Dreis-Tiefenbach. Bei der Schneider’s Bäckerei in Netphen sind die Auszubildenden von Anfang an im Team willkommen. Ihnen stehen viele Möglichkeiten offen.

Es weht einem ein süßer und zugleich saurer Duft entgegen. Der Ofen schlägt Alarm: Der Käsekuchen ist fertig. Brote mit Sauerteig liegen schon zum Abkühlen bereit. Den schönen Duft nimmt Joanne Henkl schon gar nicht mehr wahr, erzählt sie. Denn er weht ihr in der „Schneider’s Bäckerei“ als Auszubildende fast jeden Tag entgegen. Und wie sieht es mit dem Naschen aus? Das hätte sie „auch mal“ gemacht, „aber mit der Zeit hört das automatisch auf“. Ihr Azubi-Kollege Eric Linnenweber sieht das Ganze pragmatischer: „Hier kann ich die Produkte herstellen, die ich gerne esse.“ Die beiden Jugendlichen haben Anfang August ihre Bäcker-Ausbildung bei der Schneider’s Bäckerei in Netphen begonnen. Dass der Bäcker-Job eher zu einem der unbeliebteren im Handwerk zählt, hat sie nicht abgeschreckt.

Schneider’s Bäckerei in Netphen: Wie eine Auszubildende ihren Traumberuf fand

„Wenn Verwandte nach Hause kommen, backe ich immer“, sagt Eric Linnenweber. Er hätte schon immer mit Lebensmitteln arbeiten wollen. Erst hatte er Interesse an einer Koch-Ausbildung, doch dann entschied er sich für die Bäcker-Lehre. „Das gefällt mir einfach besser“, sagt der 16-Jährige.

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Joanne Henkl fand durch ein Praktikum bei Schneider’s ihren Traumjob. Einen Tag verbrachte sie dafür in der Bäckerei – das reichte aus, um zu wissen, dass sie in Zukunft Bäckerin sein möchte. „Hier wird sich richtig um uns gekümmert. Uns wird viel beigebracht, gezeigt und erklärt. Alle sind ganz lieb zu uns“, sagt sie begeistert. Beide Auszubildenden fühlen sich nach etwas mehr als zwei Wochen bereits als vollwertige Teammitglieder. Auch als Auszubildende im ersten Lehrjahr können sie viel mitwirken. „Hier gibt es so viele Möglichkeiten zu backen, die man Zuhause nicht hat“, freut sich Joanne Henkl.

Ausbildung in Netphen: Das sind die Bedingungen in der Schneider’s Bäckerei

Natürlich sei ihnen am Anfang das frühe Aufstehen nicht leicht gefallen. „Besonders an den ersten zwei Tagen“, so die 17-Jährige. Mittlerweile stehen die beiden um 4 Uhr oft schon ganz ohne Wecker auf. Beide fanden die ersten Wochen „anstrengend“. „Das lange Stehen kann auch auf die Füße und den Rücken gehen“, erklärt Joanne Henkl. Doch davon lassen sich die beiden jungen Auszubildenden noch lange nicht unterkriegen.

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Sie haben eine Fünf-Tage-Woche und sind bisher ausschließlich in der Tagschicht (von 5 bis 13.30 Uhr) aktiv. Aufgrund des Jugendschutzgesetzes dürfen sie nicht in der Nacht arbeiten, solange sie keine 18 Jahre alt sind. Den schulischen Teil absolvieren sie gemeinsam mit der dritten Bäcker-Auszubildenden der Schneider’s Bäckerei im ersten Lehrjahr am Berufskolleg AHS in Siegen.

Ausbildung bei Schneider’s: Das gab es bisher für die Azubis in der Bäckerei zu tun

In den ersten beiden Wochen haben Joanne Henkl und Eric Linnenweber schon einiges durchlaufen: Sie lernten die Brot- und Backanlage sowie die Teilchenabteilung kennen. „Da haben wir Pflaumenkuchen und Streuselteile hergestellt“, sagt Joanne Henkl. „Hier wird jede einzelne Pflaume angepackt und auf den Kuchen gelegt. Zöpfe werden per Hand geflochten, Nougathörnchen gewickelt“, sagt Ausbildungsbetreuer Matthias von Fugler.

Ausbildung bei der Schneiders Bäckerei in Netphen: Matthias von Fugler ist schon seit Jahrzehnten Ausbildungsbetreuer bei Schneiders.
Ausbildung bei der Schneiders Bäckerei in Netphen: Matthias von Fugler ist schon seit Jahrzehnten Ausbildungsbetreuer bei Schneiders. © WP | Ina Carolin Lisiewicz

Erst einmal werden die Azubis mit dem Sortiment vertraut gemacht. „Wir haben schon das Mürbeteigrezept gelernt“, erzählt Joanne Henkl. Das sei ganz einfach im Kopf zu behalten, da es nach dem 1,2,3-Prinzip (Zucker, Fett, Mehl) aufgebaut sei. „Wir haben gefegt und Tische sauber gemacht“, erzählt Eric Linnenweber. „Auch die Maschinen“, ergänzt Joanne Henkl. Im Lebensmittelbetrieb gelten hohe Hygienemaßstäbe, die auch die Azubis lernen müssen. Nach dem Backen oder dem Kuchen belegen muss eben auch der Arbeitsplatz sauber gemacht werden.

Netphen: Jedes Jahr Nachwuchsmangel bei der Bäcker-Ausbildung

Matthias von Fugler achtet darauf, den Auszubildenden ihre Lehre so schön wie möglich zu machen und seine Begeisterung für das Bäcker-Dasein weiterzugeben. „Ich habe den richtigen Beruf gewählt und finde ihn immer noch klasse“, sagt er. „Wir haben schon genug Aderlass in diesem Beruf, weil nicht so viele Menschen in der Nacht arbeiten wollen.“

Ausbildung dauert drei Jahre

Drei Jahre dauert die Ausbildung zum Bäcker. Die meisten Bäcker-Azubis haben einen Haupt- oder Realschulabschluss als schulische Vorbildung.

Im ersten Lehrjahr liegt das Gehalt im Bäckerhandwerk in NRW laut der Agentur für Arbeit bei 645 Euro, im zweiten bei 720, im dritten bei 850 Euro (Stand März 2021). In der Brot- und Backwarenindustrie ist das Gehalt meist höher.

Es gelte, in einer Ausbildung die Stärken der Azubis zu fördern und die Schwächen zu verbessern. „Es kommt auch immer darauf an, welche Interessen das Mädchen oder der Junge hat“, so Matthias von Fugler. Mittlerweile sei eine Bäcker-Ausbildung nicht nur echtes Handwerk, sondern auch mit einem hohen technischem Know-how für die Maschinen verbunden.

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Jedes Jahr aufs Neue ist es trotzdem schwierig, Nachwuchs zu finden. Viele schrecken die Arbeitszeiten ab. „Es gibt auch wenige Betriebe wie diesen, wo Azubis nach acht Stunden nach Hause gehen“, sagt Matthias von Fugler. Auch eine geregelte Fünf-Tage-Woche sei nicht in allen Bäckereien Standard.

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Die gute Ausbildung bei Schneider’s hat sich mittlerweile rumgesprochen: „Viele Azubis laufen mir zu“, sagt Matthias von Fugler. „Wir bilden unseren eigenen Nachwuchs aus.“ Er empfiehlt Bäcker-Interessenten in einem Praktikum „einfach mal reinzugucken“ und dann zu entscheiden, ob sie sich eine Bäcker-Lehre zukünftig vorstellen können.

Schneider’s Bäckerei: Das sind ein paar der Karrieremöglichkeiten nach der Ausbildung

„Hier kann man sich hocharbeiten“, sagt Joanne Henkl. Beide Auszubildenden können sich vorstellen, diese Chance zu nutzen. Eine Konditorei-Spezialisierung schließt zumindest Joanne Henkl bisher aber aus: „Da muss man so viel probieren und ich esse nicht alles.“ Aber es stehen ja auch noch weitere Möglichkeiten offen, zum Beispiel eine Position als Schichtleiterin oder Schichtleiter.

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Für Eric Linnenweber ist jetzt schon klar, dass er nach der Ausbildung gerne bei der Schneider’s Bäckerei bleiben möchte. Jedem Azubi, der das anstrebt, würde auch ein Angebot gemacht, betont Matthias von Fugler. Erst einmal gilt es aber die Ausbildung abzuschließen. Noch haben Joanne Henkl und Eric Linnenweber fast drei Jahre vor sich.

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