svetla Gärtner. Sie würden für die Kinder in den Familien schon alles tun, was gehe. „Aber von den Familien muss mehr Unterstützung kommen.“

Schulsozialarbeit in Netphen: Ausschussvorsitzende bedankt sich für Engagement

Hans Peter Faßbender (UWG) erkundigte sich im Schulausschuss bei den Sozialarbeiterinnen nach der Anzahl der zu betreuenden Kinder und wie viele davon einen Migrationshintergrund hätten. Gabriele Leidig betreut aktuell an den weiterführenden Schulen in Netphen circa 120 Kinder, Tendenz steigend. Etwa 50 Kinder davon haben einen Migrationshintergrund.

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Svetla Gärtner kümmert sich aktuell insgesamt um 46 Kinder an den Standorten Dreis-Tiefenbach und Eckmannshausen, davon haben 35 einen Migrationshintergrund. Svenja Steinberger betreut rund 55 Kinder an allen vier Grundschulstandorten, davon haben je nach Standort 40 bis 60 Prozent einen Migrationshintergrund. Das geht aus dem Protokoll der Schulausschusssitzung hervor.

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Hans Peter Faßbender wollte zudem im Ausschuss wissen, wie groß die Lernrückstände seien. „Dazu kann man noch nicht so viel sagen“, so Leidig. Das würde sich in den ersten Klassenarbeiten zeigen. Ausschussvorsitzende Silvia Glomski bedankte sich bei den Frauen: „Sie haben in der Pandemie-Zeit aufsuchende Sozialarbeit, nicht nur Schulsozialarbeit, geleistet.“ Ihre Arbeit führe noch einmal vor Augen, wie wichtig Schulsozialarbeit sei.

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