Siegen. Landtagsfraktionen befürworten Umzug der Uni in Siegener Innenstadt. Kommunalpolitik begrüßt Campus-Gestaltungshandbuch, Heimatverein kritisiert
Die Zustimmung zum Umzug der Universität Siegen im Rahmen des großangelegten Städtebauprojekts „Siegen – Wissen verbindet“ wächst. Nach der SPD-Landtagsfraktion bekunden nun auch Landespolitiker der CDU und der Grünen ihre Unterstützung.
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Südwestfälische CDU-Abgeordneten und parlamentarischer Geschäftsführer der Landtagsfraktion zeigten sich beeindruckt von den Plänen, erläutert von Rektor Prof. Holger Burckhart und Kanzler Ulf Richter. Die hervorragende Zusammenarbeit von Stadt und Hochschule habe sich bei den Projekten Unteres Schloss, Mensa und Hörsaalgebäude bewährt; auch für „Siegen – Wissen verbindet“ werde das erwartet und überdies einen deutlichen Beitrag zur Attraktivität des gesamten südwestfälischen Raums leisten, so der Siegener Abgeordnete Jens Kamieth.
NRW-Grüne: Siegen profitiert von studentischem Leben, Aufenthaltsqualität, Belebung
Das Projekt sei mehr als nur der Umzug weiterer Fakultäten ins Zentrum: Weil hier öffentliche Freiräume entstehen, die Begegnungen auch abseits der Uni ermöglichen, werde Wissens- und Stadtgesellschaft verbunden. Überdies passe das Vorhaben in die vom Strukturwandel im Einzelhandel geprägte Zeit. Perspektivisch würden lange Wege zwischen den mehr als ein Dutzend Hochschulstandorten entfallen – Verkehrsentlastung und neue Wegeverbindungen für Fußgänger und Radfahrer seien die Folge. Flächenentsiegelung und energieeffiziente Bauweise leisteten einen Beitrag zur Nachhaltigkeit.
Das bestätigt auch die Landtagsfraktion der Grünen, die ebenfalls von Rektor und Kanzler informiert wurde. „Innenstädte müssen heute mehr bieten als Einkaufsmöglichkeiten“, so der heimische Abgeordnete Johannes Remmel, Sprecher für Stadtentwicklung seiner Fraktion: Ein Nutzungsmix aus Handel, Gastronomie, Handwerk, Kultur, Bildung und Wohnen werde die Innenstadt attraktiver, ebenso durch begrünte, barrierefreie Plätze, Aufenthalts- und Freizeitmöglichkeiten. Es ergäben sich Chancen für beide Seiten: „Die Universität bekommt gut erschlossene Standorte in der Innenstadt und die Siegen profitiert vom studentischen Leben, neuer Aufenthaltsqualität, attraktiven Wegen und einer deutlichen Belebung der Innenstadt.“
Gestaltungshandbuch für Uni Siegen legt fest: Fassaden, Dächer, Bepflanzung, Höhe,...
Stadt, Uni und beteiligte Planungsbüros haben unterdessen ein „Gestaltungshandbuch für Architektur und Freiraum“ vorgelegt, das die Rahmenbedingungen für das Erscheinungsbild der neuen Teilcampus’ festlegt. Es dient zunächst als Basis für die Konkretisierung der einzelnen Bauvorhaben, die bislang nur als Grobplanung vorliegen. Verbindlich werden sie später durch einen städtebaulichen Vertrag.
Im Gestaltungshandbuch sind unter anderem die Gebäudehöhe, Angleichung an Bestandsbauten, Fassaden und Dächer, Bepflanzung und Bodenbeläge festgehalten. Campus Nord und Campus Süd sollen eigenständige Identitäten entwickeln, heißt es darin – an der Friedrichstraße als urbaner, dichter bebauter Stadtraum mit Grün- und Freiflächen; am Häutebachweg mit aufgelockerter Baustruktur und naturnahem, ökologisch wertvollen Freiraum entlang der Weiß.
Die Kommunalpolitik ist überzeugt. Nach den ersten, noch sehr groben Planungsentwürfen gab es in der Bevölkerung viele Fragen und Unsicherheiten etwa zum Stadtbild oder was die Betroffenheit von Grundstücken angeht.
Teilcampus Nord Friedrichstraße Siegen: Flächen entsiegelt, Schritt zur Schwammstadt
Der zuständige städtische Arbeitskreis habe sich für den Teilcampus Nord dem Gestaltungshandbuch angeschlossen, berichtete Marlene Krippendorf, Abteilung Stadtplanung, im Stadtentwicklungsausschuss. Besonderen Wert wurde demnach auf den Oberstadtaufzug gelegt, den auch die Stadt für äußerst wichtig hält. Fassaden sollten nicht nur zu den Innenhöfen, sondern auch zum öffentlichen Raum hin begrünt werden.
Für den Teilcampus Süd wünsche sich der Arbeitskreis keine Metallfassaden und keine Dachaufbauten auf dem vergleichsweise hohen Gebäude an der Stelle des Löhrtorbads – auch keine technischen Aufbauten. Silke Schneider (Linke) erinnerte daran, dass sich Flachdächer gut für Photovoltaik-Anlagen und Dachbegrünung eignen. Wo Flachdächer entstehen, entstehen gleichzeitig auch Gründächer, bekräftigte Stadtbaurat Henrik Schumann. Da die Uni auch in Überflutungsbereichen (Häutebachweg) baut, werde im Sinne einer „Schwammstadt“ auch darauf geachtet, zentrale Technik nicht in Keller- und Erdgeschossen unterzubringen. In dieser Hinsicht sei auch der Teilcampus Nord ein Fortschritt, weil hier viele Flächen entsiegelt werden sollen.
Laut Nicole Scherzberg, Beirat für Menschen mit Behinderung, seien nicht alle vorgeschlagenen Bodenbeläge wirklich barrierefrei, gerade in öffentlichen Bereichen möge man auf Blinde und Rollstuhlfahrer achten. Gestalterisch schließt der Uni-Umzug an Städtebaumaßnahmen wie die Neuen Ufer an, daher sollten diese Bereiche „nicht komplett anders als bisher“ aussehen, so der Stadtbaurat. Für konkrete Problemfälle suche man den Dialog mit dem Beirat.
Heimat- und Geschichtsverein findet: Uni fügt sich nicht in Siegener Stadtbild ein
Der Arbeitskreis Ortsbild- und Heimatpflege im Siegerländer Heimat- und Geschichtsverein indes ist nicht sehr angetan vom Gestaltungshandbuch. Die Gruppe hatte sich bereits mehrfach kritisch zu Wort gemeldet. Zwar begrüße man das Projekt und das Gestaltungshandbuch, es widerspreche aber „in großen Zügen“ dem Innenstadtentwicklungs- und Grünkonzept von 2015 sowie der von einer Bürgerwerkstatt erarbeiteten und vom Rat beschlossenen Gestaltungssatzung für die Innenstadt.
Vor allem mit der verträglichen Integration ins Stadtbild hat die Gruppe ihre Probleme. Seit Jahrzehnten zeige sich etwa an Kochs Ecke und Reichwalds Ecke, dass „überdimensionierte Flachdachgebäude keine Bereicherung des Stadtbildes darstellen“. Ein Blick in traditionelle Universitätsstädte zeige, dass historische Gebäude mit Satteldächern mit drei bis vier Geschossen und Satteldach ins Stadtbild integriert seien und Vorzeigeobjekte seien – wie das Untere Schloss. Flachdachquartiere könnten keine nachhaltige Ortsbildqualität erzeugen. Photovoltaik-Anlagen und Dachterrassen auf den geplanten Flachdächern könnten genauso gut, wenn nicht sogar besser, auf einer Dachlandschaft untergebracht werden. Die Bebauung am Häutebachweg wirke, als seien es keine Einzelgebäude, sondern eine zusammenhängende Baumasse.
Arbeitskreis fordert Bürgerbeteiligung zu „Siegen – Wissen verbindet“
Der Arbeitskreis erneuert die Forderung nach Bürgerbeteiligung: Die Ergebnisse der Bürgerwerkstatt gehörten berücksichtigt, damit die Auffassung der Bevölkerung in die Weiterentwicklung der Quartiere einfließen könne. Sprecher Dieter Tröps: „Bürgerwerkstätten sind das Gebot der Stunde, die Universität Siegen ist gut beraten, sie auch bei den beiden Quartieren wieder einzusetzen.“
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Weitere Kritikpunkte: Das „urbane Herz an der Friedrichstraße“ werde keine deutlichere Belebung erfahren als der Campus am Haardter Berg, so die Überzeugung, studentische Wohnmöglichkeiten in der Innenstadt seien sehr begrenzt. Die „grüne Lunge“ am Löhrtor werde durch die intensivere Bebauung kaum richtig „atmen“ können. Dass beide Teilcampus’ eigenständige Identitäten entwickeln sollen stehe im absoluten Widerspruch zum Ziel, der Verträglichkeit mit dem Stadtbild. Die historischen Gärten am Siegberghang, ein „einmaliges Kleinod“, dürften keinesfalls Baggern zum Opfer fallen. Die Fassadengestaltung mit raumhohen Fenstern würden in einschlägigen Fachbüchern zur Architekturpsychologie für Büro und Schulflächen überaus kritisch bewertet. Der zusätzliche Energieaufwand könnte bei einer schlichten Lochfassade deutlich reduziert werden.